Dies und das und Peter Kurzeck. 28.3. 2007. montgelas.

Wieder Oktober. Du kommst aus dem Haus. Am Morgen, noch früh. Die Straße ist naß. Du kommst aus dem Haus und mußt stehenbleiben, so riecht es nach Herbst. Das abgefallene Laub. Gerade eben hast du aus der Nacht deinen Traum noch gewußt und jetzt ist er weg. Du spürst noch, wie er sich entfernt. Ein Luftzug, ein Vorhang, der sich bewegt. Flügel, die sich sacht regen, die Schatten von Flügeln, und dann ist er gegangen. Weg für immer. Die Tür fällt hinter dir zu. Man kommt aus dem Haus. Das Leben ist fremd.*

Die Leipziger Buchmesse war wieder einmal, wie der Sommer des vergangenen Jahres, ein Forum auch für „Giganten“. Martin Walser feierte im Schauspielhaus seinen 80. Geburtstag und Grass, der offenbar dort wo Walser weilt auch hin muss, wanderte durch die Messehallen.
Legt, wie im Sommer 2006 geschehen, der eine einen Gesellschaftsroman
über die Fallen des Alters vor (Angstblüte), schiebt der Andere eine Autobiographie nach, die den Journalisten das Sommerloch stopfen hilft. Erscheinen von dem Einen Gedichte – Poesie des Alters – wundervoll von Alissa Walser illustriert, kann es der Andere nicht lassen und veröffentlicht ebenso welche. Zufall ? Über die Qualität der Lyrik beider Bände war in den Feuilletons wenig bis gar nichts zu lesen. Wer auch immer dieses Konkurrententiming zu verantworten hat, ich fand es peinlich. Ebenso peinlich finde ich das fast zeitgleiche Beginnen der Lesereise von Florian Illies, der seinen Roman „Ortsgespräch“, vorstellt; und sich vielleicht mit >>>Peter Kurzecks neuen Roman“ “OKTOBER UND WER WIR SELBST SIND” glaubt messen zu können. Das geht nach hinten los. Die Generation „Golf“ taugt, um im Bild zu bleiben, allenfalls heute noch zum Caddie. Merkwürdige Adjektive, wie “fachwerkiger” brachten mich auf die Palme. Die Reihe könnte ich fortsetzen, aber ich es lass es lieber. Der Roman, manch Schlitzer Bürger wird ihn kaufen, stahl mir Zeit, die ich sinnvoller hätte nutzen können.
Anders Kurzeck: Da schreibt einer, der die >>>Welt in Frankfurt/Main und in der Wetterau entdeckt, ohne je provinziell werden. Andere wollen schreiben, Peter Kurzeck muss schreiben. Und er beherrscht sein Metier! Mit poetischer Verve, die empfindsame Leser jubeln und weinen lässt! Keine falsche Sentimentalität, jeder Satz, gerät zu einem „Meisterwerk politischer Entfremdungsprosa“ (Martin Büsser in der Konkret 4). Rilkes Worte „Armut ist ein großer Glanz von Innen“, verlieren ihre heuchlerische Magie bei Kurzecks Gängen durch Frankfurts Strassen und Gassen. Ohne zu agitieren, allein durch die poetische Sprachmacht des “hessischen Joyce” entsteht vor den teilnehmenden Lesern ein Bild der Stadt Frankfurt, dass hinter seiner Bankensilhouette, fernab der Börse, das wirkliche Leben der Menschen abbildet, die allzu oft, ohne es zu ahnen, von Entscheidungen in den Türmen und auf dem Parkett betroffen werden. Nicht sentimental und doch liebevoll, detailversessen, erzählt Peter Kurzeck seine Geschichte, die immer auch die Geschichten anderer mitdenkt und mitfühlt.

»…Wie kostbare Seide das Licht, wie sehr heller Tee. Darjeeling. Das gleiche Licht, in dem du manchmal am Abend müd heimgehst. Und einmal, das weißt du, einmal wirst du in so einem Licht aus der Stadt hinaus. Zu Fuß. Wie ein Wanderer auf einem Bild. Vielleicht als Kind einmal so ein Bild gesehen und den Wanderer auf dem Bild. Und ihm lang nachgesehen, weil er vorher mit dir gesprochen hat und dir zugenickt, bevor er dann weiterging in das Bild hinein. Aber kein Licht jetzt. Die Scheibe beschlagen. Nebel und Dämmerung. Und immer wieder große und kleine Monde an der Scheibe vorbei. Immer andere. Langsam. Halbmonde, Monde und Nebelsonnen. Einmal der Tee noch zu heiß. Einmal trinkst du ein Glas und gleich bleibt die Zeit stehen. Gleich auch so eine Nähe zu dir selbst. Du trinkst drei-vier Gläser in kaum fünf Minuten. Und stehst da, noch eben dein ganzes Leben im Gedächtnis und jetzt fällt nichtmal dein Name dir ein. Wer bin ich? Und warum hier? Wie die Wandbehänge, Götter, Kerzenständer und Seidenkimonos leuchten. Du stehst, du suchst dich. Suchst in deinem Gedächtnis und dann kann dir geschehen, daß dir vorkommen will, daß dein Leben, dein eigenes unwiderrufliches Leben in vielen Bildern und Bilderfolgen hier auf den Wandbehängen und Kimonos dargestellt ist. Und auch in den Rätseln und Ornamenten auf den Teebüchsen, die dich blenden. Jetzt nicht, ein andermal wirst du dir das alles ansehen und jede Einzelheit wiedererkennen. Bild um Bild. Mit brennenden Augen. So stehst du und mußt auf dich einreden und horchst auf deine Gedanken. Wie mein Herz klopft! Und dann erst merkst du, wie müde du bist. Wie die Tage dröhnend vorbeigestürzt sind.«

*Aus Peter Kurzeck: “Oktober oder wer wir selbst sind”

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