Verlorene Strukturen Oder Die Seele. Oder. Und doch ein harter Kern. Arbeitsjournal. Freitag, der 24. März 2012. Mittags aber Mittagsglück: für die Novelle.

8.43 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Nun aber r i c h t i g verschlafen. Es ist ein wunderschöner Frühlingstag. Ich habe ganz früh den Amselhahn nicht singen hören, mich statt dessen in leichten Miesträumen gewälzt. Brauche wieder Struktur. Die Löwin sagte gerade am Telefon, ich hustete noch so sehr, daß der Körper den Schlaf wahrscheinlich einfach brauche. Ja, das mag stimmen, geht dennoch am Kern der Sache vorbei. Ich kann es mir schlichtweg nicht leisten, derart, wie gestern, mich von Angriffen berühren zu lassen, habe viel zu viel dafür zu tun. Mich lenkt sowas ab, ich hab keine Schutzhaut, es geht mir alles nah. Eine „Kritik“ wie >>>> die da beschäftigt mich sowieso tagelang, trifft mich; ich habe nicht die Distanz zu sagen: ach, die Leser werden schon wissen… Sie wissen eben n i c h t, jedenfalls handeln sie nicht entsprechend, sondern, wenn ich nicht dauernd tätig bin, gehen meine Bücher unter. Ein Buch, das nicht gelesen wird, ist nicht da. So einfach ist das. Es ist nie geschrieben worden.

Mich quält das. Gelesen werden kann es aber erst dann, wenn es wie auch immer erworben wurde. Ich möchte meine Dschungelkritiker mal sehen, wie s i e damit umgingen, unter einem Buch, das sie Lebenszeit gekostet hat und mit Leidenschaft in die Welt gesetzt wurde, statt dessen solch einen Müll lesen zu müssen, der auch noch stehenbleibt. Im Fall >>>> Meere liegt die Sache n o c h schlimmer, weil nicht bloß Dummheit, sondern Gehässigkeit im antreibenden Spiel ist.

Vielleicht hat die Löwin recht, wenn sie sagt: „Die wissen nicht, was ein Künstler ist, das können die sich gar nicht vorstellen. Wenn bei mir so etwas drunterstünde, könnte auch ich nächtelang nicht schlafen. Aber vielleicht zeigte ich das nicht so wie du.“
Wahrscheinlich hat mich überdies das Kranksein mitgeschwächt. Was ich auch schon nicht leiden kann. Jedenfalls dachte ich gestern nacht, nachdem eine letzte, na ja, „Verteidigungs“schrift geschrieben war: ich darf mich damit nicht weiter befassen, es ist zu viel zu tun. Abgabetermine nahen. ARGO wartet vor sich hin, jetzt seit fünf Jahren, ich muß das angehen.

Also wollte ich heute zur Früharbeit wieder einmal in den >>>> DTs einen Strukturplan schreiben, an den mich zu halten mir erneuerte Routine werden sollte. Aber der kleine Verlag weiß noch immer nicht, wie er das Riesenprojekt finanzieren kann, so daß ich abermals ins Leere, wenigstens ins Ungewisse hinein arbeiten werde. Das lähmt, nimmt mir die Zuversicht. Es arbeitet sich skeptisch nicht gut. Ich brauche Feuer für meine Arbeit, Glaube, Lust. Weiß aber, daß die sich über Routine gewinnen lassen, wenn man nur nicht mehr nach links und rechts schaut, sondern einfach durchboxt, was man vor Augen hat: es sich erkämpft.
Das mit der Früharbeit klappte aber nicht. Gut. Nein: schlecht. Aber: Also. Dann ab Morgen. Strukturplan heute abend. F ü r ab morgen. Etwa so: Frühmorgenarbeit, 5 Uhr bis 9 Uhr: ARGO. Dann 9 Uhr bis 11.30 Uhr das neue Hörstück (Abgabe: Mai). 11.30 Uhr – 13 Uhr: Cello. Mittagsschlaf: 13 Uhr bis 14 Uhr. Ab 14.30: Hörstück. Bis zum Abend, vor allem, jetzt noch: lesen, lesen, lesen (Galouye). Um 18 Uhr vielleicht noch mal ans Cello, wenigstens Duos mit meinem Jungen spielen, dreißig Minuten, vielleicht eine Stunde. Und ich muß mir angewöhnen, was mir schwerfällt, die Zeiten nach 20 Uhr auch noch für die Arbeit zu nehmen, jedenfalls bis das Hörstück fertig ist.
So der grobe Plan. Den täglich regelrecht abarbeiten. Zwischendurch mal bißchen Post, außerdem meinem Jungen bei den Schulsachen helfen.
Die Familie fährt über Ostern zur Großmama meines Jungen. Was mir stärker wehtut, als ich zeige. Der Junge bliebe auch lieber hier, möchte, daß alle beisammen sind; ich rede ihm sanft zu der Reise zu, gegen meine eigenen Wünsche. Er hat nichts davon, wenn er sich sperrt, soll das genießen, seine Verwandten zu sehen. Daß ich von sowas ausgeschlossen bin, soll er nicht mittragen müssen. Egal. So habe ich Ostern – ein Fest, dessen Hoffnungsfarbigkeit ich liebe – für die Arbeit gewonnen. So muß ich das sehen. Der Junge kommt schließlich zurück.

