Arbeitsjournal. Donnerstag, der 7. Mai 2009. Mit Sloterdijk und Keuschnig.

8.21 Uhr:
[Henze, novae de infinito laudes (Cass-„Projekt“ Nr. 140).]
Der Bub ist knapp-pünktlich zur Schule los, ich las mich bei >>>> Gregor Keuschnig in einem Begleitschreiben zu Sloterdijk fest, folgte dann auch dem von K. gelegten >>>> Link nach Glanz und Elend. Nun juckt es mich sehr, ebenfalls im Begleitschreiben zu kommentieren; das Problem ist nur: ich kommentierte Keuschnig, nicht Sloterdijk, den ich nicht gelesen habe und nach Lektüre der beiden, auf mich klug wirkenden Rezensionen auch gar nicht mehr lesen will. Goedart Palms Rezension ist spitzer und bisweilen sehr scharf formuliert, aber dadurch auch zur „Sache selbst“ distanzierter; sie hat etwas von genau dem schicken Hirn-Joggen, das sie Sloterdijk vorhält; Keuschnig ist zu vornehm, um sich auf solches Ironieparkett zu begeben, zu ernst, d.h. : zu – in gutem Sinn – moralisch; ich achte das. Aber ich habe gestern die mir zugesandte Wahlbenachrichtigung in den Papierkorb getan, wie ich das mit sämtlichen Wahlbenachrichtigungen seit fünf Jahren tat; in einer auf die Masse ausgerichteten, kapitalistisch fundamentierten Demokratie, die zudem der Raison von Parteien folgt, die einander immer ähnlicher werden, hat zu wählen keinen Sinn. Der Pop hat mich gelehrt: ich habe eh keine Stimme, die zählt; ich wäre bloß Stimmvieh, das noch schnell sein Kreuzchen machen soll, damit ihm der Schlachter guten Gewissens die Botschaft überbringen darf, es sei nun auch bald dran und möge sich seelisch schon mal vorbereiten, derweil er das Messer an der Wahlurne wetzt. Nö. Mein Glaube daran, es lasse sich an dieser Welt Grundlegendes gewaltfrei ändern, ist dahin. Sozusagen bin ich islamischer Fundamentalist, auch das eine Lehre aus dem Pop: ich kann auf ihn nur mit Terrorismus reagieren, weil er die Formen der Verständigung korrumpiert und, wenn man ihm die Tür öffnet, die ihm nicht-angepaßten Posten innerhalb von wenigen Tagen kulturimperial besetzt; das Militär heißt hier nur anders: „Umsatz“ nämlich; die einzelnen Heereszüge nennen sich „Quote“. Es kommt mir schon eigenartig vor, wenn Sloterdijk, wie es scheint, die Masse oder Menge nicht ablehnt, doch eine Elite zu exerzieren versucht, die sie vielleicht einmal lenken, aber sich von ihr nicht abheben soll: so sind nun sogar schon durch die „Askese“ die Hörner der Äqivalenzform zu sehen. Und nebenbei bemerkt: die Ohrfeigen, die die Rezensenten oder Sloterdijk selbst der „Postmoderne“ verpassen, sind von derselben Banalität, die sie ihr vorwerfen, derweil sie sie s o gar nicht hat. Da hab ich dann schon g a r keine Lust mehr auf das Buch. So wenig, eben, wie auf Wahlen.
Mich beschäftigt das Anderswelt-Problem: wie mache ich den Dritten Band des Romantriptychons öffentlich zugänglich? UF hat ja recht mit seinem Einwand. Also müssen auch THETIS und BUENOS AIRES ins Netz. Bevor ich d a s aber nun angehe, um nämlich wenigstens ein bißchen Aussicht auf Entlohnung zu haben, muß ich die VG-Wort-Meldungen auf die Reihe bekommen haben; ich habe die VG Wort gestern deshalb angeschrieben und warte auf Nachricht. Parallel ist mein Umsatzsteuerdingens zu lösen; ihretwegen hänge auch ich – bei Einkünften unterhalb des Sozialsatzes – in einer Besteuerung von nahezu 50 Prozent, jedenfalls wenn es um Einkünfte geht, die nicht aus Druckerzeugnissen stammen. Da muß ich jetzt durchrechnen, obwohl ich aufs Rechnen überhaupt keine Lust habe. Also: Entweder ich krieg es durch, gegen die Umsatzsteuer zu optieren, was nicht heraus ist, weil ich einmal f ü r sie optiert hatte; rein sachlich wäre es aber angemessen. Oder ich verrechne die erhaltene Umsatzsteuer gegen ausgegebene Mehrwertsteuer, was ich aber auch dann tun muß, wenn ich gar keine erhalten h a b e; das betrifft besonders die großen Posten, die von den Rundfunkanstalten kommen; da sei, heißt es nämlich, die Umsatzsteuer immer schon drin. Was de facto nicht stimmt, weil sie weder gesondert ausgewiesen wird, noch hat es seit den Achtzigern irgend eine Form der Angleichung gegeben; manche Honorare sind sogar niedriger geworden. Oder, das ist dann die für mich schlechteste Lösung, ich klopfe auf § 26 UStG und ziehe von der zu zahlenden, weil angeblich erhaltenen Umsatzsteuer pauschal 2,6 % ab. Was das Ganze so müßig macht, ist eh, daß ich gar kein Geld habe, um irgendeine Steuer zu bezahlen, sondern mich sowieso auf den nächsten Besuch des Eintreibers freue. Die Veranschlagung von Künstlern als Unternehmer ist von riesiger Absurdität; es hat aber Logik, um noch mal auf >>>> die Urheberrechtsdebatte zu kommen: auf diese Weise werden sie g e z w u n g e n, ihr Werk als Ware zu betrachten. Wenn sie denn Geld dafür kriegen. Das gilt sogar für mäzenatische Gaben, die sozusagen als Schenkung versteuert werden müssen. Der Künstler als Widerstands-Phänomen wird zum Kaufmann umgebogen, und er selber gibt seinen Künstler-Status schließlich als einen absurden auf: in Wahrheit hat er den ökonomischen Zwang internalisiert; den affirmierend, schafft er sich ab. Was ihn dann auch noch freut. Pervers.

