Arbeitsjournal. Sonnabend, der 5. Juni 2009. Zu Niebla schreiben.

8.10 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Uiiips: verschlafen. Kam bis nach drei Uhr nachts nicht zur Ruhe, das Iboprofen schlug nicht an. Dann hab ich wohl den Wecker nicht mehr gehört. >>>> New York kommt heute deshalb später, ich muß sofort die Kritik zu >>>> gestern abend schreiben; mittags ist Abgabe. Cu.

11.30 Uhr:
Fertig geworden und rausgeschickt. Morgen also in der Frankfurter Sonntagszeitung.
Mein Bub ist gerade fürs Üben hergekommen, Deutsch-Diktat und dann Cello. Eine Stunde wird das, denk ich mal, dann eß ich was und setz mich an New York.

19.01 Uhr:
Laboriere an den Entzündungen weiter, die mich nun die پری ge„kostet“ haben dürften. Ich schreibe das so lax dahin, aber ich bin traurig. Auch wenn der Profi alles zusammen s o kommentierte: „Das ist ein Mädchen! Meine Güte, du bist 54, die ist 27… was erwartest du?“ – Das Unmögliche. Unter dem Unmöglichen will ich’s nicht. Allerdings muß nun Αναδυομένη wegen der kleinen Affaire nicht mehr bekümmert sein. Ich würde einfach gerne wieder neben einer Frau einschlafen und morgens in ein glückliches Gesicht sehn; das geht mit ihr nicht mehr, das ist rundweg vorbei. Aber es ist momentan ja eh nicht möglich; erotisch bin ich zur Zeit schlicht konkurrenzunfähig und kann dagegen erstmal nichts tun als abzuwarten. Furchtbar. Nichts tun zu können, ist das allerschlimmste; es ist nicht schlimm zu verlieren… doch, ist es, aber viel weniger schlimm, als wenn man nicht wenigstens in den Kampf gegangen ist.
So laborier ich eklig vor mich hin. Besser, ich meide einstweilen sämtliche erotischen Foren; andernfalls läuft’s immer aufs gleiche hinaus: Man trifft sich, reizt sich, will sich ineinander verbeißen und verliebt sich vielleicht, doch wenn’s drauf ankommt, muß ich passen. In bestehenden Liebesbeziehungen trägt sich sowas einige Zeit, für anhebende ist es ein Ätzgift. Zurück bleibt nichts als Schmauchspuren. Ich hatte etwas zu essen vorbereitet, da werd ich nun alleine speisen. Oder es wegkippen. Danach ist mir gerade mehr.

Immerhin ist es ehrenvoll, >>>> womit man verglichen wird; daß man dabei vielleicht kürzer wirkt als der Pariser Urmeter, fällt da kaum noch ins Gewicht. Dazu eine Mail an Prunier geschrieben:Lieber M. Prunier,
ich brauche >>>> neuen französischen Text; was Sie bisher geschickt haben, ist eingestellt. Und gucken Sie mal >>>> dort. In den Kommentaren wird interessanterweise Claude Simon diskutiert. Sie hatten doch auch Ähnlichkeiten festgestellt? Vielleicht mögen Sie als Übersetzer etwas dazu sagen?
Ganz herzlich, ich hoffe, es geht einigermaßen, daheim,
Ihr
ANH
http://www.albannikolaiherbst.de
Tatsächlich habe ich Simon nie gelesen. Bin mir auch unsicher, ob ich es nachholen sollte. Nicht seinetwegen, bewahre, sondern meinetwegen: es ist manchmal klug, sich auch von guten Gründen nicht aus der Bahn werfen zu lassen.

20 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 5. Juni 2009. Zu Niebla schreiben.

