Arbeitsjournal. Dienstag, der 29. Juli 2008.

8.04 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Soeben mit der Lektüre des >>>> neuen Eigner-Romanes fertiggeworden; 412 Seiten in etwas mehr als einem Tag gelesen. Jetzt werd ich zu den Vietnamesen-Schmugglern um Zigaretten fahren, dann, wieder zurück, die Wohnung in Schuß bringen, vor allem den wieder mal ascheverratzten Schreibtisch säubern und Übersicht darauf herstellen, dann oder dazwischen Cello üben, dabei nachdenken und schließlich, vielleicht noch vor dem Mittag meine Rezension zu schreiben beginnen.
Guten Morgen.
Zu >>>> diesem Quatsch da will ich mich nicht äußern. Mein Leben hat eine so andere, neue Kehre genommen, daß manche Anwürfe einfach nur bedeutungslos sind. Ich spiele mit dem Gedanken, mein Tagebuch wieder aufzunehmen, was bei mir ja immer bedeutet hat: die Frauen wieder aufzunehmen. So etwas gehört, jedenfalls vorerst, nicht in ein Arbeitsjournal hinein.

10.53 Uhr:
[Ordnend. Schubert, a-moll, „Arpeggione“.]
>>>> Da kam gerade die Frage auf, welch Dialekt das sei: „werd ich zu den Vietnamesen um Zigaretten fahren“. Es ist meines Wissens k e i n Dialekt, sondern ein Umgangssprachen-Idiom aus meiner Kindheit: jemanden um etwas angehen; ich probiere solche Formulierungen gerne quasi-neologistisch aus. Dann war da noch eine Frage, woher >>>> „verratzt“ stamme. Die Grundform ist sicherlich „Ratz“ für „Ratte“. Gemeint ist Verdrecktes, in dem sich, dem Ur- oder Vorurteil nach, nur noch Ratten wohlfühlen.

Da jetzt aber derart viele möglicherweise Juristen in mein Arbeitsjournal hineinhüpfen, mach ich sie mal, nach der gehörigen freundlichen Begrüßung >>>> d arauf aufmerksam und also in eigener Poesiesache – Werbung. Und darauf, daß >>>> MEERE wieder da ist, sowieso.

15.22 Uhr:
[>>>> Pettersson, Sechste Sinfonie.]
Sitze an der Eigner-Rezension, über die ich >>>> des Disclaimers wegen keine Probe in Die Dschungel stellen darf; ärgerlich, aber vielleicht mißachte ich den Disclaimer auch. Mal sehen. Was mich aber momentan berührt, ist, diesen Pettersson wiederzuhören. Das geht dermaßen ans Herz, wenn man zugleich über tragische Verfallenheiten schreibt, über, kurz gesagt, Leben schreibt. >>>> Da scheint es auch nicht wirklich gut gelaufen zu sein. Ich hab gerade den Einfall, mich mit Diotima zu verabreden. Pourquois pas? (Vielleicht liest sie das ja. Dann muß ich ihr nicht mal eine Email schreiben. Lesen Sie hier mit, Diotima?)

17.44 Uhr:
Die Rezension ist im Entwurf fertig. Punkt. Jetzt wieder ans Cello. Dann den Text formatieren, ausdrucken und, wenn ich sowas gegen acht hinausgeh in Sommer und Welt, mitnehmen, um ihn irgendwo ein erstes Mal zu korrigieren.

34 thoughts on “Arbeitsjournal. Dienstag, der 29. Juli 2008.

  1. ich frage mich gerade, welches schlagwort es wohl war, das 1578 zugriffe auf das arbeitsjournal verursachte. ein bot wird es ja nicht gewesen sein, sonst würde man in den anderen beiträgen statt der üblichen 20, 30, 40 hits ebenfalls über tausend zugriffe bemerken. mal überlegen, hmm, “schmuggler”?

