Arbeitsjournal. Donnerstag, der 26. Juni 2008.

5.25 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Latte macchiato und Morgenzigarette. Der Schreibtisch ist noch immer verratzt, das muß ich nachher ändern, schon weil hier irgendwo das herausgebrochene Stückchen Brücke herumliegt, das der Zahnarzt braucht. „Das wär toll, wenn du’s fändest, es wär dann alles nur halb so kompliziert.“ Im übrigen soll es ein Lesetag sein; meine Rezension muß am Montag fortgeschickt werden, jedenfalls mittags beim Redakteur auf dem Tisch liegen. Und ich möchte wieder an >>>> das Buch von Yeşim gehen; so nach und nach sollten die Gedichte für DER ENGEL ORDNUNGEN komplettiert werden, mit >>>> der letzten Scelsi-Variation ist immerhin ein Anfang dieses Endes gemacht. Für einen so versessenen Netzbewohner wie mich ist es schon eigenartig, wie sehr er sich auf das Buch freut. Dabei ist das Netz wahrscheinlich d e r Ort für Gedichte, wahrscheinlich sind sie diejenige Literaturform, die bereits alles mitbringen, was es hier braucht. Wahrscheinlich haben sie es am leichtesten, den alten poetischen Zugriff in die neuen Welten weiterzutragen. >>>> parallalie und >>>> Schroeder sind da „nur“ sehr herausragende Beispiele unter vielen Tausenden. Dieses „viele Tausende“ ist freilich auch die Crux, sowohl für sie selbst wie für die Leser; „für sie selbst“, weil ein Gedichtband sie der Möglichkeit näherbringt, auch von ihrer Arbeit wenigstens ein Stückweit leben zu können, und „für die Leser“, weil man G l ü c k haben muß, wenn man unter der Hunderttausenden Gedichtseiten diejenigen finden möchte, die es über Eitelkeiten hinaus- und tatsächlich Kunst schaffen.
Eine Stille über den Straßen, wie wenn Sturm gewesen wäre. >>>> Das Gegröle hielt die halbe Nacht über an, permanent detonierten Feuerwerkskörper, aber es lagen weniger >>>> zerbrochene Flaschen auf den Bürgersteigen als bei den ersten „Siegen“. Ich genieße die Stille jetzt (die Arbeitswohnung geht auf einen Hinterhof hinaus; erst ab halb acht hört man Geräusche, von der Schule nebenan, Stimmschwirren, Lachen von Kindern; das ist aber schön), mag nicht mal Musik hören. Gedanken macht mir allerdings eine Email, die mir nachts um halb drei >>>> Malos geschickt hat:Seien Sie vorsichtiger. Nehmen Sie sich besonders vor den Frauen in acht. Denken Sie vor allem daran, dass ich, wenn ich etwas wissen will, es immer erfahre. Als ich vorschlug, dass ‘w i r’ mein Leben als einen Roman erfinden, meinte ich nicht Diotima oder sonstwen, sondern nur Sie und mich.Das immer ist tatsächlich unterstrichen in der Mail, ich habe das nicht nachträglich formatiert. Es klingt da eine Art Warnung heraus, undeutlich, aber spürbar. Wobei er recht hat damit, daß ich Diotima vertraue. Ich vertraue Frauen fast immer, jedenfalls mehr als Männern. Auch wenn ich sie gar nicht kenne.

17.36 Uhr:
Allen Ernstes, der Profi rief an, ob ich mit ihm >>>> Fußball schauen wolle. Ich konnte nicht mal sauer sein, sondern da war nix mehr in mir drin als ein lautes Lachen. „Nee, wirklich nicht.“ „Sind auch keine deutschen Fahnen da.“ „Egal, deutsche, russische, meinetwegen ghanaische, allet eens.“ Und lachend legte ich auf. Das Cellospiel hat gutgetan; außerdem hab ich mich nun endlich getraut, beim Celloverleiher anzurufen, daß mir der Bogen gebrochen sei. „Nun machen Sie sich doch keine Sorgen! Der ist versichert, wir schicken Ihnen sofort einen neuen.“ „Dann geb ich den alten gleich mit?“ „Wie gebrochen ist er denn?“ „Na ja, ich bin gestolpert und… hm…“ „Ganz gebrochen?“ „Es ist mir wirklich peinlich.“ „Na, dann lassen Sie ihn mal gleich da. Sowas läßt sich nicht reparieren.“ „Sie wollen ihn nicht zurück?“ „Nein, wozu?“ „Dann hänge ich ihn mir an die Wand. Mein erster Cellobogen“, lachte ich. Und ein Lachen kam auch von der anderen Seite der Leitung.
Mit der Lektüre angefangen. Eine hübsche Grundidee. Mal sehn, wie sich das entwickelt.

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