Arbeitsjournal. Freitag, der 4. August 2006.

6.28 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung. Chopin im >>>> DänenNetzRadio.]
Es beginnt offenbar wieder eine Zeit, in der mir das sehr frühe Aufstehen schwerfällt; normal für Phasen, in denen ich nicht ein einheitliches Prosa-Projekt verfolge, bzw. es unterbrechen muß – wie jetzt wegen >>>> PETTERSSON und der Steuer. Jedenfalls komme ich nicht wesentlich früher als um sechs Uhr hoch, was allerdings auch daran liegt, daß ich zwar abends/nachts immer noch arbeiten möchte, es aber nicht kann. Außerdem scheint Lyrik bei mir anders geartete Imaginationsabläufe zu verlangen. Der Steuermüll, an den gleich nachher wieder zu gehen ist, hindert überdies.
Da ich meinen Jungen heute wahrscheinlich nicht sehen werde und er bis Dienstag abend nächster Woche ohnedies verreist sein wird, werd ich bis etwa zehn Uhr hier in der Küche literarisch arbeiten und dann in die Arbeitswohnung wechseln, um mich möglichst in einem Rutsch weiter mit den Steuerbelegen zu beschäftigen. Vielleicht krieg ich das bis Sonntag mittag zumindest im groben fertig; dann werd ich nach Bamberg fahren und mich konzentriert an den PETTERSSON setzen. Am Mittwoch will ich nach Berlin zurückkehren, um fortzusetzen, was ich gegenwärtig Familienzeit nenne. Weitere Planung steht aus, ich lasse es surfen, wie die Wellenkämme des Zeitläufts wollen. Immerhin doch auch dann eine einigermaßen feste Struktur: Morgens arbeiten, ab frühen Nachmittag Privates. Bis wieder die Schule meines Jungen beginnt, wird das kaum anders handhabbar sein. Auffällig übrigens, daß ich während der Familienzeiten nicht rauche und es mir auch überhaupt nicht fehlt; kaum bin ich aber wieder allein, betreibe ich heftigen Nikotinmißbrauch. So daß er etwas von einer Sozialerscheinung hat. Seltsam. Und überhaupt ist diese enge Verbindung von geistiger Arbeit und Rauchen auffällig; sie betrifft ja nicht nur mich. Alkohol hingegen spielt bei mir kaum eine Rolle; zwar kann ich s c h o n kippen, aber eben beim Arbeiten nicht, und manchmal ‚vergeß’ ich’s auch einfach.
Ein weiteres Übrigens fürs Arbeitsprotokoll: Bin ich in Berlin, dann übernachte ich derzeit, obwohl mir die Arbeitswohnung so viel näher ist, fast ausschließlich in der Kinderwohnung; das liegt daran, daß hier, Katangas wegen, Netz- und Telefonanschluß weiterfunktionieren, indes sie dort für die Zeit meines Bamberger Aufenthaltes aus Kostengründen abgemeldet sind und ich, ebenfalls aus Kostengründen, meinen Zugang durchs Mobiltelefon nicht überstrapazieren will. Dieses ist ohnedies schon ein signifikanter Posten meiner Monatsbelastungen geworden.

So, was tun. Aus einer Beobachtung ist ein Schluß zu ziehen.

Mittags treff ich zum Essen Delf Schmidt, den ich immer noch und immer weiter als ‚meinen’ Lektor fühle, auch wenn er’s objektiv nicht mehr ist.

14.14 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung. Michael Mantler, The Jazz Composer’s Orchestra.]
Bin so von der Steuer, meiner Abwehr gegen diese allein nur zuordnende Tätigkeit und zudem einer plötzlichen Traurigkeit derart absorbiert, daß ich mich in einem heftigen Müdigkeitsanfall schlafen lege. Da geht das Telefon, und Delf Schmidt ruft an. „Du hast uns vergessen.“ Dreimal muß ich nachfragen, w e r mich da anruft, bevor ich überhaupt den Anrufer erkenne und den Sinn verstehe. „Ich komm grad vom Essen“, sagt der Lektor und Freund. Da er kein Mobiltelefon hat, hat er nicht früher angerufen. – Peinlich. Und ebenfalls traurig. Ich kann mich nur entschuldigen, will weiterschlafen, es geht nicht. Also weiter an die Steuer. Ich hab den Eindruck, daß unzählig viele Belege fehlen. Es ist so furchtbar eklig.
Außerdem bin ich mit dem >>>> Arbeitsergebnis von heute vormittag unzufrieden. Es drückt nicht aus, was ich ausdrücken w o l l t e, erreicht es allenfalls ungefähr. Daher auch das Laienhafte, das ich in dem Gedicht noch peinigend spüre.

[Peter Gordon, Innocent.]
15.07 Uhr:
[Othmar Schoeck, Massimila Doni.]

17.22 Uhr:
Wen wundert noch meine Depression wegen dieser Steuerscheiße? Erste Zusammenrechnung:

Einnahmen 2004 16.763,96
Ausgaben 2004 – 27.107,51

insgesamt minus 10.343,55

zuzüglich Gelder aus aufgenommenem Kredit 9.800,–
zuzüglich Stipendium 3.000,–
12.800,–

Zum Leben waren also da 2456,45

Hiervon sind noch nicht die Einzelrechnungen abgezogen, also Büromaterial, Praxisgebühren, Computer-, Computerneben- und Reparaturkosten, Reisekosten (Recherchen u. a. für das Catania- und S.-Michele-Hörstück, Tonaufnahmen vor Ort), die Kosten für das Fahrrad (ich habe keinen Wagen), Putzmittel, Waschsalon (schon wegen des Kindes, das 3 ½ Tage wöchentlich bei mir lebt; ich habe keine Waschmachine), Bewirtungen usw. – Tatsächlich war ich nicht selten auf Privatzuwendungen von Freunden angewiesen. Ja, Leser, das g e h ö r t in ein literarisches Arbeitsjournal.Ah, ich hab’s so satt und mach jetzt mit dem Steuerkram für heute Schluß!

Verklingend:
[Othmar Schoeck, Massimila Doni.]

17.57 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Hör aber schon die Gegner hämen: “Weshalb macht er nichts anderes, wenn er doch davon nicht leben kann?!“ – Da gibt >>>> ein Blick in mein Werkverzeichnis mir wieder den alten trotzigen Mut.

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