    1. @solitaire. Zu den Zugriffszahlen. Es ist der >>>> lawblog. Das hätten Sie aber leicht selber herausgekriegt, da ich ja drauf verlinkt habe.
      Im übrigen sind die “Hits” oft deutlich mehr als “20, 30, 40”, wie Sie unschwer bemerken können, wenn Sie sich durch die Rubriken klicken. Nicht wenige haben 500 und mehr, das Arbeitsjournal liegt um die 100, hat aber auch nicht selten höhere Zugriffe. Der “Hit” ist nach wie vor >>>> das mit soeben 27.183 Zugriffen. Das >>>> erste Segment der Theorie des Literarischen Bloggens liegt soeben bei 5488 Zugriffen, aber es gibt auch Gedichte, die sehr viel gelesen sind, etwa >>>> das mit derzeit 837 mal. Es ist eine Eigenart Der Dschungel, das nicht selten auch sehr alte Beiträge wieder revitalisiert werden.
      ANH

  2. @anh ja, ich lese mit. nicht immer, aber manchmal.

    wozu sollten wir uns verabreden? sie haben nicht das zeug, nicht den charakter, mir anzutun, was ich mir angetan haben will. sie müssten böse sein. das sind sie nicht. deshalb habe ich kein interesse.

    ich will eine grenze übertreten, von der sie vielleicht in ihren fantasien eine ahnung haben, mehr aber nicht.

  3. @ homme/automne; vom Aufnehmen “die Frauen wieder aufzunehmen”

    Ach so? Ich hätte vermutet, dass Sie gerade die Frauen als >>> die Aufnehmenden (oder Verschlingenden) ansähen.
    Oder denken Sie an Asylsuchende, Hiketiden oder >>> Reisebegleiterinnen auf der Hadesfahrt?
    “Aufnehmen” ist übrigens ein vielseitiges Wort. Ich kann Sie mir da sowohl mit dem DAT-Recorder, als auch mit dem Putzhader vorstellen…

    Achten Sie auf Ihre Sprache, h/a. It may very well give you away. ^^

    1. Liebe Hunderköpfige (o Hydra!), die Formulierung nimmt nur die Formulierung wieder auf “das Tagebuch wieder aufzunehmen”; das führt dann zu der spielerischen Ironie, die rein für sich, da haben Sie recht, keine Legitimität hätte; so aber schon.

      Was Vergil anbelangt: Es geht ja darum, so lese ich seinen Text, die fahrengelassene Hoffnung zurück in Nabokovs Netze zu holen – auch wenn die Gefahr groß ist, sich dann aufgespießt zu finden und also von der Hölle in die Hölle gekommen zu sein. Immerhin besteht die Chance auf einen Sternenhimmel.

    2. die frauen wieder aufzunehmen bedeutet wie man hier nachlesen kann das der herbst sein versprechen das er seiner geliebten einst gegeben hat wohl nicht mehr einhalten will. also schreibt er bald wieder sein tagebuch neben dem arbeitstagebuch und wird wohl dann wieder die frauen aufnehmen :-)))) was das wohl alles bedeutet muss wohl jeder selbst ausknobeln. wird auf jeden fall interessanter hier werden!!!

    3. Lieber homme/automne; bevor Sie vergiftete Pfeile schnitzen… … eines zur Klarstellung: Es geht mir nicht so sehr darum, was Ihre Formulierung “be-deutet”, also worauf in Ihrem Leben sie sich bezieht. Solche biographischen Dinge seien Ihre Sache oder von mir aus die der anonymen Lolita. Es ging und geht mir nur um das, was mich ohnehin am meisten fasziniert: die Sprache.
      Gerade daran, daß Ihr zweites “Aufnehmen” das erste “Aufnehmen”, eben, wieder aufnimmt, tritt die Verschiedenheit der Bedeutung in der Gleichheit der Sprache hervor. Was Sie als Ironie verstanden wisse wollten, störte mich beim Lesen, daher habe ich mich gemeldet. Es geht mir, wie sagten Sie >>> einmal, um “Bedeutungshöfe”. Und unter diesen gibt es wiederum Vorder- und Hinterhöfe, die ausgeleuchtet werden wollen, und so weiter…

      Was den “neuen” Vergil angeht, bin ich übrigens etwas skeptisch. Das bin ich immer, wenn sich jemand so frank und flüssig als Cicerone für Unterweltliches anbietet. Aber wer weiß: Vielleicht tritt einer als Vergil an und endet als Francesco da Rimini?

