13 thoughts on “Cobweb Handwriting. James Joyce: Giacomo Joyce. Neuübersetzung (2).”
Spinnenfäden Handschrift. Joyce-Version ANHs.
Spinnenfäden-Handschrift, langgespannt und zart von einem leisen Hochmut und ergeben: eine junge Standsperson.
[„Ergebenheit“ scheint mir eine sensiblere Übersetzung
für „resignation“ zu sein als Reicherts „Resignation“, die
das Mädchen deutlich älter macht, als sie ist. Meine Ent-
scheidung für das Adjektiv, wiederum, gründet sich auf dem
projektiven Akt des begehrenden Mannes. Da, >>>> wie Reichert
übersetzt, „Spinnweb“ eher das ganze, vollendete Netz meint
als einen einzelnen Faden, finde ich – für eine Handschrift –
die Übersetzung „Spinnenfäden“ als eher angemessen.
Ein Netz ist zirkulär, der Spinennfaden selbst ist das,
wie der Schreibvorgang, nicht.
„Standsperson“ schließlich bringt die Klasse auf den Punkt,
über die wir >>>> schon gestern diskutierten : Mach Er
bonne mine à mauvais jeu,/so bleibt Er quasi doch noch
eine Standsperson>>>> mahnt die Maraschallin an.
Außerdem spiegelt das „Standsperson“ ihr die Schnippischkeit
zurück: Joyce nimmt den erotischen Fehdehandschuh auf.]
Das ‚traced‘ bezieht sich sowohl auf das ‚long‘ wie das ‚fein‘, es sollte also ‚lang und zart (warum nicht: fein?) gespannt‘ heißen. Weiterhin kann für mich ‚a young person of quality‘ gut ohne die Verdrehung als ‚eine junge Person von Stand‘ übersetzt werden, ohne an der von Ihnen so geschätzten Schnippischkeit zu sparen – auch wenn diese nach meinem Empfinden damals wie heute nur Mitgliedern älterer Geburtskohorten erotisch anmuten mag.
‚Ergebenheit‘ für ‚resignation‘ gefällt mir wiederum sehr gut, aus dem ‚leisen Hochmut‘ würde ich allerdings eine ‚leise Verachtung‘ machen, die einer ‚gespannten‘ Handschrift etwas Spannenderes (in der Beziehung der Schreibenden zu einer Äußerung ihrer selbst) als bloßen Hochmut beimischte.
P.S. Meine Anmerkung überschnitt sich leider mit der Fassung des Herrn Schulze, die sie im wesentlichen erledigt und überflüssig macht –
bis auf den Seitenhieb wg. Erotik 😉
„auch wenn diese nach meinem Empfinden“ Nun ja, Sie sind kein Mann und, meiner Vermutung nach, auch niemals einer gewesen. Ich selbst war schon mit achtzehn von „Zicken“ fasziniert, das hat sich nie geändert. Diese bestimmte Zickigkeit, die auch schwere Launischkeit sein kann, garantiert, daß es niemals, vor allem nicht im Bett, langweilig wird. Fehlt sie, legt sich, zumindest für mich, die erotische Attraktion schnell ab – zugunsten von etwas, das sich nicht von ungefähr spöttisch „innere Werte“ nennen läßt.
In Joyces Text wittere ich genau diese Attraktion. Zu viele Schlüsselwörter gibt es, als daß es anders sein könnte: die Nervosität, der Hochmut, die „quizzing-glasses“ (bei einem jungen Mädchen!, das erst an der Schwelle zur Frau steht) usw.
Helmut Schulzes Vorschlag wiederum ist mir zu kontemplativ: betrachtet ohne Begehren.
„disdain and resignation“
resignation ist ggf. als Zurückhaltung übersetzbar, nicht Ergebenheit, sondern vernunft- und/oder standesgeschuldete Zurücknahme
… mit leisem Hochmut und Zurückhaltung: eine junge Person von hohem Stand.
(die „Schnippischkeit“ bleibt erhalten, die in meinen Ohren unangemessene Härte der Standsperson wird abgemildert)
@magari zur Zurückhaltung. Reichert übersetzt so: „eine junge Person aus gutem Haus“, was mir viel zu wenig, viel zu gemütlich ist. Auch empfinde ich „Standsperson“, gerade in hofmannsthalschem Sinn, in gar keiner Weise als hart, lediglich als verpflichtend, was wieder mit Ihrer „Zurückhaltung“ gut zusammenpaßte. Überhaupt ist Zurückhaltung ganz sicher gemeint; es ist aber als Wort nicht schön in diesem poetischen Text. Außerdem erlaubt „resignation“ die Ergebenheit, die der blickende Mann da imaginiert. Ich habe mich eben deshalb für „ergeben“ entschieden, weil ich, anders als Reichert tat, den erotischen Kontext ganz besonders betonen will, der Antrieb des gesamten Textes ist. „Zurückhaltung“ ist aber sicher näher am Original: und als eine zu brechende fügte auch sie sich in die Intention.