  1. Hey, Herbst! Aufgewacht! Guten Morgen! Stellen Sie mal den Kaffee Latte weg. Ein guter Tag beginnt mit einer Schusswunde und einem feindlichen
    Kommentator im Blog.
    Ich sage Ihnen dazu mal was. Es ist geradezu lächerlich, dass sie sich hinstellen und meinen, sie wollten Simon nicht lesen, um nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Das zeigt doch wohl eine ziemliche Verpeilung, oder?
    Sie, die sie sich hier immer auf ihre antikanonischen Autoren-Namen-Staubflusen schwer was einbilden, (die sie weder gelesen noch biografiegeschichtlich einfühlend durchdrungen haben) die sie hier herausholen, um damit die Lücken ihrer stilistischen oder literarischen Epigonalität zuzustopfen, von den Schwachstellen ihrer adornitisch verquasten Welteinvernahme mal ganz zu schweigen – sie also wollen ausgerechnet den Staubsauger aber nicht kennen, ja? Nicht lesen, ja? Dass Simon ein Nobelpreisträger ist und damit kanonisiert, müsste ihnen ja wohl zu denken geben. Wissen Sie was ein Meister ist? Ein Meister ist jemand, der das Können einer Epoche, einer Generation auf den Punkt bringt. Er oder wenigstens eines seiner Werke ist der Glücksfall, der Staubsauger. Und er saugt eben auch die anderen, nicht so bekannten, wie Leiris oder Francis Ponge locker auf, was jetzt nicht heißt, dass Francis Ponge deshalb schlechter wäre, aber man kann eben von einem Meister wie Simon etwas lernen.
    Wenn Sie Simon lesen, werden Sie feststellen, was da an Proust an Balsac, an Nabokov, an Zola, an Flaubert an an an an…alles in stilistischer Brillianz, von ihren antikanonischen Staubflusen mal ganz abgesehen, drinsteckt.
    Es wurde hier mal davon gesprochen, dass man starke Vorbilder braucht, das ist richtig. Und dass man viel ficken muss und gefickt worden sein muss, das ist richtig. Ich habe heute mal wieder schön gefickt und bin deshalb gut drauf. Sie halten sich offenbar für einen nicht mehr lernen müssenden Schriftsteller, der so etwas wie Erstaunen, Begeisterung, und Demut gegenüber den Werken anderer Autoren nicht mehr nötig hat.
    Stattdessen suchen Sie sich hier all die verklemmten und verspasteten, all die verknoteten und epochaldebilen als Vorbilder, von Marianne Fritz über Pynchon und all das von der Moderne gekränkte Stammeln und Nerven, das adornitisch verkitschte Abseitige, dass Sie mit Exklusivität verwechseln, ja?
    Und dann liest man nur ein zwei Sätze von Simon und stellt plötzlich fest, dass so etwas wie “Materialbeherrschung” eben nichts mit “Macht” oder “Autorität” zu tun hat, eben überhaupt nichts mit schlechter “Auktorialität” wie es uns die Postmoderne immer weißmachen will, sondern mit einer Form der Weltverbundenheit auf Augenhöhe, dass überhaupt erstmal notwendig ist, um von literarischem Schreiben zu reden. Das können Sie jetzt von mir aus in den Antiherbst verschieben.

    1. Lesen Sie die Akazie dann wissen Sie, dank Frau Moldenhauer, schon mal zu 50 Prozent, was Prosa zu leisten im Stande ist. Das heißt noch lange nicht, dass man wie Simon schreiben muss, oder dass man mit ihm einverstanden sein muss, und es heißt auch nicht, dass man aus der Perspektive einer bewegten Kamera zu erzählen hat, die über eine stillgelegte Landschaft fährt, (wobei in der Akazie auch das sehr souverän gewechselt und gehandhabt wir, aber den Situationen angepasst.) aber man weiß dann schon mal zu 50 Prozent sehr genau, wogegen man sich entscheidet und warum, wenn man nicht so wie Simon schreibt. Weil man etwas über Sprachbewegung, und das Verhältnis von Wort und Blick und Klang etwas verstanden hat. Ganz abgesehen davon, dass man erfährt, was es heißt ein Mensch mit einem Bewusstsein zu sein, der sich zu einem verstehen wollenden Blick auf eine zumeist unverständlich Welt aufrafft.