    4. bedeutungshinterhöflichkeiten :
      ” höflich kommt weiter ! “
      ” ja watt denn sonst ? “
      ” na vielleicht höflich ! “
      ” dett stimmt, wa – klopfn mer ma vorher an wa.”
      ” naja dett is dett was se uns abjewöhnen wolln wa ? “
      ” jeht ja eh keenn an, wa ? “
      ” nee, dett nich, so isset ”

    5. @ lolita. Ich halte sämtliche Versprechen ein. Meines lautete, die Geliebte sei in Der Dschungel kein Gegenstand der Erzählung. Daraus folgte für mich, daß das Tagebuch einzustellen sei; sie selber sah das anders. Ich stellte das Tagebuch dennoch ein. Nun ist die Tagebuch-Lage eine prinzipiell andere geworden, worüber zwischen uns auch Einverständnis herrscht, insofern, als die Lebens-Lage eine andere geworden ist. Wer Die Dschungel genau verfolgt hat, weiß, worum es geht. Und weiterhin wird die Geliebte nicht Gegenstand einer Dschungel-Erzählung sein.

    6. @femme100têtes. Es geht mir nicht so sehr darum, was Ihre Formulierung “be-deutet”, also worauf in Ihrem Leben sie sich bezieht. Worauf in meinem Leben sie sich bezog, habe ich auch gar nicht geschrieben, sondern worauf sie sich in der semantischen Konstruktion bezog.…tritt die Verschiedenheit der Bedeutung in der Gleichheit der Sprache hervor.Selbstverständlich. Wäre dem anders, handelte es sich um eine pure Redundanz, aus der keinerlei Funken schlagen könnten, auch keine einer leisen Verärgerung. Was ja doch schade wäre.…wenn sich jemand so frank und flüssig als Cicerone für Unterweltliches anbietet.Die franke Flüssigkeit galt, nehme ich an, nicht Ihnen, sondern dieser anderen. Sofern Sie diese nicht sind. Was ich nicht wissen kann, so nicht und so nicht.
      Im übrigen bitte ich doch zu beachten, daß in Der Dschungel Reales und Fiktives rein ungetrennt voneinander behandelt werden, eines geht in das andere über, entsteht daraus, wird dazu. Es scheint mir kein Akt der Klugheit zu sein, etwas hier Erzähltes immer auch gleich für wahr zu nehmen, wie umgekehrt, etwas hier Erzähltes immer gleich für unwahr zu nehmen. Die Dschungel betrachtet >>>> das Leben als einen Roman. Was das Leben nicht ist, darüber müssen wir nicht diskutieren, aber es wird ein Roman im Moment seiner Verschriftlichung. Und zwar selbst dann, wenn “Dokumentation” darunter stünde.

      Wie endete Francesco? Ich fand Bilder, aber kein Ende.

    7. mal was anderes

      Der ordinäre verstand, im kampf des lebens verstrickt, bedient sich der lüge, um sich zuweilen ein kleines überlegenheitsgefühl zu verschaffen, sich von dem meist von aussen an ihn herangetragenen leistungsanspruch, der ihn zu überfordern droht, zu entlasten.
      Hier beginnt die schlamperei der perzeption, wäre man in der lage, genauer hinzuschauen, so geriete man leicht in die krise eines sich entscheiden müssens, die man allerdings flott zu übergehen hat, um nicht desöfteren schlicht und ergreifend zu scheitern.

      ( beim lügen hat man das gefühl für den anderen verloren, man ist auf sich selbst gestellt ohne den fokus des miteinander, verbindlichkeit ist darin abgeschafft in einem wähnen des es sich leisten könnens, bei ausdauerndem gebrauch entfällt man der gesellschaft, es sei denn sie hat auf einer metaebene einen ähnlichen, meist neurotischen anteil )

    8. @ lolita so aus der bremer perspektive finde ich das echt spannend, was für dich “interessanter” ist. biografisches? schlüsselloch kucken oder was? die eigentlich sachen laufen doch woanders und dauernd, ob herbst nun tagebuch schreibt oder nicht. also er hat das versprechen gegeben, keine anderen frauen mehr zu vögeln. meinst du das? den link würde ich echt gern sehen. aber überhaupt. was geht uns das an?

