9.32 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pfitzner, >>>> Palestrina.]
Um meine Arbeitsdisziplin wiederherzustellen, also wieder früh aufzustehen, brauchte ich eine neue Besessenheit, die ich zur Zeit nicht habe. Vieles ist, wie die Klänge des Palestrina-Vorspiels, ein Abschied. Ich frage mich, ob ich, hätte ich denn einen verläßlichen Verlag hinter mir stehen gehabt und stehen, diesen >>>> Weg ins Netz tatsächlich eingeschlagen hätte. Doch entstehen Entwicklungen so gut wie immer aus der Notwehr. Evolution insgesamt ist, soweit sie Leben meint, ein Notwehr-Zusammenhang, offenbar. Ich fragte mich eben, weshalb ich >>>> lieber Character schreibe als Person: wohl weil ich „die Maske“ vermeiden möchte, die unvermeidlich doch zu s e i n scheint: persona. Das Personenrecht ist ein Recht der Maske, so gesehen; irgendwie legen literarische Figuren die Person auf den Character zurück: man hat den Eindruck, es mit jemandem zu tun zu bekommen, von dem meine geliebte Großmutter gesagt hätte, der sei recht.
Dann sehe ich, daß >>>> Abendschein bereits >>>> etwas macht, das mir mit dem Netz-Romanprojekt vor Augen steht, und denke, wieso dann noch ich? Andererseits, wenn einer ein Gedicht schreibt, kann das dennoch ein zweiter tun, ein dritter, vierter: nur so entsteht die Bibliothek. Jedenfalls komme ich momentan mit meinem Selbstverständnis über das, was Romandichtung sei, einigermaßen durcheinander. Akute Zweifelphase. Kann man so sagen. Bislang kannte ich solche Unsicherheiten nicht. Dazu kommt, daß ich Bücher zwar liebe, aber kaum noch welche lese; ich sehe viel mehr Filme. Meine geliebten Bücher sind Erinnerungen an Bücher, sie sind Ideen geworden, von denen ich weiß, daß sie in den Brunnen der Vergangenheit fallen, >>>> der bekanntlich tief ist. „Neue“ solche Ideen kommen nur wenige hinzu. Außerdem: Je weniger noch gelesen wird, desto mehr wird geschrieben, das macht die Sache außerdem sauer. Ich habe die Fähigkeit verloren, nicht nach rechts und links zu sehen, diese (un)gewisse Naivetät der Produktionslust, um von der „Besessenheit“ gar nicht erst zu sprechen, die mich zuletzt mit der >>>> AEOLIA gepackt hatte und davor mit den jetzt elend ausgebremsten >>>> BAMBERGER ELEGIEN seit dem Juli 2006 fast zwei Jahre lang durch die Monate jagte: „werkpoetisch“ gesehen eine Strecke unentwegten Scheiterns. Auch ANDERSWELT III, wiewohl als Typoskript bis auf den Epilog fertiggestellt, liegt brach. „Gelungen“ sind imgrunde, seit dem >>>> MEERE-Prozeß ab 2003, nur noch >>>> ein paar Gedichtchen, durchaus nicht alle, sowie Die Dschungel, zweidrei Erzählungen und vermutlich alle Hörstücke. Was ja nicht viele sind, seit der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk so spart. Und sie verschwinden allesamt in den Archiven: man sieht ihrem Verschwinden z u und ist froh, wenigstens CD-Kopien zu haben, die letztlich aber selber nichts als Verdinglichungen sind, über die man >>>> aus urheberrechtlichen Gründen nicht einmal verfügen darf, auch wenn ich’s dennoch tu, damit nicht a l l e s verlorengeht.
Klingt sehr dafaitistisch heute, ich weiß. Kann aber gut sein, daß diese blöden Genitalwarzen daran schuld sind, die seit wenigen Tagen deutlich mehr werden und mich erotisch fast restlos ausbremsen: ich verliere den Kontakt zu meinem Körperwillen, d.h. er ist ja d a, aber darf nicht. Er hemmt sich. Damit hemmt sich alle andere Produktionslust auch. Kann sein, daß es „einfach s o einfach“ ist. Außerdem habe ich es noch nie ertragen, einfach nur abzuwarten, hier den Termin am 8. Juni, an dem die Angelegenheit erledigt wird. Ich werde morgen d o c h noch mal in die Charité fahren. Ich hätte gerne n o c h ein Kind-aus-Leidenschaft. Leben. Leben. Ich will nicht schreiben zum Ersatz. Ich habe das Gefühl, mir wurde Substanz ausgesogen. Als wäre da ein Leck, durch das sie sickernd hinfortfließt. Kühlmanns >>>> Wort vom Dinosaurier, der ich sei, von Eisenhauer wiederholt, sieht sein Aussterben nahen.