Ich werde also mit THETIS beginnen. Es gibt eh nur noch rund 130 gedruckte Exemplare; wer sich festliest, wird sich ein Buch schon besorgen. Und wenn nicht, so ist der Roman doch wieder d a; das ist wichtiger als jede finanzielle Einnahme. Und wenn es zu einer gedruckten Neuauflage kommen sollte, wird die Netzpublikation ihren Verkauf eher befördern als behindern, dasselbe gilt dann für ARGO. Außerdem gibt mir das Netz die Möglichkeit permanenter Veränderung des Textes: er wird nie Ding, sondern bleibt flüssig. Ich würde die Texte auch dann noch verändern, wenn ein Ding-Buch davon existiert: das Leben ist im Netz, nicht im Gegenstand.

10.34 Uhr:
Als hätte er einen Kommentar diadorims, den ich jetzt leider nicht mehr finde (es ging um Verflachung durch Idealisierung der Körper), zwar nicht verstanden, doch fehlgelesen, hat jemand in Der Dschungel „weibliche geschlechtsorgane.bilder.fotos“ gesucht, bzw. ist von Google dahingehend betrogen worden, er finde sie hier. Dabei hat Googles erster Link doch d a h i n geführt:

Ich frag mich, was der Mann dann h i e r noch wollte… Oder war’s eine Frau, die nach >>> Vergil gesucht hat?

9 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 7. Mai 2009. Mit Sloterdijk und Keuschnig.

  1. “Kritiken” bei amazon betreffen ein anderes Buch Wer bei amazon Kritiken zu Thetis lesen möchte, wird welche vorfinden, die zu einem anderen Buch gehören …

    1. @Helbig. Jaja, die Luft wird dünn für gedruckte Exemplare; bedenkt man, daß die Auflage 6000 betrug, ist das ziemlich fein. Ich sitze also sehr behutsam auf meinen 130 letzten Stückerln.