    9. @ femme100 findst du das frauen aufnehmen gender-unkorrekt? was meinst du? er sagt eigentlich nur, dass er wieder kontakt mit anderen frauen als dieser einen aufnimmt. oder lese ich das jetzt falsch?

      aufnehmen, protokollieren, mitschneiden, ok, verstehe. willst du darauf hinaus, dass er sowas wie hm, feldforschung macht? ich komme mir grade wie knotscher vor mit den assoziationsketten: objekte. das mit dem vergil könnte aber auch ganz wer anders sein, oder?

    10. Sie sind eine gebildete Frau, Cellini. Peinlich nur, daß unser Dichter Francesca nicht bemerkt hat; er sollte seinen Dante schon kennen. (Der Dame mit den vielen Köpfen unterstelle ich bloß einen unregistrierten Tippfehler – dann wird ihre hübsche Drohung jetzt klar.)

      “Vom Froste gab der Mund, vom schweren Herzen
      Das Aug’ einander wechelweise Zeugnis.”

    11. @ homme/automne, Sabine, Vergil @ h/a: Ich bilde mir schon ein, verstanden zu haben,worum es Ihnen bei Ihrer Dschungel geht. Dass “Vergil” nun (schon namentlich) eher eine fiktionale Figur als eine reale Person sein könnte, gebe ich Ihnen auch zu. Nur: weder im Leben noch in der Literatur interessieren mich diese glatten Reiseleiter, welche eben mal kalt mir Nietzsche jonglieren. – Aber, wie gesagt: Das ist nur ein Geschmacksurteil. Daher auch meine kleine Spitze

      @ Vergilius: Ja, wenn schon “unser Dichter” seinen Dante nicht kennt, dann scheint es nicht weniger peinlich, dass Sie mein kleines Cross-Dressing nicht verstanden haben. Eine Gemeinheit zwar, aber die romanischen Sprachen haben die hübsche Eigenschaft, dass man mit minimalem Aufwand (ohne deutsch-schwere -in oder -innen) aus Männern Frauen und vice versa machen kann. So konnte ich schnell die hochberühmte Lese-Geliebte (denn Ihr ‘Tagebuch’ ist ja zum Lesen gedacht) vermännlicht (sozusagen wie die >>> Galli, nur umgekehrt). – Sollten Sie nun zum Francesco werden, würden Sie unter den Männerkleidern wiederum weiblicher werden. Vielleicht tut es Ihnen ja gut, dem “Aufnehmenden” innerlich etwas näher zu kommen. À propos:

      @ Sabine: Nein, gender-Unkorrektes wollte ich hier (ausnahmsweise, schon klar..) gar nicht bemängeln. Ich bin einfach über Herbsts Formulierung des “Frauen wieder aufnehmen” gestolpert, dachte: ‘Was denkt der sich? Stehen die Frauen denn Schlange vor dem ‘Wirtshaus zum herbstlichen Zecher’?!’ – Sehr unfair gedacht, darum gleich zensiert. Aber es hat mich dazu gebracht über das deutsche Verb “aufnehmen” nachzudenken, das recht vieldeutig ist. Insofern hast Du mit Deiner Assoziationskette schon recht: Darum geht es mir, dass ein Wort eben nicht ‘nackt und bloß’ dasteht, sondern eine Geschichte hat, etymologische Verwandtschaften, und dann noch kontextuelle Bedeutungsverschiebungen, die aber alle in dem einen Wort stecken und vielleicht die Auswahl des Formulierten stärker beeinflussen, als es dem Sprecher/Schreiber klar ist.

    12. Ah, mein Vergil! D e r Punkt geht an die Hundertköpfige, und ich sehe gerne, wie gelassen sie ihn auf dem Tisch liegenläßt. Vielleicht findet sich ein Hund, ihn aufzunehmen, zumal diese Kehre mich – ein wenig nur, das ist wahr – entlastet.

      Dennoch, femme: Schlange stehen sie nicht, also hier kommt keine, die ich noch nicht kenne, auf den Gedanken, bei mir zu klingeln. Hm, eigentlich schade. Oder auch wieder gut, ich hab ja meinen Ruf und will ihn nicht klischieren. Andererseits, wenn ich das Wirtshaus öffne, werd ich auch besucht, nur daß ich es eben hinaustragen muß. Was ich lange Zeit über nicht wollte. (Das freilich gehörte ins Tagebuch. Ich stelle den vorhin geschriebenen kleinen Text noch nicht ein, um nicht den Rhythmus der Kommentare zu stören. Das also später. Ich werd dann von hieraus verlinken.)