    2. @Peter. Weshalb sollte ich Ihren Beitrag in den Antiherbst schieben? Dafür gibt es keinen Grund. Aber es kann sein, daß Sie sich für ein wenig zu bedeutend halten. Daß Sie sich allerdings so deutlich positionieren, hat meinen Respekt. Was nun d a s anbelangt:Sie halten sich offenbar für einen nicht mehr lernen müssenden Schriftsteller, der so etwas wie Erstaunen, Begeisterung, und Demut gegenüber den Werken anderer Autoren nicht mehr nötig hat.So ist das schlicht Unfug. Sie können sich, bevor Sie derart laut werden, ja z.B. >>>> dort einmal kundig machen, w i e begeistert ich von vieler Literatur bin. Dazu gehört a u c h Nabokov, wenngleich nicht so sehr seine Lolita als vor allem seine in Deutschland >>>> bezeichnenderweise umstrittene >>>> Ada, die für mich epochal ist und über die ich unbedingt einmal schreiben möchte, dazu gehört nach wie vor >>>> der späte Aragon. Dazu gehört auch der frühe Gaddis (“Die Fälschung der Welt”). Es gehören, kurz, v i e l e Dichter dazu. Läse ich freilich a l l e, ich käme zu eigener Arbeit nicht mehr. Und >>>> bei Simon habe ich schlichtweg eine Scheu. Das mag sich legen, kann sein, aber ich habe gelernt, auf meinen Instinkt zu hören. Sie werden nicht umhin kommen, das Ihrerseits akzeptieren zu müssen und >>>> meinem künstlerischen Kalkül genau die Freiheit zu lassen, die es sich nimmt.

      [Ihre Formulierungen wie “zu einem verstehen wollenden Blick”/”für einen nicht mehr lernen müssenden Schriftsteller” sind übrigens verräterisch ungelenkt, ja fast peinlich. Sie verraten Ihre Neigung zu Statik, zu Stillstand.]

    3. @Herbst Wenn sich hier jemand für bedeutend hält, dann sind Sie das ja wohl.
      Ich erlaube mir lediglich, auf ein paar Veranstalter der Olympiade hinzuweisen, die das Stadion gebaut haben, in dem Sie ihr Kügelchen stubsen.

    4. morgendliches husten eine entspannte frühstücksgesellschaft
      ein schußwechsel in die luft
      warum ich dir meine wunde schenke
      damit du mir deine schenkst

    5. Lieber Peter, Ihre Aggressivität verrät den, wie Kleist schrieb, Hirsch. Sie tun so, als wäre das Stadion immer schon fertig; so tat man auch zu dessen Zeiten, und schon davor, kurz: seit je. Und seit je war vergessen, daß, wer nahe dran ist, kaum etwas sieht. Wenn Sie >>>> meine “Bedeutung” ärgert, so kann ich nichts dazu; ich dränge mich Ihnen nicht auf, des Netz hat Millionen andere Seiten.

      [Allerdings verstehe ich meine Feinde s c h o n: Ick bin allhier, sagte zum Peterhasen der Netzigel. Dummdas, schon recht; man wird den nicht mehr los. Wobei ich Ihnen versprechen darf: Das wird noch, Peter, “schlimmer”.]

    6. Von einem Schriftsteller erwartet man Bescheidenheit und Demut Dass Sie die nicht zeigen, macht viele Menschen ärgerlich. Ich finde, dass sich das in den Kommentaren deutlich zeigt. Man will Sie ducken, weil es sich nicht gehört, unbescheiden aufzutreten. Ich glaube, dass das mit Ihrem Roman gar nichts zu tun hat, sondern damit, dass sich die meisten Menschen selbst ducken. Wenn jemand wie Sie kommt und das nicht tut, ist das für andere eine schwer erträgliche Kränkung, vor allem dann, wenn Sie Ihre Bedeutung auch noch öffentlich belegen und sich auch sonst nicht irritieren lassen. Das ist nicht nur eine Spur zu viel Rückgrat. Wenn Sie dann auch noch öffentlich über eine Krankheit schreiben, die die meisten Leute geheimhalten würden, dann ist das obendrein ein Bruch mit der Privatsphäre. Dabei ist es egal, ob es sich um Ihre eigene Privatsphäre oder die von anderen handelt. Ich finde das ziemlich mutig, was Sie tun.

    7. Ach je, Twitterer was sie für mutig halten, halte ich für ein ziemlich verzweifeltes Manöver. Wo relevante Texte fehlen, zeigt man seine Geschlechtskrankheiten in die Runde. Charlotte Roche u.s.w. Also sorry.

    8. @ Peter So verzweifelt kann das aber nicht sein, wenn sie ständig dadrauf springen. Sie kennen auch nicht viel von herbst oder? Sie machen auf mich den eindruck von jemandem, der partout nicht will, was ist. Der sich auch gar nicht bemühen will, sonst hätte er mehr von herbst gelesen, ich meine jetzt die bücher. Sie machen sich ziemlich lächerlich, wenn sie dauernd immer dasselbe kommentieren, finden sie nicht? Ich glaube, dass es auch nichts mehr nützt, ihnen was zu empfehlen, zb die orgelpfeifen von flanden. Für mich eine der schönsten erzählungen von herbst. Ganz hinreissend ist auch meere.