Bin seit vier Tagen ungeduscht und unrasiert, hab jetzt ‘nen ziemlich dichten Bart, und das Haar sprießt dazu an den unangebrachtesten Stellen. Weshalb ich den Tag nutzen werde, mich zu konsolidieren. Nach der Lektüre gleich. Also erstmal was tun. Dann das Bad. Das Wetter will den ersten hellen Anzug des Jahres. Dann die Ofeninstrumente, Bleche, Eimer in den Keller tragen. Ende der Heizperiode: das symbolisch machen. Ein Ritual.
Heute morgen sah ich, daß das Kranksein meinen Füßen die alte schmale Form zurückgegeben hat, die ich immer mochte; sie war seit der harten Gelenkstauchung von vor anderthalb Jahren verlorengegangen. Jetzt sieht man wieder jeden Knochen, jede Sehne. Das nehme ich als Zeichen.
Nicht vergessen darf ich das Gedicht, daß ich >>>> RHHP für sein Streichquartett versprochen habe. Außerdem muß ich heute noch, dringend, einen Untertitel für meinen Aufsatz finden, der >>>> in dem Opernbuch für Homoki steht.

Leckt mich doch einfach am Arsch. Ich habe zu arbeiten.

10.22 Uhr:
Jetzt bin ich >>>> doch wieder eingestiegen. Ich brauche einen Ort ohne Netz. Aber es ist unfaßbar, mit welcher Hingabe sich Menschen >>>> auf die Seite der Täter schlagen, selbst dann, wenn sie eigentlich klug sind. Der Geschlagene soll schweigen und nicht sagen, daß man ihn schlug. Dann, vielleicht, ist man bereit, nach der Gerechtigkeit zu schauen: nach jener nämlich von Gönnern. Wieso das so ist, weiß ich noch nicht. Aber ich finde es heraus.

13.18 Uhr:
Knapp anderthalb Stunden am Cello gewesen. Das ist wohltuend. Aber >>>> das dort jetzt macht mich fast glücklich, vor allem nach dem Streit, den Der Bücherblogger und ich hatten. Aber auch sowieso. Auch wenn ich wirklich, als ich den Text schrieb (den ich ja zweimal schrieb, einmal direkt in Echtzeit ins Netz, dann noch einmal bei der Umformung für >>>> das Buch), nicht eine Sekunde an den Literaturbetrieb gedacht habe; als Interpretation ist das aber schlüssig. Wenn ich so drauf bin, wie ich beim Verfassen dieser Novelle war, denke ich tatsächlich nie an den Literaturbetrieb. Der spielt hier, in Der Dschungel, eine mächtige Rolle, in den Büchern aber kaum.
Bin erschöpft und seltsam traurig, mit diesem Kringel Glücks darauf (mehr als ein Kringel, aber ich muß es erst fassen).
Schlafen jetzt.

Eigentlich ist mir danach, Danke zu sagen.

22.21 Uhr:
Ich lese und lese. Eine wunderschöne Galouye-Geschichte grad: „Landsitz“, mit einem Ende aus Glück. Seltsam zugleich. Diese grobbrutalen Flegel Mensch.
War auch draußen für zwei Stunden, ebenfalls, um zu lesen. Letzte Sonnenstrahlen am Helmholtzplatz. Heller Anzug, aber ging die Sonne hinter die Häuser, wurde es kühl. Doch hatte ich den Ledermantel dabei.
Von dort zum ersten Speiseeis des Jahres, Treffen mit meinem Jungen. Danach in die Arbeitswohnung, er ans Cello, nach einer Stunde auch ich wieder ans Cello für dreivier unsrer Duos.
Seit er weg ist, lese ich wieder in den Galouye-Büchern, nur zwischendurch gab’s noch einen Teller der Hühnesuppe, die ich vorgestern kochte. Den nun noch gebliebenen Rest als Fonds einer späteren Speise eingefroren.
Und eben >>>> mein DTs für morgen entworfen. Bin gespannt, ob ich das mit 4.30 Uhr Aufstehzeit spontan wieder schaffen werde. Erfahrungsgemäß aber, wenn ich sowas eingestellt habe, krieg ich’s schon deshalb hin, um mich nicht zu blamieren.
Ein bißchen les ich jetzt noch. Dazu: Wein. Er ist leider nicht sonderlich gut. Meinen Hauswein hat Penny leider aus dem Programm geworfen.

6 thoughts on “Verlorene Strukturen Oder Die Seele. Oder. Und doch ein harter Kern. Arbeitsjournal. Freitag, der 24. März 2012. Mittags aber Mittagsglück: für die Novelle.

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