    13. @ femme so habe ich das dann auch ‘aufgenommen’. wenn anh so ein wortspiel treibt, das ja mehr ein idomatisches ist, sollte er die ‘bedeutungshöfe’ möglichst alle mitbedenken und dann so einsetzen. meinst du das? also das er nicht einfach auf nur zwei verkürzen kann, die imgrunde nur eine sind? ich finde das übrigens manchmal ganz lustvoll, nur objekt zu sein. aber das muss dann vereinbarung sein. eben ein spiel.

    14. dem hätte ich einen zeh abgebissen, femme auf offener strasse. was glaubt der, wer er ist? dann hätte man aber einen schreien gehört. ich mag das, wenn es blutet. unterwelt? nein. ahnungslosigkeit.

    15. Sehr geehrter Herr Herbst, ich lese seit zwei oder drei Jahren immer wieder in Ihren Dschungeln. Manchmal ärgert mich etwas sehr. Dann breche ich für eine Woche ab, komme aber immer wieder her, weil mir manches, das hier geschrieben wird, bedenkenswert und anregend ist. Über vieles davon würde ich gerne mit meinen Schülern (zur Zeit nur Oberstufe) sprechen, würde es gerne zur Diskussion stellen und dafür auch gerne auf die Dschungel verweisen. Ich kann das aber nicht verantworten, weil immer wieder solche Sachen wie jetzt dieser Fuß vorkommen, den ich, in diesem Zusammenhang, für einfach pornografisch halte. Dabei ist es egal, ob Sie selber dafür verantwortlich sind oder ein ungenannter und sowieso anonymer Kommentator. In jedem Fall sind Sie verantwortlich dafür, dass solche Art “Kommentare” stehenbleiben und öffentlich zu lesen und anzusehen sind. Ich verstehe nicht, wieso Sie sich aufgrund dessen eines größeren Einflusses entheben, zum Beispiel auf meine Schüler. Ich habe darüber auch mit Kollegen diskutiert. Es stellte sich die einhellige Meinung heraus, dass wir als Pädagogen unseren Schülern die Dschungel wirklich nicht guten Gewissens empfehlen können. Ich bedauere das, weil, wie gesagt, vieles andere für den Unterricht von großem Interesse wäre.
      Es liegt mir fern, Ihnen etwas vorschreiben zu wollen. Wir leben in einer liberalen Gesellschaft. Ich begrüße das. Aber ich möchte Ihnen zu bedenken geben, welche Konsequenzen Ihr moralisch ungeregeltes Veröffentlichungsgebaren hat. Wir Lehrkräfte stehen gegenüber unseren Schülern und den Eltern in der Verantwortung.

      Ich habe mit mir gerungen, ob ich mich darüber äußern soll. Als mir jetzt aber dieser Fuß absolut ins Gesicht getreten ist, fand ich das Maß voll. Es geht ja nicht um einen Fuß als solchen, sondern immer um die Zusammenhänge, in denen etwas geschrieben, dargestellt und abgebildet wird. Vielleicht bin ich auch nicht der einzige unter Ihren Lesern, der sich von so etwas gestört und irritiert fühlt. Es wäre mir und, wie ich weiß, einigen meiner Kollegen ein Anliegen, auch andere Stimmen hierzu zu hören.

      Vielleicht werden meine Zeilen für Sie und andere zum Anlass, einmal grundsätzlich über unsere menschlichen und moralischen Verantwortungen nachzudenken. Gerade ein Schriftsteller von Ihrem Rang hat, davon bin ich überzeugt, auch die Pflicht, die möglichen Wirkungen seiner Provokationen zu bedenken.

      Nehmen Sie mir meine Zeilen bitte nicht übel.