Wir werden das wahrscheinlich noch lange diskutieren. Hier bin ich besonders auf Schulzes Version gespannt, mit der am Nachmittag zu rechnen ist.
Ein Spinnengewebe die Handschrift, lang und fein gezogen, ihre abschätzige, ergebene Ruhe dabei: ein junges Ding aus gutem Hause.
ich bin nicht ganz mit „Standsperson“ einverstanden, es setzte einen hohen rang in der gesellschaft voraus. man sollte daran denken, daß es später bei der beschreibung des familienspaziergangs von ihrem vater heißt: „the Grand Turk and his harem.“
Der Türke mit Harem spricht aber f ü r einen hohen Rang, schon insofern, als ein Harem allein von (islamischen) Standspersonen finanzierbar wäre. Dennoch verstehe ich den Einwand.
„Ding“ ist mir zu sehr von oben herab, zu altväterlich verniedlichend. Außerdem spürt der Autor ja i h r e n Hochmut. Jedenfalls bliebe ich auf jeden Fall bei „Person“. Und „Hochmut“ ist passender als vor allem, Abschätzigkeit. Ferner finde ich, daß das „dabei“ die avisierte ursächliche Verbindung von Handschrift und Charakter trennt. Und weshalb nicht der dünnen hochgezogenen Schrift die „Fäden“ lassen, anstelle zu einem Gewebe zu abstrahieren, das auch sowieso dann immer schon seinen Abschluß mit im Bild hat. Den Schreibvorgang, von dem Joyce erzählt, sehe ich aber gar nicht abgeschlossen, sondern er sieht ihr beim Schreiben zu, das eben gerade im Gang ist.
Das Testosteron hineinzubringen, haben wir noch viele viele zeilen und noch bessere gelegenheiten, als es gleich in den anfang kräftig hineinzupumpen. was ich sehe: eine neue schülerin, „shy“, „nervous“, bringt gerade mal ein „yes“ hervor, woraufhin sie gleich verlegen lachen muß. er beobachtet, registriert die signale. sie ist sicher keine expertin der verführung, dafür scheint sie nicht wirklich welterfahren, also doch „ein junges Ding“. hochmut selbst ginge im englischen eher in richtung „pride“. sie ist eher verlegen und versucht das zu überspielen. soweit meine sicht. – zum „Türken“: die stelle ist ganz offensichtlich ironisch, außerdem ist noch zu berücksichtigen, daß in ihrem zusammenhang auch noch ein jüdisches konnotat auftaucht. – und: meine version sehe ich nicht als kontemplativ, sie versucht fürs erste, der neugier zu folgen, und beobachten ist nicht kontemplieren.
@parallalie zur Beobachtung. Dennoch hätte ich hier schon gerne den Reiz mit drin. Was hälst Du davon, wenn wir statt „ein junges Ding aus gutem Haus“ einfach schreiben: „eine junge Dame“? Dann hat man alles eigentlich schon drin. Wobei ich das „hochmütig“ gerne behielte. Das Lorgnon spricht, bei einem fast noch Mädchen, gegen die tatsächliche Scheuheit, schon gar, daß der Mann diese auch so wahrnimmt.
junge Dame wäre abschließend zu bedenken und ginge. dennoch, vergiß nicht den gesamten kontext: er sieht sie in einem anderen zusammenhang auf der straße mit der mutter und muß an „Stute“ und „Füllen“ denken! wenn er das assoziiert, kann ich mir schwer vorstellen, daß er auch „Hochmut“ assoziiert, er begreift sich ja nicht als von oben herab behandelt, was darin wohl auch stecken mag. – o, ich sehe schon, das wird ein hübsches kollationieren!
O nein, Mißverständnis. Das Hochmütige liegt in ihren Gesten. Er ist durchaus nicht gemeint. Sondern sie ist scheu und trägt zugleich die Nase zickig hoch, was vom Lorgnon noch betont wird. Aber mit den Pferden waren wir, ecco, auf der völlig richtigen Spur. Das ist, wenn man es nicht direkt ausdrückt, tatsächlich pikant, nicht zotig. Zur Nichtdirektheit paßt auch wieder „resignation“.
der Hochmut ist vor allem kein bewusster, er ist ihr quasi in der Handschrift mitgegeben, ein nicht unwesentlicher Grund, warum abschätzig nicht trifft
Ja, magari, ja. Das ist wichtig, daß das von ihr nicht aufgesetzt ist. Selbst das „schnippische“ Lorgnon, dem man Aufgesetztheit, im übertragenen Sinn, zusprechen könnte, verbindet sich nie richtig mit ihrem Gesicht. – Joy, ich fange an, mich in die junge Dame zu verlieben.
