Tragödie eines lächerlichen Mannes. Elena Mendozas und Matthias Rebstocks „Niebla“ nach Unanumo.

[Geschrieben für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
>>>> Erschienen am 7. Juni 2009.]

Der Werner-Otto-Saal des >>>> Konzerthaus es kann mit vollem Recht Berlins Opernlabor genannt werden: mit wenigen Mitteln wird hier in musikalischer Perfektion mehr zeitgenössisches Musiktheater ausprobiert als an herkömmlichen Opernhäusern. Das hat sich herumgesprochen, die Aufführungen sind nahezu immer ausverkauft. Kunst braucht keine werbliche Schaumschlägerei.
>>>> Miguel de Unanumos Roman „Niebla“, die Vorlage der kleinen Oper Elena Mendozas und Matthias Rebstocks, ist >>>> Pirandellos Ästhetik verwandt, seine Haltung wird später >>>> von Bertolucci wieder aufgenommen; zu ihm zieht über das absurde Theater, den Existentialismus und die Filme des jungen Godards ein Weltgefühl hin: Personen verlieren die Autonomie, in dem sie sich ihrer bewußt werden. Diese bizarre Dialektik geht aufs Denken selbst, den „einfachen“ Menschen schert sie nicht; der makes his life in ungetrübter Affirmation, ob 1915, ob 2009. Man muß seinen Spott damit treiben – besonders, weil Augusto, der Held des Stücks, seinem Hund (!) ja völlig zu recht sagt: „Was ist die Seele anderes als Liebe, als fleischgewordener Schmerz?“ Wer sowas von außen betrachtet, dem steigt >>>> Pirandellos umorismo ziemlich zu Kehle.
Was ist wirklich? Was Einbildung und Projektion? Je genauer einer hinschaut, desto ungefährer wird es. Ich liebe dich: ein wechselwirkendes Reiz/Reaktions-Muster. Mendoza und Rebstock inszenieren ihr „Spectacle“ wie Module, deren Ränder flirren und ineinander zerlaufen. Selbst die Instrumentalisten werden zu Personen, Masken. Sie wechseln die Plätze quer durch den Raum, je von den Emporen zu der doppelschrägen Spielkulisse. Die Instrumente in extremen Lagen. Mehrmals kommt der immer hochpräzise Dirigent, Titus Engel, aus dem improvisierten Bühnenboden. Seltsam verstärken kleine Spiegel unter der Decke das komisch Tragische des Stücks: es ist ihre Funktion, die das verstärkt. Als sollten sie beweisen, was Augusto schon zu Anfang beklagt: Der Gebrauchswert zerstört den Dingen die Schönheit. In manchen Momenten dieses Abends steht ein flirrendes Kontinuum aus Tönen und Sätzen im Raum, das, ohne Elektronik zwar, an Luciano Berios berühmten >>>> hommagio à Joyce erinnert. Wie alles Illustrative da wegfällt! Die Komposition selbst wird zur Szene. Musiktheater als innerer Bewußtseinsstrom, der von percussiven Kadenzen in Sätze geteilt wird: die beiden schachspielenden Freunde führen, wie von >>>> Balanyà komponiert, kleine Soli für Schlagwerk auf, man könnte dazu raven. Noch lang in die Nacht klang das nach.

[Elena Mendoza Komposition und Regie, Matthias Rebstock Text und Regie.
Musikalische Leitung: Titus Engel.
Moritz Nitsche Bühnenbild, Sabine Hilscher Kostüme.
Mit Oliver Nitsche, Katia Guedes, Uta Buchheister, Guillermo Anzorena,
Tobias Dutschke, Heather O’Donnell, Anke Nevermann, Georg Wettin,
Steve Altolft, Matthias Jann, Andreas Roth,
Susanne Zapf, Matthias Lorenz und John Eckhardt.]

[>>>> Weitere Vorstellungen:
Sonnabend, 13. Juni 2009, 20 Uhr.
Sonntag, 14. Juni 2009, 20 Uh
r.
>>>> Karten.]

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