      Ihr immer wieder treuer Leser Karl Meier

    16. @ karl meier; nachfrage interessieren würde mich doch, was Sie und Ihre kollegen dazu bewogen hat, den obigen ausgeschnittenen fuß als pornographisch einzustufen. zumal vor dem hintergrund, daß Ihre schüler vermutlich (wenn ich nicht irgendeine oberstufen-reform verpaßt habe, die wieder alles anders regelt) mindestens 16 jahre zählen und vermutlich seit einiger zeit im web sites konsumieren, denen man mit größerem recht, weil DEFINITIONSGEMÄSS, jenes prädikat verleihen könnte.

      daneben führen Sie eine “moralische Verantwortung” ins feld (wessen? des autors vergil? des autors herbst? der figur vergil?). dazu erstens: in VERGIL’S MYSTERIEN-TAGEBUCH könnten Sie lesen (oder haben es bereits), wie ein, sagen wir: dominanzphänomen, mit kritischer reflexion über nietzsche gekoppelt wird. das ist aus moralischer perspektive nicht uninteressant. zweitens, die parenthese aufnehmend: an wessen verantwortung appellieren Sie hier? nehmen Sie einmal an, wie ich es tue, daß es sich bei der Dschungel nicht um ein simples blog sondern um literatur (im emphatischen sinn) handelt. wenn Sie dann weiterhin ernsthaft glauben, daß literatur Ihre zöglinge ‘verderben’ könnte, kommen Sie mindestens 50 jahre zu spät und könnten gar noch bei LAWRENCE nachschlagen, wohin der rabbit-run mittlerweile geht.

      außerdem: ja, offenbar hat sich auch femme100têtes irritiert gefühlt (s.o.), aber eben ästhetisch irritiert, nicht (innerfiktional, außerfiktional oder wie auch immer -nal) moralisch.

      völlig absurd erscheint mir diese schlußfolgerung:

      Gerade ein Schriftsteller von Ihrem Rang hat, davon bin ich überzeugt, auch die Pflicht, die möglichen Wirkungen seiner Provokationen zu bedenken.

      hätten alle schriftsteller von rang dies getan, gäbe es keine schriftsteller von rang, da selbige vor lauter imagination möglicher wirkungen potentieller provokationen unpublizierter bücher, eben: nichts publiziert hätten. stellen Sie sich vor, nabokov hätte den verriss in der Sunday Times , “sheer pornography”, vorausgeahnt, ernstgenommen und dehalb Lolita niemals veröffentlicht!!

      am rande: Sie schreiben ruhig, argumentierend, stilsicher, obwohl Sie nach eigenen angaben stark verärgert sind. vielleicht sollte sich der treue leser meier als treuer kommentator versuchen?

    17. auf Herrn Aikmaier für Herrn Meier: Bei den bei ANH immer wieder mitschwingenden Sadomaso-Themen hat Herr Meier schon recht. Das finde auch ich. Ich hätte auch ein heikles Gefühl, wenn ich Lehrer wäre und Schüler damit konfrontieren würde. Es geht dann ja nicht darum, daß sie von sich aus auf spezielle Websites stoßen, sondern darum, daß man sie ihnen bewußt empfiehlt. Das ist schon ein Unterschied. Auch wenn ich nicht alle Schlüsse von Herrn Meier teile, in diesem Punkt wäre auch ich zurückhaltend.
      Daß er den Fuß als pornographisches Element sieht, finde ich ebenfalls einleuchtend, nämlich, das schreibt es auch, wenn man ihn in seinem Zusammenhang begreift, der nicht nur mit einem demütigenden Akt einhergeht: HIER der Text, auf den sich das alles bezieht. Sondern abgesehen davon, daß jemand wie femme nicht zu Unrecht etwas Frauenfeindliches darin lesen könnte, mich hat beeindruckt, daß sie das da gerade nicht getan hat. Abgesehen davon hat diese Fußgeschichte ja auch noch etwas Unheimliches über Diotima bekommen. Es ist dabei völlig egal, ob es sich um nur Fantasien, erfundende Personen oder Reales handelt. In einem Weblog ist alles Fantasie, alles edin Roman, wie Herr Herbst wahrscheinlich sagen würde. Hier ist das dann deutlich ein erotischer Roman mit sadomaochistischer Note. Außerdem, Herr Aikmaier, ist ja nicht ein Fuß abgebildet worden, sondern die nackte Sohle eines Fußes. Das macht schon einen Unterschied.