Spinnenfäden Handschrift. Joyce-Version ANHs.
[„Ergebenheit“ scheint mir eine sensiblere Übersetzung
für „resignation“ zu sein als Reicherts „Resignation“, die
das Mädchen deutlich älter macht, als sie ist. Meine Ent-
scheidung für das Adjektiv, wiederum, gründet sich auf dem
projektiven Akt des begehrenden Mannes. Da, >>>> wie Reichert
übersetzt, „Spinnweb“ eher das ganze, vollendete Netz meint
als einen einzelnen Faden, finde ich – für eine Handschrift –
die Übersetzung „Spinnenfäden“ als eher angemessen.
Ein Netz ist zirkulär, der Spinennfaden selbst ist das,
wie der Schreibvorgang, nicht.
„Standsperson“ schließlich bringt die Klasse auf den Punkt,
über die wir >>>> schon gestern diskutierten : Mach Er
bonne mine à mauvais jeu,/so bleibt Er quasi doch noch
eine Standsperson >>>> mahnt die Maraschallin an.
Außerdem spiegelt das „Standsperson“ ihr die Schnippischkeit
zurück: Joyce nimmt den erotischen Fehdehandschuh auf.]
Das ‚traced‘ bezieht sich sowohl auf das ‚long‘ wie das ‚fein‘, es sollte also ‚lang und zart (warum nicht: fein?) gespannt‘ heißen. Weiterhin kann für mich ‚a young person of quality‘ gut ohne die Verdrehung als ‚eine junge Person von Stand‘ übersetzt werden, ohne an der von Ihnen so geschätzten Schnippischkeit zu sparen – auch wenn diese nach meinem Empfinden damals wie heute nur Mitgliedern älterer Geburtskohorten erotisch anmuten mag.
‚Ergebenheit‘ für ‚resignation‘ gefällt mir wiederum sehr gut, aus dem ‚leisen Hochmut‘ würde ich allerdings eine ‚leise Verachtung‘ machen, die einer ‚gespannten‘ Handschrift etwas Spannenderes (in der Beziehung der Schreibenden zu einer Äußerung ihrer selbst) als bloßen Hochmut beimischte.
P.S. Meine Anmerkung überschnitt sich leider mit der Fassung des Herrn Schulze, die sie im wesentlichen erledigt und überflüssig macht –
bis auf den Seitenhieb wg. Erotik 😉
„auch wenn diese nach meinem Empfinden“ Nun ja, Sie sind kein Mann und, meiner Vermutung nach, auch niemals einer gewesen. Ich selbst war schon mit achtzehn von „Zicken“ fasziniert, das hat sich nie geändert. Diese bestimmte Zickigkeit, die auch schwere Launischkeit sein kann, garantiert, daß es niemals, vor allem nicht im Bett, langweilig wird. Fehlt sie, legt sich, zumindest für mich, die erotische Attraktion schnell ab – zugunsten von etwas, das sich nicht von ungefähr spöttisch „innere Werte“ nennen läßt.
In Joyces Text wittere ich genau diese Attraktion. Zu viele Schlüsselwörter gibt es, als daß es anders sein könnte: die Nervosität, der Hochmut, die „quizzing-glasses“ (bei einem jungen Mädchen!, das erst an der Schwelle zur Frau steht) usw.
Helmut Schulzes Vorschlag wiederum ist mir zu kontemplativ: betrachtet ohne Begehren.
„disdain and resignation“
resignation ist ggf. als Zurückhaltung übersetzbar, nicht Ergebenheit, sondern vernunft- und/oder standesgeschuldete Zurücknahme
… mit leisem Hochmut und Zurückhaltung: eine junge Person von hohem Stand.
(die „Schnippischkeit“ bleibt erhalten, die in meinen Ohren unangemessene Härte der Standsperson wird abgemildert)
@magari zur Zurückhaltung. Reichert übersetzt so: „eine junge Person aus gutem Haus“, was mir viel zu wenig, viel zu gemütlich ist. Auch empfinde ich „Standsperson“, gerade in hofmannsthalschem Sinn, in gar keiner Weise als hart, lediglich als verpflichtend, was wieder mit Ihrer „Zurückhaltung“ gut zusammenpaßte. Überhaupt ist Zurückhaltung ganz sicher gemeint; es ist aber als Wort nicht schön in diesem poetischen Text. Außerdem erlaubt „resignation“ die Ergebenheit, die der blickende Mann da imaginiert. Ich habe mich eben deshalb für „ergeben“ entschieden, weil ich, anders als Reichert tat, den erotischen Kontext ganz besonders betonen will, der Antrieb des gesamten Textes ist. „Zurückhaltung“ ist aber sicher näher am Original: und als eine zu brechende fügte auch sie sich in die Intention.
