Arbeitsjournal. Ostermontag, der 9. April 2007. Unter anderem zum Krieg gegen den Terror. Und Stromboli-Vorbereitung.

5.02Uhr:
[Berlin,Küchentisch.]
Ans Netz geradelt um 4.30 Uhr, nachdem ich gestern nur bei der Familie war und tatsächlich g a r nichts gearbeitet habe; nur mittags las ich ein wenig weiter in >>>> Bongartz‘ schönem, ruhig erzählten Roman „Der Tote von Passy“. Es ist in seiner schlicht formulierten Linearität für sie ein so ungewöhnliches Buch, wie es für m i c h ungewöhnlich wäre – aber kein Kniefall vor dem mainstream, sondern die Nacherzählung einer, spürt man, inneren Angelegenheit, die durchaus als die Grundlage – oder e i n e Grundlage – des virtuosen bongartzschen Manierismus verstanden werden kann und insofern für die Kunst-Haltung dieser Autorin eine ähnliche Rolle spielen mag wie MEERE für die meine. Das gibt dem Roman seine Wärme und den Verzicht auf Schärfe. Ich hab noch zwanzig Seiten zu lesen, dann werd ich durch sein und mich wieder an >>>> Helmut Kraussers „Eros“ machen.
Ich schlief um halb zehn abends neben meinem Jungen ein, nachdem ich ihm zur Nacht vorgelesen hatte („Reise zum Mittelpunkt der Erde“ – weil Vernes Roman ja auf Stromboli endet, wohin wir doch am Donnerstag reisen werden – ich läse den Schluß des Buches gern vor, wenn wir auf dem Vulkan s i n d), und wachte erst um elf wieder auf. Da schlief dann auch schon die Geliebte, so daß ich halt nur noch Zähne putzte und dann selbst richtig zu Bett ging. Deshalb bin ich heute früh wirklich mal frisch ausgeschlafen und will ein wenig an der Fünften Elegie weiterhexametrisieren, bevor ich mich wieder an den Niebelschütz für die ZVAB machen werde; das Textchen sollte vor meiner Abreise fertig sein. Doch ist einiges an Reisevorbereitung zu treffen; vor allem müssen die BAMBERGER ELEGIEN und der jetzige Arbeitsstand ARGO getrennt gesichert werden; meine portable Zusatzfestplatte wird von dem Laptop nicht mehr erkannt, was mich etwas nervös macht. Ich hinterlege die Dateien deshalb irgendwo im Netz und sichere zusätzlich auf DVD. Ebenso die Gedichte. Gegen acht Uhr radle ich dazu in die Arbeitswohnung, danach wieder mit Brötchen zur Familie zurück.
Ich hab gestern nicht mal was im Noitzbücherl skizziert, rein gar nichts; ein völliger Ruhetag. Wie ist das eigentlich mit Batterien? Darf ich die – für die Kamera – auf den Flug mitnehmen, oder muß ich die auf Sizilien kaufen? Man darf innereuropäisch nicht mehr als 100 ml. Flüssigkeit im Flugzeug mitführen – gilt das auch für die Sprudelflasche meines Jungen? Wir scherzten gestern, ob jetzt Mütter, die stillen, wegen der vielen Milch nicht mehr mitfliegen dürften… Dann sahen wir Iris Radisch in einer Diskussionsrunde zum „Krieg gegen den Terror“ im Fernsehen neben dem großen Scholl-Latour, neben Eppler und anderen sitzen, und ich fragte mich: was sucht die denn jetzt d a? Nicht mehr die Produzenten (Künstler) werden vorgeführt, sondern die Zwischenhändler (Kritiker), dachte ich; die Bewertung der Meinungsträger hat sich restlos auf die Wege zwischen den Synapsen verschoben. Als das Essen auf den Tisch kam, schalteten wir aus; Iris hat eh nur immer genickt, wenn jemand was sagte. Kurz vor Betätigung des Ausschalters dachte ich noch: Es wird nicht mehr lange dauern, und sie wird zur Mitherausgeberin der ZEIT aufsteigen. A u c h eine deutsche Karriere.
