[Canto Gregoriano, (Coro de monjes del
Monasterio Benedictino di Santo Domingo de Silos), HVN 686a&b.]
Noch verlangsamt. Nach dreiunddreiviertel Stunden Schlafs erst um 4.45 Uhr hochgekommen; mein Traum hatte nach dem Funktions-Digit der Weckerfunktion erst einmal vergeblich gesucht Ich erinnere mich einer gleichermaßen panischen wie lethargischen Fingersucherei auf dem Display des Ifönchens.
Bis 22.30 Uhr hatte ich gelesen, dann noch einen Film im Netz geguckt, aufgedreht noch, obwohl ich mittags diesmal nicht wirklich geschlafen, sondern die Stunde über, aber liegend, halb auf der Seite auch und mit geschlossenen Augen, Furtwänglers Mozart zugehört. So war das Schlafpensum insgesamt auf meine nötigen viereinhalb bis fünf Stunden nicht gekommen (dreieinhalb bis vier Uhr nachts und eine Stunde mittags). Heitererweise findet sich bei Krausser im Mai-Tagebuch von 1992 die Bemerkung:Und fünf Stunden Schlaf sind genug.Leider aber auch die Feststellung, daß Alban ein Anagramm zu banal sei. Das hat mich gekränkt. Er meinte mich aber nicht (wiewohl ich in seinen Tagebüchern bisweilen vorkäme, wie mir der Bachelor-Student vorgestern erzählte, in denen aus der römischen Zeit), sondern meinte eine der Romanfiguren. Trotzdem. Es schmeichelt mir nicht. (Beides). – Egal. Denn, sowieso, es springt aus vielen Texten über Krausser eine verdächtige Gegen-Aggression. Dabei kann sein Genie nicht bestritten werden; allein die Erzählungen sind voll grandioser Einfälle, Sprach-Einfälle, Szenen-Einfälle, und von massivem, oft sehr bösem Witz:Ich versuche, den Menschen sehr höflich zu sagen, daß sie verrecken sollen. Sie dürfen sich gern geschmeichelt dabei fühlen. Die vielen Leute – sie sind alle so gescheit – manche sogar schon gescheitert,ich meine, das ist zudem Rollenprosa, wobei Rolle auch die möglicherweise Pose sein mag, die er in den Tagebüchern – und bei realen Begegnungen – einnimmt; aber auch das hat für die Literatur und die Bewertung der seinen keine Rolle zu spielen, nicht einmal und vielleicht erst recht nicht dann, wenn man „Betroffener“ ist. Ähnlich liegt der Fall bei Rainald Goetz, nur daß der Literaturfreak ist, Helmut Krausser hingegen ein reinwaschner, im Sinn der Kunstautonomie „absoluter“ Romancier. Aber man mag sein Pathos nicht (das sich in den Erzählungen und auch dem Tagebuch noch gar nicht wirklich bemerkbar macht, allenfalls als houellebecq‘sches, und das hat die Kritik ja gemocht), mag nicht, daß er sich nicht sagen läßt, was einer lesen dürfe und was nicht, etwa Ernst Jünger usw. Unvoreingenommenheit ist zu fordern.
Auch von mir selbst, freilich. Denn Krausser sieht auf Menschen böse: er hat einen kräftigen Hang zur zynischen oder wenigstens sarkastischen Abwertung. Das ist mir fremd. Mein Glas ist meistens halb gefüllt, seines meistens halb geleert. Anders in der Musik, da ist das seine sogar voll, nahezu immer. Und in der bei uns beiden gleich kämpferischen Arbeitswut. Anders als ich tendiert aber er nicht zur Verzeihung:Das Licht ist schlecht, das Spielmaterial auch, doch beides gibt‘s umsonst. Eben habe ich einen ungarischen Meister über die Klinge springen lassen, anch nur 23 Zügen. Jetzt will ich feiern. Der Sprung in die Weltranglisten ist geschafft – nach nur sechs Runden. Mein Gürtel wiegt schwer von imaginären Skalps. Der Ungar hat einen Fehler gemacht und bekam das Messer rein. So läuft das. Schach ist Kunstkill. Wissenschaftlicher Kill. Philosophischer Kill.Ich kenne diese Lust am Töten nicht. Zu töten ist für mich mit der Lust zu essen verbunden, nur d a z u muß, eben: muß, getötet werden, nicht des Aktes-selbst halber; ich halte es seelisch mit den Panimisten, die sich bei ihrer Beute bedankten und bei dem Baum, den sie fällten, und sich entschuldigten. Ich meine das als Haltung. Anders als Krausser, bzw. Kraussers Helden will ich nicht triumphieren, wenn ich einen Kampf gewinne. Gewinnen aber will ich auch.
