Arbeitsjournale. Sonntag, der 3. August 2008. Montag, der 4. August 2008.

3.8.2008 5.41 Uhr:
[Arbeitswohnung. Stockhausen, Mittwoch aus Licht.]
Ich komme derzeit nicht in Die Dschungel hinein; twoday scheint down zu sein. Nachts, als Am Terrarium die Familie schlief, >>>> „Lions for Lambs“ angesehen, der als Antikriegsfilm des 21. Jahrhunderts beworben wurde/wird. Das ist er nicht. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob es „nur“ ein ausgesprochen US-patriotischer oder sogar ein Prokriegsfilm ist; in jedem Fall idealisiert er das Oper für das Vaterland. Werde gleich mal ein wenig im Netz herumschauen, wie die Stimmen sonst aussahen; es interessiert mich nicht wegen Tom Cruise, sondern weil Robert Redford die Regie hatte und auch mitspielt, zusammen mit Mery Streep. – … (In dieser Klammer vergeht ZEIT). Ah ja, >>>> hier. So kann man das interpretieren. Muß man aber nicht. Für jede Seite gibt es Argumente.

>>>> Etta Scollos neue CD ist angekommen, die erst am 28. August erscheinen, also ausgeliefert werden wird und die ich für die Frankfurter Sonntagszeitung rezensieren soll: Il fliore splendente:: nach arabisch-sizilischen Dichtungen des 9. bis 12. Jahrhunderts. Das CD-Album ist ausgesprochen geschmack- und siebevoll aufgemacht; das Sujet selbst dürfte Scollos Eintrittskarte auf das Podium des >>>> Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie gewesen sein.4. 8. 2008. 5.22 Uhr:
[Arbeitswohnung. Sofia Gubaidulina, Erstes Streichquartett.]
Seit wenigstens vierundzwanzig Stunden ist >>>> Knallgraus http://twoday.net und ist also auch Die Dschungel nicht mehr erreichbar; allmählich macht mich das nervös, gestern war ich noch ziemlich gelassen, obwohl sehr fragende Emails eingingen, aber selbst der sonst immer sehr informierte >>>> Oliver Gassner wußte nichts, den ich über Skype fragte. Das Geschehen wirkt nach einem s e h r großen Problem bei den Wienern; ich schreibe aber keine Mail dahin, rufe auch nicht an, weil ich annehme, daß man momentan von Hunderten, wenn nicht Tausenden Mails bestürmt wird und die Situation für Knallgrau katastrophal genug, jedenfalls extrem stressig ist. Geht man auf Knallgraus Homepage http://www.knallgrau.at/willkommen und surft etwas herum, ist zu merken, daß einiges mehr ausgefallen ist.
Selbstverständlich hab ich Katastrophen-Fantasien; was, wenn die Texte verlorengingen, der gesamte Aufbau Der Dschungel etwa, die Struktur, dieses Gewebe aus Fiktionen, Theoremen, Tagebüchern, Gedichten usw.? Aber einerseits habe ich die Beiträge selbst (nicht aber die Kommentare) als >>>> odt’s gespeichert; auch die Bilder sind alle gesichert; zum anderen ist Die Dschungel aber nun mindestens zweifach als Weblog archiviert, sowohl in Innsbruck als auch in Marbach. Deshalb halte ich wenigstens den Hauptbestand der Kommentare nicht für gefährdet, die ja teils Fortsetzungen von Erzählungen und insgesamt nicht selten Kapitel diverser ineinander verschränkter Romane sind.
Aber auch, dachte ich eben auf dem Radweg hierher, f a l l s alles verloren sein sollte, selbst dann gälte Thomas Manns „Ein Eisenbahnunglück“: der Dichter verliert während solch eines Unglücks den Koffer mit allen Manuskript- und Rechercheteilen eines Romanes, an dem er seit längerem sitzt; die Papiere scheinen ein- für allemal verloren zu sein. Nach einem Anflug von Niedergeschlagenheit, erinner ich mich, sagt er sich dann, ergeben, aber gar nicht mutlos schließlich, gut, noch einmal von vorne… (daß sich der Koffer später dann doch wiederfindet, ist eine eher schwache Pointe dieser kleinen Erzählung Th. Manns).

Zwei Gedichte hab ich im Kopf, deren eines bereits skizziert ist, deren anderes mir immer nur im Kopf herumgeht. Dann ist der zweite Eignertext, nunmehr für den WDR, zu schreiben, dialogisch, für die Funkform. Mir kam gerade der Einfall, denjenigen sprechen zu lassen, der auch im Roman spricht und ihn erzählt, also die Figurenperspektive aufnehmen. Außerdem, wie seit zwei Jahren, BAMBERGER ELEGIEN ff. Zu tun ist genug. Und zu lesen. Ich möchte auch der „Normal“-FAZ noch den Vorschlag für eine Literaturrezension unterbreiten.

