5.31 Uhr:
Das nennt man einen Morgenschreck: Ich komme um zwanzig Minuten verspätet in die Arbeitswohnung, bereite den latte maachiato, fahr den Laptop hoch – und komm nicht an meine Programme; Fehlermeldung: keine bootbare CD… wieso „bootbar“, denk ich, „wieso CD?“ – und ahne schon Schlimmstes. Vierfünf Versuche, vergebens. Die Zähne seelisch stark aufeinander, leg ich die Installations-CD von windows ein. Die nimmt das Gerät zwar an, aber teilt mit, es werde keine Harddisk gefunden. War nun also auch meine alte Festplatte hinüber, von gestern nacht auf heute früh kollabiert, obwohl der Computer doch gar nicht an war? – Immerhin, don’t panic, kam mir der richtige Gedanke: Zieh mal die Festplatte und steck sie wieder ein, vielleicht wackelt ja was. Und wirklich, es wackelte was. Vom vielen Herumschleppen, vielleicht ist der Computer das nicht gewöhnt, Sensibelchen, das. Aber der Hintergrund dürfte ein banaler sein: Nach dem Computercrash neulich hatte M. nicht sämtliche Schräubchen wieder verschraubt; es waren so viele gewesen, daß es Ewigkeiten gedauert hatte, die HP herauszubekommen, was bei einem Laptop nicht grad das ist, was man erwarten sollte; vielmehr sollte man sie, wie den Akku, ruckzuck ziehen können. So verzichteten wir denn aufs Andrehen, bzw. neu-Eindrehen sämtlicher Schrauben – und das Ergebnis ist nun offenbar eine gewisse Wackligkeit. Fortan bin ich vorbereitet (werde aber doch schnell mal eine Gesamtsicherung auf die portable HP laufen lassen). Guten Morgen.
Da ich erst um Viertel vor Eins im Bett lag, gilt meine kleine Arbeitsverspätung meinem ÜberIch als entschuldigt. Ich fand gestern noch eine Redundanz in der >>>> Siebten Elegie; sie hatte sich durch einen copy&paste-Fehler ergeben; das werd ich heute früh als erstes ändern; es ist nicht mehr als diese zwei Takte, einer ganz, einer verkürzt: – v v – v. Danach geht es gleich an die Achte, und nachmittags werd ich für die Literaturzeitschrift des >>>> Hessischen Literaturforums im Mousonturm zwei oder drei Elegien „aufbereiten“ und dann Oberländer, dem Redakteur, zusammen mit der kleinen Erzählung >>>> „Clara Grosz“ schicken, die bis heute nicht veröffentlich wurde. Möge er sich aussuchen, was er davon publizieren will.
Mit Jesses, endlich, telefoniert, wegen AEOLIA. Große Begeisterung war nicht, „ich hatte eigentlich gedacht, du schriebest etwas wie die Catania-Beschreibungen in deinem >>>> Sizilienbuch; das hatte solche Magie, das habe ich nie aus dem Ohr verloren. Das heißt jetzt aber nicht, daß wir die AEOLIA n i c h t drucken werden.“ Ganz leicht verschnupft bin ich jetzt s c h o n; denk mir: Begreift er nicht, was er da bekommen hat? Immerhin, am 11. August wird er, zusammen mit der Ausstellungeröfnung Kratz‘, der die Bilder für das Stromboli-Buch beiträgt, in Bielefeld eine Lesung aus AEOLIA machen. Außerdem kam beruhigende Post von >>>> Dielmann, auch zur AEOLIA; er hätte sich, weil ihm vierzehn Stellen aufgefallen waren, an denen man die strenge Form recht gut brechen könne, und die habe er mir mitteilen wollen, fast seine sizilianische Freundin zur Feindin gemacht… offenbar ist sie afficionasiert von AEOLIA und scheint heftig Partei ergriffen zu haben, eben n i c h t s mehr an dem Epos’chen zu ändern. Ich selbst meine, doch, schon., hier und da werd ich lockern, bewußt lockern, wie man Webfehler in Teppiche einknüpft; vor allem bei den strengen Silbenmaßen der Sonette, nicht bei allen, aber bei dreivieren… schon weil das Deutsche, anders als das Italienische, über gleiche Silbenanzahl im Ton nicht gewinnt. Mir ist dabei aufgefallen, daß es im Deutschen nicht nur Betonungen und Nicht-Betonungen (Hebungen und Senkungen gibt), sondern ganz besondere Hebungen, die sich vom Maß her auf den ersten Blick nicht unterscheiden, wohl aber im Klang. Ich bin versucht, von „doppelten“ Betonungen zu sprechen, bzw. „anderthalbfachen“ Betonungen usw., und zwar, logisch, auf einer Silbe. Solche stärkeren oder schwächeren Akzentuierungen entsprechen vielleicht ein wenig den Tonhöhendifferenzen asiatischer Sprachen, die freilich jeweils andere Bedeutungen tragen. Im Deutschen ist es nicht eine andere Bedeutung, sondern andere Emphase. Wenn das stimmt, liegt es auf der Hand, bzw. ist es eine Folge, daß man Takte ganz anders zählen muß als nach den objektiven Characteren von Hebungen und Senkungen als solchen – ungefähr zählen… und das bei einer Sprache, die für Ihre Präzision bekannt ist und deshalb für eine d e r Sprachen philosophischer Systeme gilt. Kann sein, daß sich darin ihre metaphysische Komponente versteckt.