Wir werden das wahrscheinlich noch lange diskutieren. Hier bin ich besonders auf Schulzes Version gespannt, mit der am Nachmittag zu rechnen ist.
… ein junges Ding aus gutem Hause
ich bin nicht ganz mit „Standsperson“ einverstanden, es setzte einen hohen rang in der gesellschaft voraus. man sollte daran denken, daß es später bei der beschreibung des familienspaziergangs von ihrem vater heißt: „the Grand Turk and his harem.“
Der Türke mit Harem spricht aber f ü r einen hohen Rang, schon insofern, als ein Harem allein von (islamischen) Standspersonen finanzierbar wäre. Dennoch verstehe ich den Einwand.
„Ding“ ist mir zu sehr von oben herab, zu altväterlich verniedlichend. Außerdem spürt der Autor ja i h r e n Hochmut. Jedenfalls bliebe ich auf jeden Fall bei „Person“. Und „Hochmut“ ist passender als vor allem, Abschätzigkeit. Ferner finde ich, daß das „dabei“ die avisierte ursächliche Verbindung von Handschrift und Charakter trennt. Und weshalb nicht der dünnen hochgezogenen Schrift die „Fäden“ lassen, anstelle zu einem Gewebe zu abstrahieren, das auch sowieso dann immer schon seinen Abschluß mit im Bild hat. Den Schreibvorgang, von dem Joyce erzählt, sehe ich aber gar nicht abgeschlossen, sondern er sieht ihr beim Schreiben zu, das eben gerade im Gang ist.
Siehe bitte auch >>>> meine Replik auf Sumuze, gerade auch, weil mein Anlaß zu diesem Projekt das für mein Empfinden fehlende Testosteron in Reicherts Übersetzung war.
Das Testosteron hineinzubringen, haben wir noch viele viele zeilen und noch bessere gelegenheiten, als es gleich in den anfang kräftig hineinzupumpen. was ich sehe: eine neue schülerin, „shy“, „nervous“, bringt gerade mal ein „yes“ hervor, woraufhin sie gleich verlegen lachen muß. er beobachtet, registriert die signale. sie ist sicher keine expertin der verführung, dafür scheint sie nicht wirklich welterfahren, also doch „ein junges Ding“. hochmut selbst ginge im englischen eher in richtung „pride“. sie ist eher verlegen und versucht das zu überspielen. soweit meine sicht. – zum „Türken“: die stelle ist ganz offensichtlich ironisch, außerdem ist noch zu berücksichtigen, daß in ihrem zusammenhang auch noch ein jüdisches konnotat auftaucht. – und: meine version sehe ich nicht als kontemplativ, sie versucht fürs erste, der neugier zu folgen, und beobachten ist nicht kontemplieren.
@parallalie zur Beobachtung. Dennoch hätte ich hier schon gerne den Reiz mit drin. Was hälst Du davon, wenn wir statt „ein junges Ding aus gutem Haus“ einfach schreiben: „eine junge Dame“? Dann hat man alles eigentlich schon drin. Wobei ich das „hochmütig“ gerne behielte. Das Lorgnon spricht, bei einem fast noch Mädchen, gegen die tatsächliche Scheuheit, schon gar, daß der Mann diese auch so wahrnimmt.
junge Dame wäre abschließend zu bedenken und ginge. dennoch, vergiß nicht den gesamten kontext: er sieht sie in einem anderen zusammenhang auf der straße mit der mutter und muß an „Stute“ und „Füllen“ denken! wenn er das assoziiert, kann ich mir schwer vorstellen, daß er auch „Hochmut“ assoziiert, er begreift sich ja nicht als von oben herab behandelt, was darin wohl auch stecken mag. – o, ich sehe schon, das wird ein hübsches kollationieren!
O nein, Mißverständnis. Das Hochmütige liegt in ihren Gesten. Er ist durchaus nicht gemeint. Sondern sie ist scheu und trägt zugleich die Nase zickig hoch, was vom Lorgnon noch betont wird. Aber mit den Pferden waren wir, ecco, auf der völlig richtigen Spur. Das ist, wenn man es nicht direkt ausdrückt, tatsächlich pikant, nicht zotig. Zur Nichtdirektheit paßt auch wieder „resignation“.
der Hochmut ist vor allem kein bewusster, er ist ihr quasi in der Handschrift mitgegeben, ein nicht unwesentlicher Grund, warum abschätzig nicht trifft
Ja, magari, ja. Das ist wichtig, daß das von ihr nicht aufgesetzt ist. Selbst das „schnippische“ Lorgnon, dem man Aufgesetztheit, im übertragenen Sinn, zusprechen könnte, verbindet sich nie richtig mit ihrem Gesicht. – Joy, ich fange an, mich in die junge Dame zu verlieben.