>>>> Hier übrigens, können Sie sich ein Mini-Portrait in der Grundgestalt eines Interviews anhören, das Ralph Gerstenberg zusammengeschnitten hat (treffend doppelsinniges Wort in diesem Zusammenhang). Ich fand das gestern im Netz, als ich wegen des twoday-Ausfalls herumsuchte, ob man irgendwo eine Information bekomme.

10.43 Uhr:
Es läuft wieder. Und Die Dschungel sind zurück.

16.04 Uhr:
Bis eben, unterbrochen von Celloüben und Mittagsschlaf >>>> Markus R. Hedigers „Krötenkarneval“ gelesen und so davon angerührt, daß ich der FAZ vorgeschlagen habe, darüber für sie eine Kleinigkeit zu schreiben. Falls man dort will, wär das fein. Weil ich die dortige Entscheidung abwarten will, erzähle ich Ihnen hier noch nichts von dem Buch, aber dieses will ich doch zitieren; es hat mich beeindruckt:
>>>> Engel sind keine sprachlichen Wesen. Sie reden, aber sie verstehen nicht. Sie überbringen den Befehl, warten aber nicht seine Ausführung ab, denn sie sind nicht in der Lage, ihn zu beurteilen.

19 thoughts on “Arbeitsjournale. Sonntag, der 3. August 2008. Montag, der 4. August 2008.

  1. … Sie sollten dringend wöchentlich, wenn nicht täglich, ein backup Ihrer Datenbank unternehmen. Die Wiener Leute werden Ihnen sicher sagen können, wie das möglich ist. Mit mysql-Dumper beispielsweise ist das eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Sie bekommen dann eine Kopie Ihres Werkes, mit allen Links und Kommentaren per e-mail zugestellt, so dass Sie weitere Kopien auf Computer Ihrer Freunde verschicken könnten. Man kann das alles automatisieren. Beste Grüße nach Berlin. a.l.s

    1. wobei… … es nicht einer gewissen ironie von seiten krausens entbehrt, wenn er ausgerechnet gott gegen die engel anruft!
      übrigens schön, wieder durch die dschungel ziehen zu können. ich dachte gestern schon, sie wäre zu ‘die atlantis’ geworden…

    2. @Aikmaier. Jedoch besteht das Problem dieser Ironie darin, daß nicht “von seiten kraussens” geschrieben werden kann. Darüber stolpert sie.

      [Atlantis wäre ein anderes, gutes Weblog-Projekt – und hiermindestens eine gute weitere Rubrik.]

    1. @Pynchon. Engel bei Pynchon. Sie hießen Heartsease und Primula, Glee, Blaze und Viridian, und jede hatte dank der Rätselhaftigkeiten der Inkonvenienz (…) in diese Ätheristinnen-Sororität gefunden. Und trafen nun auf diese fünf jungen Ballonfahrer, die zunächst einmal fasziniert davon waren, auf welche Weise die jungen Frauen flogen. Den Äther durchliefen große Wellen, erklärte Viridian., von denen man sich erfassen und tragen lassen könne, so wie der Meereswind den Seeadler trage oder Pazifikwellen angeblich die Wellenreiter von Hawaii trügen. Die Flügel der jungen Frauen seien Äther-Antennen, die im Medium mit geradezu mikroskopischer Genauigkeit eine ganze Reihe von Variablen registrierten, darunter den gewichteten Lichtsättigungsindex!!!, den Spektralwiderstand und die äthernormalisierte Reynolds’sche Zahl. (…) So flogen sie denn in nordwestlicher Richtung und erblickten, als sie eines Nachts nach unten schauten, eine unermeßliche Fläche von Lichtern, die ihren Karten zufolge als die Stadt Unserer Lieben Frau, Königin der Engel, bekannt war.Pynchen, Gegen den Tag, S. 1519/1520.

    2. Das kann er eben auch, aber dass das ein Buch gegen den Kapitalismus ist, das wollen Sie natürlich nicht wahrhaben, gell.
      Solche wunderbaren Stellen finden Sie bei allen großen Literaten, aber sie bleiben eben nicht dort, sie beschreiben das ganze Leben und das besteht nicht nur aus Engeln,
      sondern auch aus Anarchistem, Streiks, Anschlägen, Liebe, Mord, Rache, Kapitalisten die alle bis aufs Blut aufsaugen..
      Das alles steht in Gegen den Tag….ich werde mir auch mal etwas raussuchen, wenn
      ich Lust drauf habe und darf..
      ein sensationelles Buch Herr Berbst, wenigstens da sind wir uns einig

    3. “Wir sind hier unter Ihnen, weil wir Zuflucht vor unserer Gegenwart- Ihrer Zukunft- suchen- einerZeit weltweiten Hungers, erschöpfter Brennstoffevorräte, hoffnungsloserArmut – dem Ende des kapitalistischen Experiments. Sobald wir die schlichte thermodynamische Waheit begriffen hatten, dassdie Ressourchen der Erde begrenzt waren, jasogar bald zur Neige gehen würden, fiel die ganze kapitaistische Illusion in sich zusammen. Diejenigen von uns, die diese Wahrheit laut aussprachen, wurden als Ketzer geschmäht, als Feinde des vorherrschenden wirtschaftlichen Glaubens. Wie religiöse Dissidenten einer früheren Zeit wurden wir zur Auswanderung gezwungen, und uns blieb kaum eine andere Wahl, als in jene dunkle, vierdimensionale See mit Namen Zeit zu stechen.”