Sehen Sie? Ich formuliere Haltungen vor, die mein Hörstück einnehmen wird. Alles Fragen, die sich mir bei der Lektüre stellen, und zwar eingreifend stellen, sie gehen in die eigene Person und bezweifeln sie. Wogegen man sich wehren muß. Alle Texte Kraussers, die ich bislang las, erreichen das, sie sind nicht egal. Sie bleiben nicht egal. Was ich in den abfälligen Kritiken lese, ist die pure, im psychoanalytischen Sinn, Abwehr: Reaktionsbildungen. Interessant um so mehr, daß sich Krausser tatsächlich eine Lese-Gemeinde erschrieben hat. Darin erinnert er an Maxim Biller, auch an Goetz, nur ist sein Niveau um ganze Weltklassen höher.
Der erste Latte macchiato ist fast ausgetrunken, die Morgenpfeife schmeckt. Bis acht Uhr will ich weiterlesen, dann, nach dem Weckrufen nach Wien, Vorbereitungen zur Reise treffen. Seminar zum kreativen Schreiben in Leipzig, diesmal noch jüngere Leute als >>>> in Bonn. Von heute abend bis zum Sonntag mittag, danach >>>> Der Rosenkavalier; spätabends zurück nach Berlin. Aus dem Hotel werde ich Ihnen sicher wieder schreiben.
Nach dem Wetter schauen: welchen Anzug trage ich. Bücher zusammenstellen, auch eigene, um sie den jungen Leuten zu zeigen; Ricarda Junge hat immer Hamsun dabei, >>>> Phyllis Kiehl gar keine Belletristik, die beiden anderen Trainer, die auch nicht Schriftsteller sind, sowieso nicht. Es geht auch gar nicht darum, junge Dichter zu fördern, sondern die Lust, mit der Sprache zu spielen, einer, die für diese jungen Menschen nicht die ihrer Herkünfte ist. Form(en)bewußte Freiheit im Umgang mit der Sprache bedeutet eine Freiheit im Verhalten, eine Bedingung ihrer Möglichkeit, hätte Kant geschrieben.
Es gibt das Genie: Wichtig, gegens Moderierende der Äquivalenzform, sich dessen bewußt zu sein, zu bleiben oder wieder zu werden. Daß einem dieses Genie nicht unbedingt, ja vielleicht nur in seltenen Fällen, angenehm ist, steht auf einem zweiten Blatt. Die meisten Menschen können das nicht trennen. Was ein bißchen armselig, doch manchmal derart eklig ist, daß auch ich minutenlang mein Mitleid verliere.
9.15 Uhr:
[Josep-Maria Balanyà, Elements of Development
(in Barcelona, erinner ich mich, auf der Straße gekauft, von ihm selbst).]
S t a r k sind diese Tagebücher. Zu meiner Bemerkung oben etwa:Dank sei dem Dreck, der mich lehrte, die Dinge nie rein zu betrachten, abseits des Fettfilms und Rußes und Eiters. Das Blut, das am Marmortorso klebt, die Galle im Nacken, die Scheiße, durch die der Heros waten mußte. Zeigt mir ein Denkmal – ich seh es bepißt, zeigt mir die Schönheit selbst, ich geh die Würmer kraulen, die daran nagen. Dank sei dem Dreck, der mich überzieht und allem Schrubben trotzt. Ich rieche das schwärende Gedärm im Inneren des Porzellanprinzenpaars. Jede Hoffnung ist von Anstandsdamen bewacht, die heißen: Mißtrauen, Zweifel, Erfahrung und Angst.
Krausser, >>>> Tagebücher, 46Was er aber sofort wieder, und das eben ist so spannend, einschränkt (aber nicht zurücknimmt, denn es bleibt ja stehen, und er veröffentlicht es):Blödsinn, was ich eben notiert habe. Mir völlig wesensfremd.Diese Bewegung, gleichfalls, finge ich im Hörstück gerne ein.
Kraussers Betrachtungen und Analysen zur Musik, was eben Kunstmusik meint, die ich meine, wenn ich von E-Musik spreche, und die gemeinsamen Schwerpunktsysteme um Alte Musik und, vor allem, Richard Wagner. Aber kein Wort bei ihm, bisher, über Neue Musik, viel Gesualdo, sehr viel Bruckner, ein bißchen Mahler, aber nirgends, bisher, Stockhausen, Dallapiccola, Scelsi, Maderna, Berio. >>>> Pettersson aber, dessen Musik müßte ihm gefallen.
Unsere Einschätzung vieler derzeit gehypter Literatur ist mitunter erschreckend gleich.
Kehrmann >>>> hat wieder geschrieben. Ich hoffe, heute vormittag noch drauf antworten zu können. Guter Biefwechsel.
von ihm selbst auf der Straße gekauft).]
[Bach BWV 1053 (Gould).]
Manchmal bin ich einfach platt und wollte nur noch >>>> „Thema verfehlt“ schreiben. Außerdem nervt‘s mich, von Leuten, die ich nicht kenne, geduzt zu werden. Da wird so getan, als säße man mitsammen in der Badewanne und putzte sich gegenseitig die Ohren. Ganz, wie sich Affen lausen.
14.53 Uhr:
[Wagner in Glenn Goulds Transkriptionen.
Siegfrieds Rheinfahrt für Klavier solo.]
Aufbruch. Leider war mein Junge bislang noch nicht hier, und ans Mobilchen geht er nicht.
Nun ja. Noch eben den Laptop einpacken. Und ab.
15.41 Uhr:
[Bahnhof Gesundbrunnen.]
Soeben trötet das elektronische Pfeiftrillern. Wir fahren los. Meine Funkverbindung sucht ein Netz, das es unter den dicken Mauern nicht gab, wohin ich gegangen war, um gleich ins Bordbistro zu klimmen. Will die Krausser-Tagebücher weiterlesen während der Fahrt, bin nur noch mal an den Laptop, weil es untern den Mauern des Gesundbrunnens aussah wie Fundamente in Rom. Das paßt, weil Krausser Rom so liebt, – wir bewegen uns in verschiedene Richtungen: er (möglichst schnell) von Napoli weg, ich immer nach Napoli hin. Derart verschieden sehen wir.
drei Punkte Gegen meine noch vor einem Monat vehement geäußerte Ablehnung gegen dase-Book, habe ich mir jetzt einen Reader gekauft. Vorteile: jederzeit, auch bei Dunkelheit, lesen zu können und ein paar andere. Ich habe mir die Handhabung angesehen. Meine schlimmste Aversion war gegen das Haptischen und die Umblättereidauer gerichtet. Beides ist ausreichend gelöst.
Die Schachbeschreibung klingt unglaubwürdig. Was heißt sechs Runden? Wenn das in einem ernsthaften Turnier ist, ist schon vorher in der Liste, wenn man in der Klasse spielt, wo auch Meister sich tummeln. Offene Turniere würden sich anbieten. Aber irgendwie ist das alles nicht so glaubwürdig.
Was das Genie angeht: ich bleibe einmal bei der reinen Intelligenz. Auch die schmerzt schon ganz ungeheuerlich, wenn man andauernd beobachtet, wie die Leute den Rattenfängern folgen.
Das Genie ist nur deswegen unangenehm, weil es vereinsamt.
@Steppenhund zum Schach. Das Zitat ist aus einem Erzählzusammenhang herausgenommen. Krausser ist Oberbayerischer Schachmeister 2001.
