Arbeitsjournal. Donnerstag, der 18. September 2008.

5.24 Uhr:
[Arbeitswohnung. Berg, Violinkonzert (Cass.-„Projekt“, Nr. 52).]
Für mich eines der schönsten Violinkonzerte überhaupt, dessen Widmung „Dem Andenken eines Engels“, obwohl Berg es selbstverständlich ganz persönlich meinte (für Manon Gropius), etwas Überrzeitlich-Allgemeines angenommen hat, und zu recht. Meine Abende, wenn ich Zuhause bin, verplempere ich derzeit mit Fernsehgegucke, das ich kaum je zuende bekomme; immer wird’s mir irgendwann zu blöd, und ich schalte ab, anstelle g l e i c h zu lesen. Na egal. Bin gut und pünktlich auf; der Tag wird „durcheinandrig“. Gestern nachmittag rief das Konzerthaus Berlin an, um auf die >>>> Krenek-Premiere „Dunkle Wasser“ aufmerksam zu machen; ob ich schreiben werde, wollte man wissen; ich fragte bei der Sonntagszeitung an, hab aber noch keine Antwort. Doch man war seitens des Konzerthauses fast mehr daran interessiert, daß ich in Der Dschungel drüber schreibe; man hat die Idee eines „live“-Blogs: daß ich w ä h r e n d der Premiere meine Notizen mache und sie gleich immer ins Netz stelle.
Das ist charmant. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß so etwas ohne Störung des Publikums und sowieso der Künstler, also der gesamten Aufführung vonstatten gehen kann; von den Tippgeräuschen abgesehen, emfände ich allein die Lichtemission des Bildschirms als störend. Jedenfalls sei heute (Donnerstag) nachmittag die Generalprobe und ich sehr gerne eingeladen, ihr beizuwohnen. Das möchte ich gerne tun, auch wenn eben alles recht eng wird, weil ich um 18 Ubr bereits in der Schule meines Jungen zu einem Elternabend sein muß. Und da ich heute früh – ich weiß gar nicht, ob um 9.30 Uhr oder 10 Uhr – in Charlottenburg meinen Cello-Unterricht habe, wird für „normale“ Arbeit nicht viel Zeit sein.
Meinen latte macchiato trinken. Ich sah, daß ich mich jetzt durch mehrere Aufnahmen des bergschen Volinkonzertes direkt nacheinander durchhören darf: gestern waren es (grandios!) Issac Stern und Bernstein, jetzt gerade Khyn Wa Chun und Gary Bartiny (sehr entspeckt und kraftvoll), es folgt Perlman unter Ozawa; ich hab noch weitere Aufnahmen, aber auf Schallplatte und in ferneren Nummern meines Cassetten-„Projekts“. Ein letztes Mal die Kritik zur >>>> Villa Ginestra abschmecken, dann wegschicken. Ich hab auch >>>> VOLLTEXT angeboten, etwas drüber zu schreiben, aber dort schweigt man neuerdings, als hätte man mit >>>> Dielmann zu viel Suppe gegessen.
Ein erotisches Gedicht war mir gestern eingefallen, ich hatte die erste Zeile, nachts kam eine weitere Zeile hinzu; vielleicht beug ich mich heute früh darüber. Es sind aber auch noch >>>> Ah’raim und die hübsche Geschichte mit >>>> Ninaeva liegengeblieben. Und sehr dringend ist >>>> das Virtuelle Seminar wieder aufzunehmen, da das Semester bald beginnt. Es hat auch schon jemand der Studenten um eine Rubrik „Allgemeine Texte“ angefragt, weil er etwas auf der Hinterhand habe, daß er dringend gerne diskutiert wüßte. Gut, das mach ich jetzt als erstes. Zu den letzten Tönen dieser schönen Aufnahme (die Geige pfeift im Flageolett: – was bleibt, dachte ich heute morgen beim Herradeln durch die, muß man bereits wieder sagen, noch-Nacht:: was bleibt von all der herrlichen Kunst, wenn der Planet eines Tages verglüht… welch absurde Frage. Dennoch bewegt sie mich, und ich dachte weiter: Dann haben wir längst andere Planeten kolonisiert, und dort… dort hört man der Engel Andenken weiter. Punkt.)

7.44 Uhr:
[Schubert, Achte Sinfonie unter Carlos Kleiber.]}
>>>> Verwundung. Entwurf. (Ich denke, man kann gar nicht ästhetizistisch genug sein, wenn man versuchen will, Wollust anders als durch Ausschweigen zu fassen).

8.14 Uhr:
Googlemail glaubt, mich erkannt zu haben. Neuerdings erscheint auf meinem Account arabischsprachige Werbung:

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9.18 Uhr:
>>>> Erledigt. Und ich muß los. (Von EB/Sonntagszeitung kam die Mail,sie sei nicht im Haus, habe aber empfohlen, daß ich >>>> die Aufführung bespreche. Jetzt wart ich mal ab, was ich nach meiner Rückkehr vorfinde sowas um zwölf.

12.18 Uhr:
Zurück. Während der Radfahrt ein Portrait Alban Bergs gehört (Cass.-„Projekt“, Nr. 54), worin es die hübsche Fehlinformation gab, Alma Mahler – Manon Gropius’ Mutter – sei eine Schwester Franz Werfels gewesen. Da hab ich dann doch auflachen müssen. Spannend dafür die Analyse des lyrischen Streichquartetts mit F und H als Ausgangs- und Endpunkten der 12-Ton-Reihe, und daß diese Töne immer wieder angespielt würden: Hanna Fuchs. In großer Liebe. Er liebte aber auch seine Frau. Und groß.

14.15 Uhr:
[Berio, Sinfonia (Cass.-„Projekt“, Nr. 55).]
Gut, auch d a s wiederzuhören. Gerade beginnt die Collage aus Mahlers Antoniuspredigt und Musik-, Sprach- und Geräusch-O-Ton, die Berio, kann man sagen, ein- für allemal und zu recht berühmt gemacht hat. Derart tief über Mittag geschlafen, daß ich, als Do anrief, um sich für eine CD zu bedanken, weder wußte, wie spät es war, noch überhaupt, welchen Tag wir haben.
Hab ein paar organisatorische Dinge zu regeln und werde in etwas mehr als anderthalb Stunden aufbrechen; auch ans Cello möchte ich noch einmal.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 18. September 2008.

  1. kein Laptop während der Vorstellung! Lieber ANH, vielleicht besser nicht den Laptop während der Aufführung. Das stört die umsitzenden Zuschauer. Kürzlich saß schräg vor mir im Theater Schwerin (Premiere!) ein sehr leger gekleideter junger Mann, der dauernd seine Wasserflasche ansetzte. Das ist alles widerwärtig und eine besondere Form des Kulturverfalls.

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