      Gegen den Tag , Thomas Pynchon..Seite 621

    4. @Pynchon. “aber dass das ein Buch gegen den Kapitalismus ist, das wollen Sie natürlich nicht wahrhaben, gell.” Wieso sollte ich das nicht wahrhaben wollen? Ich habe es >>> in meiner Rezension des Romanes sogar geschrieben; darüber hinaus unterscheidet mich diese Position von Pynchon politisch wohl kaum. Bevor Sie kritisieren, ist es nie falsch, sich etwas Kenntnisse über Gegenstand und Person der Kritik zu verschaffen. Auch, daß Sie zu meinen scheinen, mein ganzes Werk bestünde aus Engeln, legt bis fast zur Lächerlichkeit Zeugnis von großer Unkenntnis ab. Es soll sogar Bücher von mir geben, in denen Engel überhaupt nicht vorkommen. Aber es kann natürlich sein, daß mich meine Erinnerung sehr trügt und in Thetis, Meere, im Dolfinger, im New-York-Buch usw. usw. etwas anderes steht als drinsteht. (Ich verlinke jetzt nicht eigens auf die Bücher, Sie finden Sie oben in der Titelleiste.)

    5. Nun müssen Sie aber doch auch genau lesen, ich sprach nicht von Ihrem Werk, sondern von jemem Zitat aus diesem magischen Buch und ich mag Bücher nicht, die so gewollt “magisch” sind, das sind sie nämlich nicht, das können sie gar nicht sein, nun werden Sie sagen, aber ich kenne das Buch doch gar nicht und ich sage, natürlich kenne ich es nicht, ich kann mit meinem Geld weiß Gott besseres anfangen, aber ich kenne diese Texte und dieses schreckliche Selbstlob dazu und Sie werden sagen, ach nun weiß ich nicht mehr was sie sagen werden.

    6. @Pynchon ff. Interessant, daß Sie nun schon zum zweiten Mal zu wissen glauben, was ich erwidern oder nicht erwidern werde. Von welchem “magischen Buch” sprechen Sie denn eigentlich? Von >>>> Hedigers? Das Attribut magisch habe ich gar nicht verwendet, und er selber, jedenfalls in seinem Buch, verwendet es ebenfalls nicht. Schon gar nicht scheint er mir vorgehabt zu haben, ein “magisches” Buch zu schreiben. Sie scheinen, Pynchon, ganz un-pynschon’sch ausgesprochen projezierend zu lesen. Erklären Sie mir den Hintergrund?

    7. Ja ich bin ein schlimmer Bursche und schlechter Leser und immer weiß ich alles im voraus und dann kommt es sehr anders.
      Ich glaube ich bin ein Pynchonleser wie er im Buch steht, ich bin so einer, der wie seineHelden im Untergrund herumläuft und auf Alligatoren schiessen muss weil es sein Job ist und derzusieht, wie einer in eine Glastüre springt, weil es seine Existenz sichert, oder ich lerne Frauen in Hotels kennen, die mir einen Striptease versprechen und dann ramponieren sie das ganze Bad, weil sie tausend Sache übereinander angezogen haben.
      Nein, ich bin ein typischer Pynchonleser, einer das Sprachspiel mag und dieses Hinsehen, Pynchon ist ein wunderbarer Hinseher

    8. Soso, “ein Leser wie er im Buche steht”. In Pynchon’s Romanen womöglich. Also schon wieder eine entsprungene Figur; das scheint ja geradezu epidemisch zu sein.

      Und dann das: “Pynchon ist ein wunderbarer Hinseher”. Achtung! Plattitüden-Alarm! Sowas könne wohl Marks & Sparks aber nicht Mason & Dixon verzapfen.

    9. na ja, pynchon es ist auch nicht so knisternd, wenn du dauernd in badewannen springst, die nicht mal wasser drin haben.

  2. Engelssicht Angels on the sideline,
    Puzzled and amused.
    Why did Father give these humans free will?
    Now they’re all confused.

    Don’t these talking monkeys know that
    Eden has enough to go around?
    Plenty in this holy garden, silly monkeys,
    Where there’s one you’re bound to divide it.

    Right in two.

    Und es ward: Die große Spaltung. In Außen und Innen, Gut und Böse, Wahr und Falsch, Männlich und Weiblich, Lebendig und Tot. silly monkeys.

    Stimmt der Nachsatz hier denn wirklich?

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