Aura. Die zweite Fassung der Montage. Die Vorhänge der Wirklichkeit (10).

Das war nicht vorherzusehen gewesen und so auch nicht beabsichtigt, daß dieses Hörstück möglicherweise eines meiner bisher wichtigsten geworden ist. Seit heute nachmittag sitzt alles.

Das liegt nicht nur an den Stimmen der teils sehr alten Leute, die jetzt hineinkommentieren, oft surreal, wie aus einem Off von Jenseits, auch gar nicht eng mit der Spielhandlung verbunden, und an ihren Seufzern, bisweilen einem „ach“; manchmal ist der Satz nicht wirklich zu verstehen, weil zwei dieser Menschen gar nicht mehr prononzieren konnten; sondern das Hauptproblem war bislang der zu grobe Schnitt, der nicht an der Schnittechnik, sondern an sich vordrängenden Hintergrundgeräuschen lag. Wenn man „im Freien“ aufnehmend arbeitet, bleiben störende Frequenzen nicht aus. Broßmann war der erste, der das während eines Probeabhörens monierte, und ich wußte da sofort, daß ich um Legierungen nicht herumkäme, also doch wieder: Musik. Aber ich wollte nicht sampeln, wie Sie wissen, wollte nicht ein weiteres Mal auf schon vorhandene Musik zurückgreifen, weil dies immer einen anderen semantischen Aspekt in ein Stück gibt – so, wie ich das bislang auch immer im Sinn hatte, nur eben diesmal nicht.
Also doch realisieren, was ursprünglich meine Idee gewesen war: alle Musik selbst einspielen, an Cello und Akkordeon. Letzteres eignet sich besser, da die Stimmung des Instrumentes sowohl temperiert ist als auch etwas Ungefähres über die vielen Register hat. Das Cello ist problematischer, denn jede Spielschwäche wird laut. Also galt es da einerseits, solche Schwächen zum Konstruktionsprinzip zu machen und vor allem: erst einmal eine halbe/dreiviertel Stunde des Improvisierens einfach mitzuschneiden, dann das File abzuhören und aus ihm extrahieren, was paßt. Ich unterteilte folgendermaßen:

Dann, nachdem die Stimmen der alten Menschen in die Montage eingearbeitet waren, ging ich Sekunde für Sekunde durch das ganze Stück, wählte aus den Rubriken fünf Tonfiles aus, die ich zurechtschnitt und jeweils unter die Übergänge legte, dabei auch neue Übergänge schaffend. Ein Fehler widerfuhr mir, weil ich einmal vergaß, etwas über alle Spuren zu verschieben. Das lag daran, daß ich mich auf elf Spuren beschränkt habe, wie nach Plan eigentlich; aber ich hätte jetzt zwei zusätzliche Spuren gebraucht, die ich indessen, selbst auf dem großen Bildschirm, nicht alle zugleich im Blick gehabt hätte. Das war mir indes wichtig. Also mußte geschummelt werden, d.h. die an sich >>>> fest definierten Spuren wurden an Leerstellen „fremd“verwendet. Wenn einem aber dann ein Versehen passiert, geht bei den Hunderten Schnitzeln, die verarbeitet werden, die furchtbare Fisselei eines je einzelnen Korrigierens los. War so heute. Eine klitzekleine Unaufmerksamkeit genügt. Der Vorteil solcher Fitzelei, die im gemieteten oder festgebuchten Studio eine Katastrophe wäre, weil man nicht mehr rechtzeitig fertig wird, besteht schlichtweg darin, daß alles abermals aufs genaueste abgehört werden muß. Ich habe drei fugierte Sprachstellen in dem Stück, die über fünf Spuren gehen (eigentlich über alle elf); da war am meisten zu fummeln.
Den Anfang habe ich noch leicht verändert, damit ich eine Formklammer hatte; man arbeitet bei Motiven mit Wiedererkennungseffekten, oft nur einsekündigen, manchmal ist schon das zu lange.

Enorm dicht ist das Stück jetzt jedenfalls, und die Stimmen der alten Menschen geben etwas Unheimliches hinein, das dem, was Galouye gemeint hat, auch völlig entspricht: was er gemeint, nicht was er de facto formuliert hat; ich bin mir durchaus bewußt, daß ich seine an sich simplen Stories deutlich erhöhe; nichts anderes hat auch Faßbinder in „Welt am Draht“ getan. So etwas ist das Kennzeichen vieler großer, wenn sie also gelungen sind, Be- und Verarbeitungen. Selbstverständlich geht das, aber sehr zugunsten der Poesie, auf das Dokumentarische; besonders dort, wo ich – meine Redakteurin wird wahrscheinlich schlucken – den >>>> Absagebrief der Faßbinder-Foundation einmontiert habe – eine entsetzlich beklemmende Szene des Stücks. So ist mir das jedenfalls heute mehrmals vorgekommen.

Dann waren wenige Szenen noch einmal zu konturieren, Zwischeneinwürfe der Sprecher teils an andere Stellen zu kopieren, was natürlich Folgen für schon legierte Übergänge haben kann und hatte. So daß ich morgen noch einmal aufs lauschendste abhören muß und abermals hier und da werde modifizieren müssen. Immerhin bin ich jetzt exakt in der Zeit: 54‘40‘‘. Unter dem Epilog, der nach der Absage gesprochen wird – auch dies eine kleine Unmöglichkeit für den Rundfunk – liegt nun eine Montage der wichtigsten Cello- und Akkordeon-Motive; das verleiht Galouyes Text sowohl etwas Schwebendes wie Dunkles.

Jedenfalls, ingesamt: Ich bin zufrieden und werde morgen abend diese Arbeit so weit abgeschlossen haben, daß meine Redakteurin sich das Ergebnis für etwaige Kritik anhören kann. Da wird es dann abermals heißen: Dank an die >>>> Dropbox.

Galouye 10 <<<<
>>>> Annoncement der Sendung mit Trailer.

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