Arbeitsjournal. Dienstag, der 7. April 2009.

10.58 Uhr:
[Arbeitswohnung. Wagner, Lohengrin (Kempe).]Belege, Steuer. Das Himmlische Vorspiel. Wund. >>>> Christian Filips hat sich gemeldet, ob wir heute abend für das Hörstück Gedichte einsprechen könnten, ich habe noch nicht geantwortet. Auch ist die Honorarvereinbarung vom WDR immer noch nicht da, ohne die ich ins Leere arbeiten würde; die Sache eilt aber, weil das einstündige Stück bereits am, ich glaube, 7. Mai ausgestrahlt werden soll. Ich habe noch nicht eine Zeile Typoskript. Pfefferminztee bereiten. Ich habe noch gar nichts gegessen. Möchte ans Cello, aber ich muß mit den Belegen durchkommen, auch bei der Steuerberaterin habe ich noch nicht angerufen, um zu klären. Der Profi, der wegen >>>> Antonello da Messina nachgeschaut hat, ruft besorgt an, skeptisch besorgt, wie er es i m m e r ist, wenn er eine Trauer schon lange vorausgespürt hat. Mein Junge wird wohl nachmittags fürs Cellospiel herkommen, er ist gestern bei seiner Freundin geblieben. Mir fehlt der Ansatz, der Impuls, mir fehlt auch die Möglichkeit, wieder „normal“ zu arbeiten. Gestern erschütterte mich, daß Ostern kommt, daß Du mit der Familie Eier färben möchtest, und ich steh draußen vor der Tür. Es erwischte mich völlig von hinten; ich hatte das Fest einfach verdrängt. Nun verfangen sich unlösbar die persönlichen mit den beruflichen Tücken. Sinnlos, zurückzuschauen; aber was sich gehalten hat, was immer wirkt und weiterwirkt, dem dann eben doch einen Ausdruck verschaffen. Antonello da Messina: daß auf >>> seine Annunziata angespielt wird, muß Bieito gar nicht wissen, gar nicht gewußt haben; in dem Moment, in dem er es bemerkt, wird es so sein. Wahrheit, die durch uns hindurchgeht, durch uns hindurch wird.

Weshalb den Lohengrin? Nein, nicht wegen der >>>> Premiere vom Sonnabend. Also weshalb? Ich weiß es nicht. Es ist aber richtig, vor allem mit Fischer-Dieskau, allein, wie er das Wort „Klage“ singt.
Belege.

12.56 Uhr:
[Lohengrin, ff.]
Eine Stunde lang am Cello gewesen. Was immer gut tut, Gutes tut. Man möchte nur schon mehr singen können, singen. Also überlaßt man’s dem Alten wieder, er habe, soll Herheim andeuten, etwas von dem Licht tatsächlich gesehen, das unsereins vielleicht hört und schon damit so viel weiter ist als mancher andere. Literatur, auch Dichtung, ist Sublimation von Blindheit; Musik dagegen, momenthaft, macht einen mit den Ohren sehen. Ich ginge gern am Ostersonntag hinein, in diesen neuen Lohengrin, obwohl ich ein bißchen Angst vor der Inszenierung habe. Lohengrin muß Märchen sein, Sagen-Magie, vollkommen, wie des Knaben Wunderhorn, sonst bekommt man politisch lange Fußnägel. Weil dieses Arschloch Hitler war.

Belege. Aber auch Mittagsschlaf. Ach Ortrud!

18.29 Uhr:
Der Lohengrin ist soeben zuende verklungen; das ist etwas sehr Schönes an diesen langen Dingern: sie begleiten einen durch den ganzen Tag. Die Belege sind nun alle grob geordnet, teils auch schon nach Datum; Kontoauszüge fehlen, die treibe ich auch nicht mehr auf. Mit der Steuerberaterin telefoniert: „Ich kann Sie einfach nicht bezahlen.“ Nun werde ich morgen früh noch beim Finanzamt anrufen, um wegen des Terminkuddelmuddels die Fristen zu klären und den Leuten auch klarzumachen, daß s i e meine Steuererklärung formal machen müssen; ich werde dann mit allen Belegen dort anrücken, auch mit meiner Rechnungerei, die ich ab morgen zu erstellen versuchen werde. Αναδυομένη war auf einen Kaffee hier und brachte etwas Kuchen mit. Ich spielte ihr das Lohengrin-Vorspiel vor. Sie ging. Ich wieder an die Belege. Eine schöne Nachricht kam herein: >>>> Lothar Zagrosek hat den Deutschen Kritikerpreis 2009 bekommen; ich werd mal versuchen, ihn anzurufen, um zu gratulieren. Mein Junge soll gleich kommen, er ist bei seiner Freundin, kann sein, daß er es wieder vergißt; auf jeden Fall möchte er noch einmal bei ihr übernachten. Alles löst sich auf. Wieder Gedualdo jetzt, >>>> tristis est anima mea. Abends >>>> zur Lesung.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .