Diesmal mit Vampiren. Das Argo- und GalouyeJournal des Mittwochs, dem 16. Mai 2012. Mit alten Menschen und Unter anderem zur Hausverwaltung.


Argo-TS 535neben & 535
9 Uhr:
[Arbeitswohnung.]

Dreieinhalb Stunden zur Nacht geschlafen, wir waren fast bis halb eins >>>> in der Bar gestern abend, Broßmann, der Profi, ich. Saßen draußen, um zu rauchen, der Profi fror sehr schwer. Dabei saß er unter dem Glühpilz. Mit Broßmann Reifen an Reifen zurückgeradelt: Luetznuttenstraße, links scharf ab, Kanal und Tiergarten, Brandenburger Tor, Unter den Linden hinauf, an der >>>> Komischen Oper vorbei, an der Staatsoper vorbei, der Liebe Knechtes Straße, schon unser Berglein und rauf. Noch die Löwin angerufen, dann ins Bett. Um zehn nach halb fünf hoch, Pavoni usw., um fünf vor fünf am Schreibtisch gesessen und ausgezeichnet vorangekommen, fast sieben Seiten Argo überarbeitet.
Dann den Scanner angeworfen für die Typoskriptseitenproben, mich über Picasa, abermals, geärgert, die DTs‘e skizziert, ans Arbeitsjournal.
Abends bin ich von Der Linken zu einem privaten Treffen eingeladen; ob ich hingeh, weiß ich noch nicht; es geht selbstverständlich ums Urheberrecht. So viele Urheber finden sie nicht, die so dagegen sind. Ist ja auch ein bißchen bizarr. Mich interessiert die ästhetische Seite aber immer mehr als die ökonomische, die ich schon irgendwie, auch wenn es eng ist, zurechtbiege. Ich bin ich erster Linie auf der Welt, um etwas zu erschaffen, nicht um zu konsumieren. Der Satz klingt aber radikaler, als sein Inhalt zu sein scheint: auch hier geht‘s um Genuß.
Muß gleich los, um in einem Altersheim Stimmen aufzunehmen. Mit fiel sehr auf, daß es in meinen Hörstücken so gut wie nie alte Leute gibt; das spiegelt die gesellschaftliche Realität, zwar, aber eben drum ist ihr zu wehren. Wenn ich zurückbin, geht es dann direkt an die Endmischung des Galouye-Hörstücks, mit der ich bis zum Freitag abend fertigsein möchte, vielleicht schon vorher, so daß meine Redakteurin am Wochenende schon mal hören und danach kritisch anmerken kann für eventuelles Nacharbeiten.

Über meine Hausverwaltung habe ich mich geärgert;: seit einem halben Jahr operiert man von dort mit einem schriftlichen Umgangston, der die Funktionärs-Kapos der DDR wiederauferstehen lassen will, als wären die nur untot gewesen. Vampiren gehört ins kalte Herz ein Pflock, sonst breiten sie sich aus. Also werd ich van Helsing befragen, Peter Cushing war der beste.

15.24 Uhr:
Abermals extrem tief unter der >>>> magischen Decke geschlafen, zu Mittag, nachdem ich von den Tonaiufnahmen zurückwar und Cello geübt hatt, dies allerdings nur eine statt anderthalb Stunden; ich werde die fehlende halbe Sunde noch nachholen.

Ergreifend, durch so ein Heim zu gehen, dessen Bewohner zu 80 bis 90 Prozent dement sind; es gibt auch jüngere Demenzkranke in einem eigenen Stockwerk; ich hätte hineinschauen dürfen, mochte aber nicht, nicht nicht aus Scheu, sondern, so drückte ich das auch aus: „Es ist kein Zoo.“ Entsann mich sehr meines Zivildienstes. Wir sprachen mit den noch hellen Menschen, fünf sprachen für das Mikrofon, lasen gut, eine alte Dame geradezu hinreißend. Unterhielten uns auch etwas über das Leben-für-sich.

Als ich zurückkam, fand ich den nächsten Liebesbrief der Hausverwaltung, wieder in diesem Kapo-Ton: Wir fordern Sie nachdrücklich auf! Es geht darum, daß einige Mieter, unter anderem auch ich, außen an ihrer Haustür einige wenige persönliche Zeichen angebracht haben, bei mir ist es etwa ein barock-surreales Bild aus Tiger und Frau und tropischen Blumen von Briefumschlagsgröße. Daneben hatte ich zwischen meiner und der Haustür meiner Nachbarin einen Druck >>>> meines Strombolibuches gehängt. Den riß man ab und legte das Blatt mitsamt dem Liebesbrief vor meine Tür.

Es wurde uns Mietern, allen, auch untersagt, etwas Eigenes an die Briefkästen zu kleben; die Beschriftung, vorgenommen von der Hausverwaltung, dürfe nicht verändert werden – dies ebenfalls im Ton der Drohung. Eine Rücksprache bei meinem Anwalt ergab, daß die Aufforderung rechtsunwirksam ist. Ich solle den Brief einfach ‚Ablage senkrecht‘ entsorgen, – aber „reagier nicht darauf; manche Bälle hält man flach“. Sie werden mir aber allmählich zu oft geworfen. Ich wohne hier seit 1994, bin, glaube ich, als Mieter der älteste aller; solch ein Ton ist völlig neu.

Egal, später; erst einmal an die Galouye-Montage.

4 thoughts on “Diesmal mit Vampiren. Das Argo- und GalouyeJournal des Mittwochs, dem 16. Mai 2012. Mit alten Menschen und Unter anderem zur Hausverwaltung.

  1. Wenn Sie Glück haben, ist in der Seniorenresidenz ein Geburtstag zu feiern, bei dem Kinder des benachbarten Kindergartens singen. Die Tochter einer Freundin ist, das hörte ich letztens, bei solch Feierlichkeit oft im Einsatz. Dann hätten Sie Alt und wirklich Jung zusammen auf Band!

    1. @Schlinkert & Hütt. Danke an Sie beide!
      Ich habe die Stimmen alter Menschen jetzt und fange gerade damit an, die Tonfiles zu schneiden. (Die älteste Dame ist einhundertsechs).

      Zu Daniels übrigens großartigem Film, den ich schon vor Jahren sah, kurz nach seiner Uraufführung: die alten Menschen sollten, bat ich, kurze Sätze Galouyes sprechen. Insofern ist Il bacio di Tosca nicht geeignet. Was die urheberrechtliche Seite anbelangt, hätte ich bei Schmid selbst gar keinen Zweifel, daß er mir Töne überließe, schon aus künstlerischer Kollegialität; eine andere Frage ist es, ob auch sein Produzent es so hielte, bzw. sein Vertrieb. Ich kenne allerdings die grundsätzliche Rechte-, nämlich Eigentumslage bei Filmen nicht.

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