6.49 Uhr:
[ICE Berlin-Bamberg.]
Sitze bereits im Zug, noch voller sich durch mich hindurchdrehendem Alkohol. Will die >>>> Nachträge von gestern aus dem Notizbücherl übertragen. Dazu kam ich gestern nacht nicht mehr, denn als ich wieder zuhause war, brach der gesamte Frust aus mir heraus, ich schüttete mich voll Wein und kippte den ganzen inneren Müll auf >>>> June, die noch spät im Messenger war. Unfair genug. (Aber als ich den Computer eben hochfuhr, las ich mich sofort in der gestrigen ARGO-Überarbeitung fest. Der Roman läuft so gut, es könnte mir bei den derzeitigen Umständen den Verdacht machen, Literatur zu schreiben, sei eben d o c h nur Sublimation. Was das >>>> Ekelgefühl vor Menschen noch füttert, das momentan so stark in mir ist. Die nun bereits sieben Monate erotischer Abstinenz machen mich völlig fertig. Es war ein solcher Fehler, mich Ω’s wegen zu einer zumal derart sinnlosen Treue anzuhalten. Herausgekommen ist dabei: Ich habe meinen Körper verraten, ich habe die Erde verraten. Nun rächt die sich. Und sagt: Ich habe dich diesen gesunden schönen Körper bewahren lassen, damit du von Grund auf fühlst, wie es ist, wenn man sich gegen mich richtet. Du warst immer mein Priester, dann fielst du ab, wolltest um einer Familie willen bürgerlich werden, zivilisiert. Nun trag jetzt die Folgen. Denn ich verzeih dir das nicht.)
11.59 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Zurück. Gut mit der ARGO-Überarbeitung vorangekommen im Zug, aber depressiv, sowie ich von der Arbeit aufseh. Seit gestern nacht wehe ich in Brisen der Suizidalität. Aber hab keine Angst, mein Sohn, es gibt D i c h, da kommt so etwas nicht infrage. Außerdem, ganz nebenbei, ist ein W e r k weiterzuschreiben und irgendwann zu vollenden, das dem L e b e n gewidmet ist, nicht der Versagung und dem Tod, auf die ich beide scheiße.
16.12 Uhr:
Eine Stunde lang extrem tief geschlafen und geträumt: – daß mir die Sushi, die ich vorhin mitgebracht (tiefgefroren, man glaubt’s nicht, bei PLUS) von zwei impertinenten jungen Frauen – Zwillingen übrigens, seltsames Motiv – weggegessen wurden, die sich schon alle Zeit vorher danebenbenahmen, daß ich ihnen über einen Saal hinweg (!) eine Standpauke hielt, die sie veranlaßte, die Gesellschaft zu verlassen, in der auch ich nur Gast war; hinterher führte mich der Gastgeber außen um die Konzerthalle herum, oben am Dach; wir kamen schließlich nur noch hinunter, indem wir hinabkletterten, – rutschten; viel Erde ging dabei lose und rutschte in kleinen Lawinen mit. Dann träumte mir von >>>> ihr, die in der Traumwirklichkeit Ω war; auf diese Weise, träumte mir, nehme sie den Kontakt wieder auf und beginne endlich zu sprechen. Es ist dieser Satz „weshalb Sie ja ab und zu nicht davon absehen können, das VERLORENE Leben passieren zu lassen“, der das ausgelöst haben dürfte, auch wenn Trisam sofort ein kleines hämisches, auch noch falsch verwendetes ( nämlich ‚selig’) „bier- oder weinselig“ hinterherschicken mußte – als wäre hier nicht a u c h der Trauer oft und vielerlei Ausdruck gegeben worden. Natürlich weiß ich jetzt, was die Richtung vorgibt: wieder einmal mein Narzißmus. Ach, Leser, hab ich den nicht ebenfalls oft genug eingestanden, haben wir darüber nicht >>>> anderswo bereits bis zum Erbrechen diskutiert? Wieso ist es so schwer zu verstehen? Ja, ich bin narzißtisch – und ja!: ich liebe andere Narzißten. Jessesmohammedmaria!
(Die Sushi haben übrigens, man glaubt’s nicht, geschmeckt. Sie waren zwar nicht großartig, aber gut.)
ARGO weiter. Und ein Paralipomenon über Schönheit hab ich noch notiert. Das muß ausformuliert werden. Um 20 Uhr liest hier >>>> Guntram Vesper.