    9. @Peter. Abgesehen davon, daß Sie meine Arbeit nicht mögen, reicht es, Sie zu zitieren:ich schaue mal so in die Historie des Zeitstrahls“Mal so”, Pardon, das ist schon einige Arbeit, das vergleichend zu tun. Sie haben also ein Anliegen; man kann es fast eine M i s s i o n nennen, für die es nötig zu sein scheint, geradezu zu protokollieren. Ich werd mir aber nicht die Mühe machen, Ihre Schlüsse zu widerlegen, auch wenn es genügte, meine Statistiken zu veröffentlichen. Wozu? Ich kann mir eh sicher sein, daß Sie mir erhalten bleiben. Wissen Sie, römische Feldherren – soviel zur Numerierung der Ihnen zwar lächerlichen, aber offenbar doch höchst ärgerlichen Paralipomena – hielten sich Narren, die sie während der Triumphzüge grob beschimpften. So einen Narren hab ich zwar schon, aber es spricht ja nichts dagegen, ihn mal auf die Reservebank zu schicken, damit Sie g a n z zur Geltung kommen: so rechtschaffen wie anonym.

    10. @SabineA. Ich denke, Herbst wird auch die Orgelpfeiffen hier reinstellen, dann lese ich mal rein, aber man ist natürlich anspruchsvoll. Wenn die Orgelpfeiffen so eine wunderschöne Erzählung ist, warum ist sie dann nicht berühmt, also bekannt, also sagen wir mal so wie die Entdeckung der Langsamkeit damals von Sten Nadolny oder der Fremde Freund von Christoph Hein damals.
      Ich habe auch mal eine Zeit lang geglaubt, dass man Literatur “entdecken” müsse, und dass alle Bestseller doof sind. Heute weiss ich, dass das Gute sich immer durchsetzt. Weil sich auch das Leben immer durchsetzt. Ob einem alles gefällt, ist eine andere Frage, aber ich vertraue sehr auf den Massengeschmack. (Auch wenn ich persönlich zum Beispiel die Roche doof finde, heißt das nicht, dass das kein gutes Buch ist. Vielleicht find ichs ja in 10 Jahren gut.)
      Ich lese aus der Vergangenheit nur Sachen, die kanonisiert sind. Aber auch da schaff ich schon nicht mehr alles. Man muss ja auf die Zeit achten.

    11. “ja das ist widerlich und deshalb interessanter als jeder zuckerguss fast aller blogs, welcher aus einer abgeschwächteren form von gefallsucht, eitelkeit, selbstdarstellungszwang + selbstgefälligkeit, ich-verschossenheit und privater
      eingemottetheit bis ans debile poetisieren heranreichend angerührt ist.”

      sie müssen viel leiden in zeiten der unverhältnismäßig günstig gehaltenen flatrates, ich lese es wohl. früher gab es beinahe nur brinkmann, aber heute kommt auf alles noch schnitzelpfand und identitätsverdruss.

    12. an heinrich von kleists wintereinsamen waldgrab am wannsee wir sind keiner klarer oder blinder,
      wir sind alle suchende, du weißt,
      und wo wurdest du vielleicht der finder,
      ungeduldiger und dunkler kleist.

    13. Ja… so gesehen haben sie grade eine informelle Erwärmung beschrieben, die “Gehabtes” und “Seiendes” ineinander fließen lässt, soll heißen, das “Sein” wird zunehmend habbar und kann dementsprechend auch produziert, besessen, gehandelt und getauscht werden. “Sein” kann produziert werden. Die Gesetze die dahinter stehen sind sicher noch nicht verstanden, aber nach meinem Eindruck findet es statt. Das heißt nun noch nicht, dass “charaktäre” vollständig austauschbar werden, aber sie werden bereits abziehbar und übertragbar.
      Beispiel: Marken, die selbst nichts mehr beinhalten haben heute zum Teil schon schärfer konturierte “Charaktäre” als Menschen. Der Mensch spürt, dass er gegenüber einem Nike-Sportschuh an Charakter verliert. Also bastelt er sich Charakterkulissen von “Bewusstheit” um nicht ganz blass neben dem neuesten Porsche zu stehen, soll heißen, er kan sich auch einen Porsche kaufen, um “Sein” zu erwerben.

Schreiben Sie einen Kommentar zu ovid Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .