Des Silberturmes zweiter Teil, weiters am Montag nachgeholt: Das Reisejournal des 21. Junis 2010. Nun endlich und leider das mit der Ente, nämlich weshalb unser Held, sonst ein Draufbold, nicht nur Vegetarier plötzlich, sondern so seltsam zögerlich ist. Les secrets de Paris (5).

6.22 Uhr:
[Paris, Caulaincourt-Lamarck.]
Ein Abend der Gespräche schloß sich an: der Gespräche, Sie haben recht, nicht n u r. Doch vor allem der Gespräche. Der Duchesse spielte seine Rolle darin. „Wär das nicht eine derart abgegeriffene Idee”, sagte ich, „würde ich davon ausgehen, er ist der Teufel, der einem andern, ärmren, an die Seele will.” „Es gibt einen Science-Fiction-Autor”, sagte die Löwin, „der hat sowas schon geschrieben: da will der Teufel von einem Dichter ein Seelenfängerbuch.” „Nur daß m e i n Teufel das Buch für sich allein will”, erwiderte ich, „und um Seele geht es ihm nicht. Wenn ich den Gräfin recht verstand in seinem Silberturm. Ich hab dir das mit der Ente noch gar nicht erzählt.” „Aber wer wäre dann Jenny?” „Eine Gefangene, eine Gezwungene…” „Ariel”, sagte die Löwin, „das würde ja passen: eine Luftgeistin.” „Jedenfalls hat sie mich vor dem Gräfin gewarnt, noch v o r dem Essen, v o r der Ente.” „Vor Prospero, der die Schiffbrüchigen vernichten will. Der sich rächen will.” „Prospera, Le Duchesse Prospera.” Wir lachten. „Wenn das denn eine Erzählung wäre und nicht diese irgendwie finstere Realität. Denn wofür will er sich rächen?” „Was aber”, fragte die Löwin, „was, wenn Le Duchesse – Gott sein sollte?”
Die Idee machte mich sekundenlang sprachlos. Darauf war ich noch überhaupt nicht gekommen, und das war auch, schien mir, neu. „Jenny Michel”, sagte ich dann. Die Löwin blickte fragend aus den viele Kissen, auf und zwischen und unter denen wir lagen. „So heißt sie. Also als wir im Minh Chau aßen… hab ich dir das schon erzählt?” „Du hast es geschrieben.” „… da hat Jenny bezahlt, und als sie das Portomonnaie öffnete, konnte ich ihren Führerschein lesen.” „Und?” „Michel, Jenny Michel. Gott ist weiblich, La Duchesse… verstehst du denn nicht?” Ich wurde so aufgeregt, daß ich aufsprang und mir eine Gauloise vom Tisch holte, ansteckte, „du auch eine?” „Du hast einen himmlischen Arsch”, sagte die Löwin, was der Situation den Witz bewahrte, den sie brauchte. „Ja, bitte, auch eine.” Ich steckte sie ihr an. „Gott ist weiblich, ist eine zum Mann verkleidete Frau”, sagte ich, „und Michael, sein Engel, desgleichen.” Ich kam zum Bett zurück. Es ist so, daß ich, wenn ich einmal eine Idee habe, alle Angst verliere. „Ich weiß freilich nicht, ob das dem Gräfin gefällt.” Daß ich, dies weitergesponnen, vorgestern nacht mit dem Erzengel Michael geschlafen hatte, sagte ich der Löwin s o freilich nicht; es ist etwas anderes, sowas zu sagen, als wenn sie’s dann lesen wird – hier, in der Der Dschungel. Und daß es passiert ist, weiß sie ja schon, nur eben nicht, wer das war. Das ironisch Blasphemische an dieser Sache gefiel mir aber, ich meine: Jenny bekam plötzlich ein ganz anderes Aussehen, ja Aussehen. Dieses ledrige Gesichtchen war ja alleine deshalb so ledrig, weil da noch immer Spuren von Männlichkeit waren, in die es das Patriarchat hineingezwungen. Ich dachte plötzlich – aber fragen Sie mich nicht, warum – an diesen Frosch, den man an die Wand klatschen muß. Dann fiel mir der Schlag auf meine Nase wieder ein, den mir Jenny im Traum verpaßt. Verpaßt und paßte. Ja, paßte. Übrigens tut mir die Nase immer noch weh, nicht mehr sehr, aber weh. Und mein Nasensattel ist breiter geworden. „Der will auch aus mir eine Frau machen”, sagte ich dann, „>>>> Sarah hat das längst begriffen.” „Sarah?” „Diese Kommentatorin >>>> gestern …” „Und im Minh Chau?”

„Bitte”, sagte Jenny, „laß dich nicht auf die Gräfin ein.” Wir waren schon längst beim du gelandet, ich glaube, das fing auf Pradas Boot an der Seine an, einem völlig leeren, einem ausgeleerten Boot. Genau wie diese Kapelle. Überhaupt war hinter allem, was mir Jenny gezeigt hatte über den Tag, immer eine Art Leere gewesen. Ging darauf nicht auch des Gräfin Klage? Sie haben recht, Klage trifft den Sachverhalt nicht. Mir fallen grad die leeren Augen, ausdrucksleeren Augen des Gräfin ein, und sein ausdrucksloser Ton.

„Erzähl mal bitte der Reihe nach.”
Ich steichelte das linke Löwinnenohr, dann legte ich mich zurück und rauchte gegen die Decke. „Gut”, sagte ich, jedoch nicht ohne Traurigkeit. Plötzlich war mir eingefallen, daß شجرة حبة bereits morgen schon wieder zurück nach Deutschland reiste. Und ich, dachte ich, kehrte in die rue de Chevreuse zurück. Die Serengeti kam mir so weit entfernt vor!
Die Löwin spürte das. „Was ist?” fragte sie.
„Nichts”, sagte ich.
„Und im Silberturm?”

7.11 Uhr:
Ich brauchte einen Kaffee. Den es ja gibt. Nur, wieder, die Milch fehlt. Nicht nur deretwegen geh ich mal eben hinaus.

7.33 Uhr:
Was bin ich sprachlos, Leser!
Die Algerierin stand schon im Gang, wie wenn sie mich erwartet hätte. „Du lait?” fragte sie und lachte. Wieder hatte sie diese keimfreien Schuhe an. „Volontiers. Mais seulement, si vous allez pieds nus.” Sie stutzte keinen Moment. Der Gang hat den Zimmern gegenüber eine Fensterreihe. Die Algerierin streifte die Schuhe ab, ohne sich zu bücken, sah mich dabei an. Sie trug keine Strümpfe. „Mieux ainsi?” Nun erst bückte sie sich, nein, ging kurz in die Hocke, nahm die Schuhe, streckte sich wieder, ging zu den Fenstern und öffnete eins. „Est-ce que je dois?” Und warf die Schuhe hinaus. Im Davonstürmen rief sie „point de vue ici!”

Ja, ich war sprachlos. Aber das ist noch nicht alles. Es brauchte keine fünf Minuten, bis sie zurückwar. Schien mir. Mit der Blechkanne voll heißer Milch, die sie mir reichte. Lächelnd. Barfuß. Wunderschöne Füße, die Beine bis übers Knie von dem Kleid überspielt. Ihre Schürze hatte sie untengelassen. Aber ich weiß nicht, nicht eigentlich, was ich mit „unten” meine. Wie sie heiße, fragte ich. „Raffaela”, sagte sie, lachte wieder und flog durch das Fenster davon.
Ich stand noch minutenlang da, das Tablett in der Hand, die Blechkanne mit Milch drauf, geschäumter Milch. Erst allmählich machte ich kehrt, es sind ja nur zweidrei Schritte ins Zimmer. Auf den Dielen lag die Löwinnenhelix.شجرة حب selbst schläft aber noch. Ich werde auch ihr jetzt den Kaffee bereiten, dann aber schreiben

WAS AM FREITAG ABEND GESCHAH
LA TOUR D’ARGENT
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Zweiter Teil

9.25 Uhr:
„Wer Leben gibt, darf es auch nehmen”, zitierte Le Duchesse Ada ab Tayi, was mich irritierte, weil ich nun gewiß sein konnte, daß der Gräfin sehr wohl über mein Werk orientiert war. „Oh,” rief er aus, ohne freilich auszurufen, „Sie werden wohl nicht meinen, ich sei uninformiert.” Er winkte knapp M. Terrail. Die beiden wisperten. Was ich essen, ähm: speisen wolle, wurde ich nicht gefragt. Es begann ohnedies mit dem Wein, es wurden in Becherchen Vorspeisen aufgetragen, Terrines, von denen ich keine Ahnung hatte, aus was sie hergestellt wurden. Aber sie waren, das muß man nicht sagen, vorzüglich, „auch wenn die Küche – völlig unberechtigterweise, n’est-ce pas, mon Cher” dies, und nicht ohne Gehässigkeit, zu Terrail „- zwei Sterne verloren hat. Aber das” dies zu mir „gilt nur für die Salle. In den Salons gelten andere Gesetze als die des Michelins.” Er nickte, M. Terrail ging langsam rückwärts, verbeugte sich, nein, nicht lakaiig, durchaus selbstbewußt, seines Wertes bewußt, aber doch mit einer Achtung, die der Vorsicht nahekam. Bis zur Consommé klärte mich der Gräfin endlich darüber auf, was er von mir eigentlich wolle, wenngleich er, selbstverständlich, „wünsche” sagte. Überhaupt hat er eine Neigung zum Konjunktiv, wie als wäre alles noch nicht gänzlich vollendet. „Ein Buch nur für mich… einen Roman. Nein nein, mein Lieber, was Sie in Ihrem… sagt man das? Weblog?… also was Sie in Ihrem Dschungel schreiben, steht dem gar nicht im Weg. Sie fassen ‚Dschungel’ weiblich, nicht wahr?” Dieses n’est-ce pas muß man hören, um die ganze Tragweite seiner Frage zu verstehen, Tragik sogar, denke ich j e t z t, da ich dies schreibe und die Löwin mir ihren frappierenden Gedanken in den Kopf gesetzt hat. „Kipling”, sagte ich, „ich habe das von Rudyard Kipling übernommen.” „Weshalb?” fragte er. Das wußte ich nicht, weiß ich nicht. Es war mir damals, als ich >>>> Die Dschungelblätter herausgab, evident vorgekommen, gänzlich unhinterfragbar, dieses Grund-Weibliche, das ja nichts ist, auf was sich ein Mann, auch nicht als Junge, voll des Vertrauens verlassen könnte. „Kennen Sie den jüdischen Witz mit dem Vater”, fragte der Gräfin, „dessen kleiner Sohn vor ihm oben auf der Mauer steht?” Ich wußte erst gar nicht, was er wollte. „Der Vater sagt: Spring runter, mein Sohn, ich fange dich. Der kleine Junge traut sich aber nicht. So spring doch, ich fange dich auf, schließlich bin ich dein Vater. Da springt das Kind. Doch der Vater tritt zwei Schritte zurück, und sein Sohn knallt auf den Boden. Schreit, weint. Merke dir eines, sagt der Vater, merke es dir für dein Leben, mein Sohn: Vertraue keinem, auch dann nicht, wenn es dein Vater ist. – Ah, die Suppe.” Das war jetzt, als Entgegnung auf meine Haltung, ein Lehrstück in Patriarchat? Ging ich so fehl, Trauer in den leeren Augen des Gräfin zu sehen, eine sozusagen formale Trauer, eine, die schon flach war? „Wieso ich?” fragte ich. Und er sagte: „Weil Sie diese Lebensfreude haben. Weil es gar nichts zu geben scheint, das sie Ihnen nehmen kann. Sie können die Dinge verklären. Danach sehne ich mich. Ich stelle Ihnen Jenny zur Verfügung und Ihre Unterkunft, wann immer Sie hier sind. Nein, ich werde Sie nicht bezahlen, es gibt kein Honorar. Aber das, worüber ich nach Belieben verfüge: Naturalien. Da haben Sie völlig freie Wahl. Ich muß, glaube ich, nicht betonen, daß Naturalien auch Menschen sind. Sicher, die Reisekosten auch. Meine Bedingung ist: Paris. Weshalb? Sie sollen wieder da anknüpfen, wo Sie als junger Mann angefangen haben. Sie sollen sich über Ihre Zeit zurückbiegen und darunter den Roman bergen, den Sie mir schreiben werden. Es ist keine Bedingung, aber ich würde es wertschätzen, wenn ich von Zeit zu Zeit, vor Abschluß des Buches, immer mal wieder ein paar Seiten zu lesen bekäme.”
Er schwieg, um sich der Brühe zuzuwenden, die er langsam löffelte.
„Aber weshalb ein Roman?” insistierte ich.
„Romane”, antwortete er, „sind mögliche Schöpfungen. Das habe ich immer bewundert. Wissen Sie, wenn ich Sie kaufen will, dann heißt das nicht, daß ich Ihnen Ruhm verschaffe, oder Macht, oder Geld. Dann heißt das nur, daß ich Sie verführe. Wozu ich Ihnen ein bißchen die Enge nehme, die Ihr Leben begrenzt. Wenn ich Sie bezahlte, hieße das nur, Ihren Widerspruch zu reizen. Stattdessen nehme ich Ihnen Ihre Moral. Widersprechen Sie nicht! Sie sind ein moralischer Mensch, auch wenn Sie’s ungern hören. – Ich freue mich sehr, daß Sie Prunier treffen werden. Ohne ihn, ohne >>>> seine Übersetzung Ihres Romans zu Manhattan, wären Sie mir völlig entgangen. Es ist falsch, Herr Herbst, daß ich alles sähe. Ich bin eine sehr beschäftigte Frau.” Abermals der Löwin Idee: Gott in Frankreich muß ich denken. „Essen wie Gott in Frankreich”, sagte aber er. Manche Wendung versteh ich erst jetzt. „Canard au sang”, sagte er, als die Hauptspeise angerichtet wurde. „Ich habe mich von der Frische des Tiers vor anderthalb Stunden selbst überzeugt, habe ihm Krumen zugeworfen. Glauben Sie mir, ich bin in die Schöpfung nicht minder vernarrt als sie.”
Der Rotisseur selbst tranchierte das Tier, unter M. Terrails, muß man sagen, peinlichsten Blicken. Die Anrichte wurde an unseren Tisch geschoben. Mit grausamer Perfektion wurden die Stücke auf unseren beiden Tellern verteilt, die auf silbernen Untertellern standen. Blut lief hinzu. Mir war das nicht fremd, aber die Maschine war mir fremd, die nun, auf einer zweiten Anrichte, hinzugeschoben wurde: silbern gewichst, klinisch silbern, dachte ich. Das Gerippe wurde darin eingespannt, dann wurde die Presse langsam zugedreht. Es knackste mehrfach, dann gab es ein leises Schreien, ja, ein Schreien, ein Schreien der Knochen, ein Schreien des Marks, das mich an jenen Pfeifton erinnerte, den Hummer von sich geben, wenn das kochende Wasser in ihre Schalen läuft. Über das Gesicht des Gräfin lief ein Zucken, das ich nicht anders kann, als es Verzückung zu nennen. „Dies ist das Beste”, sagte er und stipste seinen rechten Zeigefinger in die warme herausgelaufene Flüssigkeit. „Kosten Sie”, sagte er und hielt ihn mir hin. „Dies ist der Geschmack der Schöpfung.”

10.20 Uhr:
Leserin, ich möchte hier die Erzählung pausieren. Um zwölf Uhr muß ich für Jenny bereitstehen. Ich gehe davon aus, daß sie mich dann abholen und zurück in die rue de Chavreuse fahren wird. Die Zeit, die bis dahin noch bleibt, möchte ich der Löwin widmen. Es ist schwer genug, daß sie fortfährt.

17.17 Uhr:
[Paris, La Nonchalante, re de Chevreuse.]
Sie ist fort. Und es ist schon wieder so viel passiert, das mir den Kopf verwirbelt. „Was willst du denn mit diesem Gestrüpp?” fragte Jenny, als ich herunterkam. „Die nehme ich mit”, sagte ich zur Löwin. Sie hatte es nicht gewollt, daß ich sie zur Métro brächte. „Ich nehme sowieso ein Taxi. Ich mag keine Abschiedsszenen. Nein, du kommst zum Flughafen n i c h t mit, das wäre sonst mit deinem Erzengel gar nicht zu schaffen. Du gehst bitte, ich richte mich hier noch. Es ist m e i n e Entscheidung, daß ich heute schon fliege.” Es sei die Entscheidung ihrer Buchung, dachte ich, sei die Entscheidung ihrer Termine gewesen. Aber ich schwieg. „Die nehme ich mit”, sagte ich und zog die in der Tat schon geradezu trockenen Pfingstrosen aus der hohen Tasse, in die ich sie ersatzhalber gestellt, als ich ankam.
„Was willst du denn mit diesem Gestrüpp?” spottete Jenny.
„Du hast mich geschlagen. Du hast mich in meinem Traum geschlagen. Schau dir nur meine Nase an!”
„Wieso Traum?” fragte sie spitz, nahm mir den Rucksack ab, packte ihn in den Beiwagen, gab mir den Helm. Und brauste mit mir los.
Ich hatte eine halbe Stunde Zeit, mein Zeug abzustellen, dann ging es bereits weiter. Daß die Löwin jetzt auf dem Flug in die Serengeti war, daran zu denken, blieb mir gar keine Zeit. Was mich aber wurmte, s e h r wurmte, das ist, daß es Leser gibt, die bei Details nie genau lesen und sich immer, immer nur vom Augenschein verführen lassen und einem das dann, ihr eigenes Manko, moralisch herumdrehn. Nein, es sind völlig verschiedene Bodendielen, ich habe das überprüft, es sind in den Zimmern der rue de Chevreuse und Lamarck nicht nur zwei, nein, sogar vier verschiedene Hölzer verarbeitet worden. Und daß ich die Pfingstrosen, die der Stein solch eines Anstoßes sind, mich sogar schlampig zu nennen, von La Nonchalante mitgenommen hatte nach Caulaincourt-Lamarck, habe ich vor zwei Tagen sogar eigens geschrieben. Aber die Leute nehmen lieber eine Lupe, um sich an scheinbaren Sichtbarkeiten aufzuhalten, sie bücken sich, um durch Schlüssellöcher zu spitzeln, sie werfen einem alles Mögliche aus dem Schutz ihrer Hecken vor— nur – alles alles das – um nicht den Klang der Geschehen wirklich an sich heranzulassen. Sie mögen Genie nicht, um dessentwegen sich solche wie der Gräfin bemühen, es für sich zu gewinnen. Sondern sie wollen es treten. Ihnen begegnen Löwinnen nicht, nicht Raffaelen. Sie spüren das als Verlust. Aber ich mag weder, noch habe ich die Zeit, mich mit diesen Kleinlichkeiten zu befassen. Gegen halb sieben holt mich Jenny wieder ab. Es wäre mir lieber, sie käme g l e i c h; schon fehlt mir die Löwin zu sehr. Die Pfingstrosen aber, nein, man kann nicht sagen, daß sie es überstanden haben. Das kleine Küchentischchen ist mit abgefallenen Blüten völlig bedeckt, wo sie zerstauben. Sie knistern, wenn einer sie bloß anblickt. So traurig ist das.

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14 thoughts on “Des Silberturmes zweiter Teil, weiters am Montag nachgeholt: Das Reisejournal des 21. Junis 2010. Nun endlich und leider das mit der Ente, nämlich weshalb unser Held, sonst ein Draufbold, nicht nur Vegetarier plötzlich, sondern so seltsam zögerlich ist. Les secrets de Paris (5).

  1. Feierlich auf Milch kauen Dazu brummen die Orgeln kuhwarm.
    Und da sage noch einer, es wäre
    keine Rettung vor der Molkerei
    der frommen Denkungsart.

  2. Vergessen Sie nicht Ihren Auftrag , Mann! Jenny ist instruiert. Und führen Sie es diesmal nicht wie ein Büffel aus.
    Außerdem schwärmen Sie mir derzeit etwas zuviel.

    1. Ich wusste es! Es musste einen Zusammenhang geben. Jenny + der Profi: Wenn ich s o f o r t ein solches Interesse nehme, dann muss es eine Verbindung geben. Und sie (Jenny) ist nicht verschwunden. (Das mit dem Erzengel ist aber Unfug.) JA!
      Bitte suchen Sie Saint-Chapelle auf! (Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber es ist wichtig.)

      Lieber “Herr Profi”, ich habe den Herr Herbst gebeten, Sie von mir zu grüßen, aber ich glaube er vergisst das stets. Also – ich grüße Sie herzlich. Von Ihnen höre ich immer gern!

    2. Nichts wissen Sie an Ihrem See dort draußen. Sollten Sie zumindest.
      Und wenn Sie etwas ahnen, so sollten sie es besser nicht hinausposaunen, sondern vorsichtig werden. Einsam dort draußen
      Herbst einen bestimmten Ort zu einer definierten Zeit empfehlen und das öffentlich zu machen. Madame denken Sie nach. Wenn schon nicht für sich, dann um Anderer willen.

    3. “Definierte Zeit” …- das ist doch wirklich die Höhe: Sonnenuntergang – und der Tag ist völlig offen. Sagte ich etwa heute??? Das ist mir auch eigentlich völlig egal. Nur sehen sollte er (es). Ich bin vorsichtig. Von hier aus.

    4. Göttlich! Liebe Melusine, ich lobte Sie schon an anderer Stelle. Aber die hier vorgestellte Empörung, einfach herrlich. Verstärkt auch durch (drei!) Fragezeichen. Ich höre förmlich den Herrn Profi schlucken. Ihre Schlagfertigkeit ist einfach immer wieder bewundernswert, zeigt sie doch auch ungeahnte Tiefe und Durchdringung. Ihre Edith

    5. Monsieur Profi, ich hätte auch anders gekonnt. (Denken Sie an E.A.). Zum Beispiel so:

      Sie vergriffen sich im Ton, mein Herr. Und irrten gleich zweifach. Ich bin in Rom – und bleibe

      trotzdem

      Ihnen gewogen
      M. v. Barby-Ghiberti

      PS. Ihre Sorge war/ist berechtigt.

  3. Der Frau Löwin nachgerufen. Ich kenn das, lieber Herr Herbst, dieses Hin- und Hergerissen-Sein, ich lebte auch schon einmal in dieser Situation, ich, er und er und er. Konnte mich lange nicht entscheiden. Aber aus Ihren Worten spüre ich schon, daß Jenny, nun ja, aber die Frau Löwin. Kommen Sie, machen Sie sich nichts vor, sie ist es, keine, die so unvergleichlich von Ihrem Arsch spricht, ihn bewundert, aus tiefstem Herzen, vermute ich, keine, die so elegant ihren Schlüpfer auf dem Dielenboden drapiert. Ach, wie ich sie beneide. Uns bleibt immerhin Ihr Selbstbildnis, unten herum, wenn ich das einmal so sagen darf, unten herum aber sind Sie unser Geheimnis, das sie aber kennt. Wir können Ihren Samenspender, angetrieben von offensichtlich festen Pobacken, nur erahnen. Aber allein die Ahnung läßt meinen Puls höher schlagen. Ehrlich! Ihre Edith

    1. @Edith. Ich kann Ihnen da momentan gar nicht helfen. Ich weiß auch nicht, ob ich das bedauern soll, aber das täte ich gerne. Nur daß eben Jenny gepfiffen hat. Ja, sie pfeift, mit zwei Fingern. Stellen Sie sich einen Erzengel Michael vor, der so ordinär pfeift. Das ist der reinste Godard.

      Je vous salue, Edith-Marie!

    2. Lacht herzlich! Nein, nein, lieber Herr Herbst, so war das auch wieder nicht gemeint. Gleichwohl Ihre hellwachen Reflexionen, Ihre rhythmisierten Pointen (Jenny, immer wieder Jenny) und Paradoxien (Godard! Wirklich gut!) verwandeln so einen frühen Abend in eine Sphäre der Unvermitteltheit, Direktheit und Authentiziät.Ja, ich sehe den Erzengel zwischen den Buchstaben Ihrer Prosa, pfeifend, lachend und auf Godard wartend. Muß erneute auflachen, Ihre Edith

    3. mensch, edith, du quasselstrippe, kannste nicht mal einen augenblick die gusche halten. mensch, ehrlich.

  4. „Ich streichelte das linke Löwinnenohr“ Ob man an ihn glaubt oder nicht, das ist nicht die Frage, eines Tages tritt man vor ihn hin, den Gott. Und dieser Gott hat dann Redebedarf. Das ist nicht so ein kleinlicher Spießbürger, der will nicht über Frauengeschichten reden, über etwaige moralische Verfehlungen, das interessiert den gar nicht, der will ganz andere Sache wissen. Der will nicht wissen, was du auf Sizilien gemacht hast oder in Buenos Aires. Der will über Paris reden. Aber nicht etwa darüber, ob vor deinen Augen jemand in die Seine gesprungen ist und es dir zu kalt war, um hinterher zu springen. Flüsse und Wassertemperaturen interessieren den nicht, das ist eine vollkommen absurde Vorstellung von Gott. Der will über Paris im Juni 2010 reden, und er wird dich fragen – und deswegen wär‘s gut, wenn du dir da jetzt schon mal Gedanken drum machst, nicht dass du unvorbereitet bist, wenn es um die Essenz deines Lebens geht und dich Gott nicht etwa bittet, ihm alles genau darzulegen, wie es hierzu und dazu gekommen ist, ob schuldhaft oder nicht schuldhaft, ob Schicksal oder Zufall, Verstrickung oder einfach nur der belanglose Gang der Dinge, das interessiert den alles nicht, das ist nicht so ein kleinkarierter Korinthenkacker (das war mal mein Lieblingswort auf Deutsch), der will von dir nur eine Sache wissen, aber die ist dann auch richtig wichtig, da will Gott sich nicht beschummeln lassen – er wird dich fragen: war es wirklich das linke? War es wirklich das linke Löwinnenohr, was du da gestreichelt hast? Oder war es vielleicht doch das rechte?

    Bei der Beantwortung dieser Frage kann dir niemand helfen. Das musst du ganz allein mit dir und deinem Gewissen ausmachen. Ich kann‘s von hier nicht sehen, die Erdkrümmung hindert mich. Und die Löwin? Wer weiß, ob sie’s es richtig erinnert.
    Aléa

    1. Göttlich! Einfach göttlich, liebe Frau Torik, wie Sie i h n ins Spiel bringen. Ein Engel, dessen emphatische Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten. Hierher rührte Ihre skythische Gepflogenheit, einem großen Schriftsteller über den Kopf zu streicheln, um seine Ausdrucksweise zu verbessern.

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