15.02 Uhr:
Cello geübt; imgrunde tu ich heute kaum anderes, wenn man von den >>>> neuerlichen Auseinandersetzungen in Der Dschungel absieht. Eigentlich ungeheuerlich aber, daß Verteidiger des Pops meinen, wenn es gar nicht mehr anders geht, mit >>>> Verleumdung reagieren zu müssen; abermals das Gift der Weblogs: anonyme Denunziation. Ich werde auf so etwas in Zukunft ebenfalls mit Löschung reagieren, allerdings erst nach Aufforderung, den Vorwurf zu belegen, also mit Zitat usw. Schon bezeichnend, wieviel Feindschaft meine Arbeit provoziert
Wiederum s e h r schön ist >>>> Bonellos Le pornograph, den ich gestern abend sah. Läßt man den sehr langen Abspann ganz herunterlaufen (hört man dabei der Musik als einem Echo des Filmes nach), findet sich wirklich ganz zum Schluß ein >>>> Pasolini-Zitat:
L’histoire, c’est la passion des fils qui voudraient comprendre les pères.Überhaupt ist die Musik in dem langsamen, bedächtigen, geradezu meditierenden Film Filmhandlung-selber, jenseits purer Illustration.
0.20 Uhr:
Warten auf den Profi, >>>> Bar am Lützowplatz; Bach im Ohr, dazu Guillermo Cabrera Infante.Beliebig dafür, im selben Band, Politickis Broder Broschkuss; aufgeschmockt im „Zeitgeist“, gefällig für jeden, zu glatte, rein behauptete Banker-Typologie. Dann saßen Gert Loschütz und die in mehrfachem Sinn große Katharina Kammerloher da; es war ein warmes, herzliches, gutes Begrüßen mit Loschütz, über dessen >>>> Die Bedrohung (im Link 11.16 Uhr) ich bereits schrieb. Wir werden uns treffen.
Später, nach dem intensiven Gespräch mit dem Profi, mit Bachs Cello zurück durch Tiergarten und Brandenburger Tor hierher. Ich muß unbedingt, fällt mir beim Zuhören ein, wegen des jungen Cellisten Nicolas Altstaedt ans Konzerthausorchester schreiben. Mach ich jetzt noch, sonst vergeß ich’s wieder. Morgen früh ab zur Charité; ich will möglichst schon um 7/½ 8 Uhr da sein und dann eben warten. Zu lesen hab ich genug, ich kann auch den Laptop mitnehmen.
das dunkelste
was meine wunde
erlebte war das
auftragen weißer
salbe
@charité. Wir wissen nicht, dunkele Helle, wie und wen die Parzen schneiden. Sie schneiden willkürlich, so >>>> wie ich lösche, wenn die Dramaturgie zerfliegt.
Typisch. Aber sie löschen hier und alle sind jetzt in ihrer Dramaturgie.
Er hat doch Recht
der schatten des chirurgs es ist der dramaturg der
dem chirurg mit gewetztem
messer folgt
Ach der Japaner, der war schon immer etwas eigen, man muss
das nicht mögen, zumal man hinterher, na ja eigentlich fast
immer tot ist oder etwa nicht?
@stövchen zu diadorim. Es ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, daß Sie diadorims Texte mögen; ich mag sie bekanntlich auch. Es ist aber etwas dagegen zu sagen, unter einem meiner Texte, zumal unterm Arbeitsjournal, suggestiv zu erklären, allein diadorims wegen läsen Sie in Der Dschungel. Wenn Sie das unter einem Text diadorims so schrieben oder als Reaktion auf einen ihrer Kommentare, wäre das freilich ebenfalls in Ordnung und würde ganz sicher nicht gelöscht. Hier aber zeigt die Absicht ihre Hörner – und die sind viel zu stumpf, als daß man Sie nicht rumpeln hörte. Wenn Sie glauben, auf derart billige Weise Unfrieden stiften zu können, liegen Sie so schief, daß man Ihre Kommentare löschen m u ß; etwas anderes wäre eine Zumutung gegenüber den Dschungellesern.
Ich will sie nicht belästigen und bin ihren Sachen gegenüber viel weniger kritisch eingestellt, als sie glauben, obwohl ihnen das sowieso egal sein dürfte.
Mann, denken sie, ich weiß nicht, wie viel Herzblut in solchen Sachen steckt.
Und dass sie hart am Flusser gebaut sind, ist mir sowieso sympathisch.
Ich frage mich nur, warum sie hier sowenig verspielt sind, und andauernd hier so nullflussermäßig herrumregieren. Wenn ihnen Ihr Werk ernst ist, könnten sie es doch einmal mehr easy angehen lassen…. ich werde auch schon verschwinden.
Darüber hinaus wollte ich Diadorim nur ein bisschen aufmuntern, mehr nicht.
Also sag ichs nochmal, dass sie mal hier mehr schreiben soll,