      Das mit den Kritiken zu dem anderen Buch fand ich so hübsch, daß ich eigentlich nie was dazu sagen wollte. Automaten können noch immer nicht unterscheiden, das scheint mir (noch) ein Moment der Beruhigung zu sein.

  2. @Helbig … die nicht zu dem Roman gehörenden Kritiken stehen da schon eine ganze Weile. Was mich noch irritiert, ist die Tatsache, daß wenn ich “Thetis.Anderswelt” bei google eingebe, erst der Wiki-Eintrag erscheint, dann zwei Verlinkungen von Amazon. Klicke ich den ersten Link von Amazon an, ist das Buch nicht mehr verfügbar, klicke ich den zweiten an, finde ich noch drei verfügbare Exemplare.

    1. @cellini. Es geht insgesamt mit amazon und mir da so einiges durcheinander. Wahrscheinlich betrifft nicht nur mich sowas. Aber ich habe da drei völlig verschiedene Seiten. Je nachdem, ob man “Alban Nikolai Herbst” eingibt oder “Alban Herbst” oder “Alban N. Herbst” oder neuerdings gar “Alexander v. Ribbentrop” (wobei auch noch die falsche Version 4b) möglich ist: “Alexander von Ribbentrop”), erscheinen verschiedene Bücher als lieferbar oder nicht lieferbar. Ich finde das auf bizarre Weise gerecht; es paßt zu >>>> HölderLines Kurzsegment meiner Kleinen Blogtheorie wie die männliche Hand auf den weiblichen Po.

  3. Anderswelt-Trilogie Sagen Sie einmal, Sie werden doch sicher Thetis revidieren und korrigieren. Interessant fände ich, wie sich der 1. Band a) mit einem gewissen Abstand und b) nachdem zwei weitere Bände ihm gefolgt sind verändert, wobei c) in den 3. Band ja vielleicht noch eine neue Person eingearbeitet wird (der Auktionsmensch).

    Also: Kann man Ur-Text und Veränderung nicht nebeneinanderstellen, das hätte dann wieder etwas von Werkstatt und würde weit hinausgehen über pures Onlinestellen einen vergriffenen Buches… Und: Da wird kommentiert, und vielleicht nimmt der eine oder andere Kommentar dann Einfluß auf den Text.

    1. @jethro zu Anderswelt. “vielleicht nimmt der eine oder andere Kommentar dann Einfluß auf den Text” – Darum unter anderem geht es. Aber insgesamt darum, einen Roman flüssig zu halten: also im Internet herauszuarbeiten, was bislang nur im Internet g e h t. Nicht ganz unähnlich waren Arnulf Rainers Übermalungsarbeiten, auf die ich mich ja auch in MEERE bezogen habe und immer wieder beziehe: Ent-Dinglichung (er verkaufte Bilder unter Änderungsvorbehalt; das heißt, es konnte geschehen, daß er Wochen später bei einem Käufer vor der Haustür stand und Farbe dabei hatte, um nochmals zu ändern). Man hat hier, ästhetisch gesehen, ein Konstruktionsproblem, wenn man zugleich nicht will, daß narrative Fäden lose heraushängen. Indem man den Gedanken des “Fertigen” unterläuft, unterläuft man den Warencharacter. Das muß nicht ohne körperlichen Aspekt sein, denn sehr wohl können ja B ü c h e r erscheinen, nur unterscheiden sie sich von Ausgabe zu Ausgabe, bisweilen minimal, bisweilen gravierend. Das Netz protokolliert den Vorgang, vorausgesetzt, es archiviert jemand.
      In der Tat: es g e h t weit über pures Onlinestellen eines vergriffenen Buches hinaus. Aber mir ist es ja auch bei Der Dschungel, schon als ich mit ihr anfing, nie um ein Surrogat gegangen, sondern um Eroberung und Entdeckung eines möglichen Kontinentes der Poesie. Zu der habe ich Romane, gute, immer hinzugezählt.

      [Poetologie.]

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