    18. @ vergil wann und wo? aber ich warne dich, ich habe in mir eine ganz bittere wut. ich werde dir wehtun. wenn das bild aber nicht deinen, sondern einen anderen fuss zeigt, dann werde ich dir WIRKLICH schaden. überlege es dir gut. für mich ist das kein spiel.

    19. nicht Karl Meier Karl Meier ist ANH – oder etwa nicht? Ich erinnere ANHs Freude daran, daß einer seiner Texte in ein Schulbuch aufgenommen worden ist. Daher die kleine Spießer-Provokation aka Lehrer Karl Meier. Den Text glaubt Ihnen doch keiner! :-)))

    20. @Karl May. Sie irren sich. Aber imgrunde spielt das überhaupt keine Rolle. Was Herrn Meiers Bedenken anbelangt, hat das meiner Einschätzung nach allerdings nichts mit dem Schulbuchtext zu tun (der nicht einmal aus >>>> dem Sizilienroman stammt, sondern eine kleine Reportage ist). Doch will ich mich aus den oben im Arbeitsjournal genannten Gründen vorerst zu der Sache selbst noch nicht äußern.

    21. @ g.a. buerger; bedenken zunächst: ich weiß Ihre titulierung “auf…” sehr zu schätzen. “auf eine lampe” fällt mir ein oder “auf eine Tobackspfeife” (hui, beinahe in den FALSCHEN THREAD gerutscht…).

      Ihre und herrn meiers bedenken in allen ehren. an diesen nehme ich keinen anstoß, zwinge auch keine schulklassen in die dschungel, ja bezweifle sogar, daß anh dieses biotop flächendeckend als ‘kinderfreundlich’ intendiert hat.
      mir ging es nur darum, seine argumentation zu hinterfragen, vor allem die klassifizierung ‘pornographie’ sowie die basis, auf der er literatur moralisch beurteilt.
      für erstere haben Sie mir auch kein überzeugendes argument geliefert, letztere ignorieren Sie. denn bitte: ist es wirklich “völlig egal”, ob etwas phantasie oder realität sei? wenn ein mörder mit einem bolzenschußgerät den mittleren westen entvölkert, würden Sie vermutlich froh sein, dort nicht zu wohnen, vielleicht auch eine hohe gefängnisstrafe für diesen mann gutheißen. wenn sie von ihm aber in einem roman cormack mccarthys lesen, bewundern Sie vielleicht die abgebrühtheit, mit der ein autor hier eine vermeintliche bestie weise raisonnieren läßt.

      der kniff an vergil und dem fußphoto ist nun, daß weder Sie und ich zwischen realität und fiktion des zusammenhangs zwischen fuß, mensch und geschichte entscheiden können. eben nicht: “In einem Weblog ist alles Fantasie, alles edin Roman”, sondern: das weblog ist roman, mit Ihnen, frau buerger und mir, herrn aikmaier, und dem tagebuch-vergil als figuren! wie man diesen moralisch beurteilen soll…? erst recht aus der figurenperspektive…?!
      ich empfehle: wenn es Ihnen im roman als figur nicht mehr gefällt, hauen Sie ab wie BOB MCCORKLE, tun sich mit fünf anderen heimatlosen figuren zusammen und suchen sich einen neuen autor: ALLES SCHON DAGEWESEN!

      aber spaß beiseite: muß man denn die “fußgeschichte” tatsächlich so pornographisch und “unheimlich” auffassen? ich sehe diesen thread hier eher als angespitzten schlagabtausch: diotima provoziert, vergil kontert provozierend, indem er ja (worauf Sie zurecht hinweisen) keineswegs einen zeh darbietet, sondern die fußsohle aus einer perspektive, die z.b. ein getretener einnehmen würde; diotima kontert entsprechend (und: auf die fiktionalität des fußes anspielend). unheimlich? nein, als (fuß)pingpong eher reizvoll.

      tja, und die “samtene, barmherzige nacht”? femme findet die glätte dieses “reiseleiters” störend. ich hingegen lese den text (denn: es ist ja nun beileibe kein roman, sondern ein tagebucheintrag) als parodie. parodie eben auf die vielen bdsm-korrelierten texte, beiträge, kommentare in der Dschungel: da kommt so ein kecker, philosophisch gebildeter protagonist, nennt sich ganz bescheiden vergil und mysteriagos und schreibt die “Erotische Komödie”; beginnt mit einer einschlägigen szene samt den gemeinplätzen des genres und – schaut, was passiert.