Das hier wird Ihnen etwas sagen (aus >>>> wikipedia) herkopiert:
In der Überschrift schreiben Sie: Es gibt Genies. Weiter unten heißt es: Es gibt d a s Genie. Das zweite akzeptiere ich. Eine Fähigkeit, die das Maß übersteigt. Es gibt auch geniale Werke. Dagegen halte ich das Festhalten am Psychogramm des genialischen Menschen für Unsinn. Ähnlich maßloses Verhalten in der einen oder anderen Form zeigen viele, die keinerlei besondere Begabung haben und/oder nie etwas zuwege bringen (denen liefert die „verkanntes Genie“-Selbstdiagnose bestenfalls eine Ausflucht, im schlimmsten Fall führt ihr Weg ins Pathologische). Es gibt auch andere, die Geniales schaffen und als Person ganz unauffällig leben (wenn man so will: „Maß halten“). Ich leugne nicht, dass zwischen Leben und Werk (Ver-)Bindungen bestehen. Doch glaube ich, dass diese wesentlich komplexer sind – und dass das geniale Werk gerade daraus hervorgeht, dass es diese Bande (wohl bisweilen auch zum Leidwesen seines Schöpfers) kappt.
Es ist, übrigens, kein Zufall, dass hier gegen meine sonstige Gewohnheit nur die männliche Form steht: der Schöpfer. Dieses ganze Produktionsmodell des genialen Künstlers, der sich selbst „befruchtet“ und Werke, gleich Kindern, zeugt, ist männlich codiert.
@MelusineB zur männlichen Codierierung. Das liegt schlichtweg daran, daß weibliche Genies versäumt haben, den Begriff auch für sich zu erobern und er jetzt, sie es auch könnten, an Wert verloren hat – was es , was es der, sagen wir, schwarzen Seite der Macht möglicht macht, das Genie zum Entertainer wieder herunterzuzwingen – ein Vorgang, der in der kapitalistischen Logik liegt.
Tatsächlich ist „Genie“ eng mit der Autonomisierung der Künste verbunden: Künstler wurden auch dank dieses Begriffes von servilen Befehlsempfängern zu selbstbewußten und, ja, bisweilen auch selbstherrlichen Individuen. Diese zu beobachtende Selbstherrlichkeit hat aber mit den auch nach der Autonomisierung weiterbestehenden harten Lebensumständen zu tun.
Dies ist aber nur die soziologische, bzw. emanzipatorische Seite des Begriffs; ich glaube, daß es auch eine ontologische gibt, von der Frauen durchaus nicht ausgeschlossen sind. Es heißt übrigens auch das, nicht etwa der Genie – der, lat., Genius ist etwas anderes als das Genie.
Das geniale Werk tut g a r nichts, nicht von sich aus. Die Verbindung wird vielmehr von den Rezipienten gekappt, die nicht ertragen, daß ein Genie eben auch unzulänglich Mensch ist – was sich wiederum oft in seiner Selbstherrlichkeit ausdrückt. Die aber auch ein notwendiger Schutz, Selbstschutz, sein kann – ein Schild, hinter dem man Verletzungen ertragen kann, unter denen „normale“ Menschen zusammenbrechen würden.
„…daß weibliche Genies versäumt haben, den Begriff auch für sich zu erobern“ – ich bestreite, dass diese „Eroberung“ eine Möglichkeit war oder ist.
Richtig ist, dass Genie-Kult und Kunstautonomie historische Konzepte sind. In eben jenen Kontext gehört – und das hat Folgen – auch die Ausbildung der Dichotomie der Geschlechter als „natürlich“. Im „autonomen Kunstwerk“ (vor allem in den Romanen) kommt es zur Aufwertung des B i l d e s der Frau wie zur Aufwertung der betrachtenden und lesenden (d.i. passiven) Frauen. Im B i l d der Frau (über das die männlichen Künstler auch sich ausdrücken) wird nicht zuletzt der Widerstand gegen eine bloß auf Zweck und Nutzen orientierte „männliche“ Arbeitswelt des beginnenden Industriezeitalters ausgedrückt.