Seltsam an der Diskussion: Wie darauf beharrt wird, es handle sich bei den Gewaltaktionen der Terroristen um Verbrechen, die von regulären Kriegs-Aktionen zu unterscheiden seien. Bushs Fehler sei gewesen, von „Krieg“ zu sprechen, Eppler betonte das sehr, man hätte von „Verbrechensbekämpfung“ sprechen müssen – Scholl-Latour auf seine kluge, zurückhaltende Art modifizierte diese Haltung, diplomatisch abwägend, wie ihm eigen, indem er vom „weichen Krieg“ sprach, was nicht Weichheit der Aktionen, sondern der als Krieg definierten Konturen meint; daß Clausewitz verabschiedet ist, und zwar als Ergebnis der Globalisierung – ebenso wie de facto längst die Nation verabschiedet ist -, schien außer ihm niemandem recht klar zu sein; hier kämpfen nicht Staaten um ihre Positionierung, sondern Kulturräume, die, wie jeder Kultur eigen, niemals f e s t zugeordnet werden können, sondern ineinander verschwimmen. Einmal davon ganz abgesehen, daß ein David, der die Normen Goliaths als seine eigenen akzeptiert, verlieren muß; daher die Durchschlagskraft der Guerilla: sie attackiert die Normen Goliaths in ihren Aktionen gleich m i t. Verhielte sich der ungefähre Gegner anders, würde er „gefähr“, sowohl das Problem Iran als auch das Problem Afghanistan wäre längst vom Westen „gelöst“. Interessant hier wiederum Scholl-Latour: da die Staaten, auch der Iran, immer das Interesse haben, sich a l s definierter Staat zu erhalten, müßten „wir“ (was den Westen meint), mit Iran und Afghanistan zusammenarbeiten: denn die haben genau so ein Interesse an ihrer Staatendefinition wie wir. Er hat den Kern völlig erfaßt: Hier kämpfen Systeme mit Matrices. Staaten sind Systeme, ein Kulturraum aber – ob religiös, ob anders fundiert – ist eine Matrix. Ich fragte mich momentlang noch, was denn – auf das menschliche Unglück, das davon ausgeht, fokussiert – ein größeres Verbrechen sei: der Anschlag auf das World Trade Center oder die verhungernden 500.000 Kinder, die „wir“, so Frau Albright, infolgs des Golfkriegs „inkauf (sic!!!) nehmen“ müßten. Dann setzen wir uns zu Tisch und aßen. Aber nein, das war nicht gestern, sondern vorgestern abend. Aber wie gestern ist es mir im Kopf und im Herzen.

7.43 Uhr:
D o c h nichts gearbeitet, sondern im Netz nach neuen Bildern der gegenwärtigen Aktivität Strombolis gesucht – und s e h r fündig geworden. Wer von Ihnen sich ein Bild machen möchte: >>>> d a s hier ist toll! Sie können, liebe Leser, sogar >>>> drei virtuelle Aufstiege zu den Kratern von dort aus starten und sich erwandern. (Wegen des Copyrights stelle ich nichts direkt ein, hoffe aber, nächste Woche selber ein paar Bilder machen zu können, die Der Dschungel dann auch noch das Feuer geben. Hab aber >>>> an Marco Fulle wegen der Erlaubnis geschrieben, etwas von seinen Aufnahmen einstellen zu dürfen.) Alles steht jetzt auf die Reise. Auch an meine geliebte Pension Sudland in Catania sowie an Frau H. L. geschrieben, die die Unterkunft auf Stromboli bereitstellt, aber die email-Adresse scheint falsch zu sein. Schade. Ich hätte mich gerne höflich vorgestellt und mich und den Jungen persönlich avisiert.

NACHTRAG.

Dem Jungen zur Nacht vorlesen.Verne, Reise zum Mittelpunkt der Erde.
>>>> Stromboli.

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