      dann schauen wir doch auch einfach, oder, frau buerger? wenn schon die oberstufenschüler nicht dürfen…

    22. @karl meier
      … da muss ich jetzt aber mal grinsen. ich erinnere einen bukowski-text, den wir in der schule interpretieren mussten. hier ist ein auszug:

      “keine sorge, ich fick dich schon noch! ich will bloß noch ‘n bißchen was trinken. ich bin ein mensch, der gern was trinkt.” ich sah, wie sie aufstand, und da vergaß ich es und goß mir noch einen drink ein. als ich wieder hochsah, stand vera mit einer anderen frau da. die andere sah auch ganz gut aus. “sir”, sagte die andere, “ich bin eine freundin von vera. sie haben ihr angst gemacht, und sie muß morgen früh aufstehen. ich muß sie bitten, daß sie gehen!” “hört mal, ihr vergrätzten mösen, ich fick euch alle beide… ehrenwort! lasst mich bloß noch ein paar gläser trinken, oder ist das zuviel verlangt? auf euch warten solide 24 zentimeter!”

      charles bukowski (das leben und sterben im uncle sam hotel)

  4. Grundsätzlich muß der Mann mit der Frau den Kampf aufnehmen, wenn er denn ein Mann ist und die Frau tatsächlich eine Jägerin. Alle Brunhilden gehen mit einem Mann erst dann ins Bett, wenn er sie besiegt hat. Nur Halbgott Herkules konnte es mit Xena im Kampf und im Bett aufnehmen. Die Kontakt:aufnahme eines Mann zu einer Frau, bedeutet auch immer für ihn, es mit dem Mysterium Frau aufzunehmen. Will er den Kontakt zu ihr, nimmt er sie in sein Wertesystem auf, und unter Umständen auch selbst wieder seine Vergangenheit, und manchmal ist es die Suche nach vergangenem erlebten. Mann will e s wiederhaben, er wird suchen, so lange, bis es ihm wieder begegnet, und er e s in sich aufnehmen kann. Daoisten bezeichnen den Sexualakt übrigens als „einen Kampf, um Stärke zu stehlen.“ Die Frau ist dem Yin zugeordnet, dem Mann dem Yang. Während eines Sexualaktes gibt die Frau ihr Yin ab, der Mann kann es aufnehmen und sein Qi ergänzen. Abschließend noch: mit der Art und Weise, wie ein älterer, lebens- und liebeserfahrener Mann mit seinem Geist die Frauen aufzunehmen in der Lage ist, kann er es mit jedem jüngeren Konkurrenten aufnehmen. Und in Savignys Schrift vom Beruf unser Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft von 1814 steht geschrieben: „Der Mann muß die Frau aufnehmen und erhalten.“
    ANH hat mit „die Frauen aufnehmen“ sein „Tagebuch aufnehmen“ gemeint. Meine erste Assoziation war nicht die der vor dem Wirtshaus stehenden Schlangen von Frauen, meine ersten Gedanken gingen in obige Richtung, aber dann noch in eine Richtung, die auch mich betrifft. Die Dominanz nimmt d i e Schwäche in sich auf, die von d e r Stärke gezeigt wird, weil das zulassen eigener Schwäche eine besondere Qualität eigener Stärke ist. Hier ist es kein Kampf, weil die Positionen von Beginn an geklärt sind, sich beide vorher auch dazu bereit erklären. Die Dominanz nimmt die Schwäche sehr einfühlsam und subtil auf… weil sie von ihren Augen situationsbezogen das gewünschte ablesen muß… und erfüllt. Es ist immer ein Erkennen des anderen, auch das ist für mich ein „aufnehmen.“ Nirgends sind die Menschen ehrlicher als im Spiel.

    1. recht früh – ne ? ( 2.08 ) also ich würde gerne mal femme kennenlernen.
      sie scheint ja recht umgänglich zu sein auf ihre art, eine attraktive dame…
      ansonsten würde mich mal interessieren, WORAN mnn eine JÄGERIN erkennt ?

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