Diese historischen Konzepte formen natürlich Selbstkonzepte (von Künstler:inne:n und Rezipient:inn:en). Dennoch beharre ich darauf, dass sie streng zu trennen sind von der individuellen psychologischen Diagnose. Es stimmt sicher, dass „Selbstherrlichkeit“ ein Reflex ist auf Ablehnung, die viele erfahren, die irgendwie „anders“ sind. Es stimmt auch, dass Frauen sich nicht als Genies sondern als Hysterikerinnen ausgedrückt haben, weil das für sie ein Weg war (und ist?) Andersartigkeit (und Uneinverstandensein) „auszudrücken“, der als Konzept, in das frau sich „kleiden“ kann, existiert. Doch einen einzelnen Menschen (Künstler:in oder nicht) möchte ich nicht von solchen Konzepten (wie eben auch „Genie“eines ist) verstehen.
Dass und ob „Werke“ etwas „tun“ können, darüber könnten wir jetzt sicher noch lange streiten. Das sprengte aber den Rahmen hier. (Obwohl es zum Thema gehörte – also keine Themaverfehlung wäre).
„möchte ich nicht von solchen Konzepten (wie eben auch „Genie“eines ist) verstehen“. Ich ‚möchte‘ das nicht nur, sondern w i l l es und tu es auch: weil eine enorm lebensbejahende Kraft darin liegt, die dennoch scharf Widerstand leistet: gegens Funktionale an sich wie besonders gegen den Anspruch, der Künstler habe zu entertainen. Zu diesem Widerstand gehört, Kunst emphatisch nicht nur zu begreifen, sondern sie so auch zu fühlen und zu leben. Opfern wir, aus nachvollziehbaren rationalen Gründen, den Geniebegriff, so opfern wir notwendigerweise die Kunst auf den Altären des Kunsthandwerks und der Quote: indem wir sie ‚vernünftig‘ demokratisieren, machen wir sie abstimmbar.
Ohne Opfer muss es gehen, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Gut protestantisch weiß ich, dass kein Opfer Gnade bringen kann. Dass ich der Quote huldigte oder vor Altären das Knie beugte (da bin ich eher steif!), halte ich auch für ziemlich unwahrscheinlich.
Interessant ist der Hinweis auf das Kunsthandwerk. Der Zusammenhang zwischen diesen Dichotomien: Weiblichkeit – Männlichkeit (als Natur), Privat – Öffentlich, Kunsthandwerk – Kunst, Dilettantin- Genie – mich interessiert er als ein historischer. Dass darin ein großes Widerstandspotential steckte, weiß ich sehr gut. Ich bin allerdings überzeugt: Wir stehen gegenwärtig an einer Epochenschwelle von ähnlicher Umkehrkraft wie jene, die diese Dichotomien erzeugt hat.
Vielleicht werden wir lernen ganz unvernünftig wieder über die polierte Nase eines Delfter Schrankes zu fahren und dabei einen Schauder zu verspüren, den keine Abstimmung je erzeugen könnte. Nein, ich weiß, dass dies ein bloßer Traum bleibt. Trotzdem: Die Utopie, dass einmal niemand mehr sich mit Ikea zufrieden gäbe… und Kunst entstünde, die nicht – wie auf die junge Frau, die ich einmal war – ausgrenzend wirkte (so dass ich zwanzig Jahre gebraucht habe, um die – falsche – Abneigung, die Ihr junger Freund auf der Dresdner Parkbank gegen die Oper als gesellschaftliches Distinktionsmittel äußerte, zu überwinden und mich hinreißen zu lassen von der Musik), diese Utopie bleibt.
Ich rede keiner „Demokratisierung der Kunst“ (was für ein Unfug!) das Wort, wenn ich den Genie-Begriff historisch begreife und damit eben nicht als etwas Wesenhaftes, sondern als eine Ausdrucksform. Kennen Sie Svetlena Alpers „Rembrandt als Unternehmer“? Da kann man nachlesen, wie beispielhaft e i n e r die Werkstatt in ein Genie-Unternehmertum wandelte. Mit großem Gewinn, übrigens, – künstlerischem! (Und, selbstverständlich, ging er als bürgerlicher Unternehmer pleite.) Dennoch, obwohl ich diese Errungenschaften sehen kann, liebe ich a u c h weiter die großen Gemälde aus Rubens Werkstatt- und barocke Kommoden.