Gedrückter Stimmung, Paulus Böhmer aber am Abend. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 13. Dezember 2012. Darinnen zu „Argo“, aber dem Film, sowie, einmal wieder, Der Rosenkavalier.

10.29 Uhr:
[Arbeitswohnung. Beethoven op. 95 (Alban-Berg-Quartett).]
Bin seltsamer Stimmung, gedrückt, bedrückt irgendwie und habe dafür keinen bestimmten Anlaß, nur einen vermeintlichen „Hof“ von Anlässen, zu denen möglicherweise gehört, daß Argo nun abgegeben ist und sich, wie oft nach Abschluß einer langen intensiven Arbeit eine Art Leere auftut; andererseits ist der Roman noch nicht fertig, ich habe zu-großen-Teilen, aber eben nicht vollständig abgegeben, weil nioch die Überarbeitung der Verse Erissohns und der aus ihnen formal resultierende Epilog fehlen. An sich würde ich damit jetzt sofort weitermachen, stünde nicht der beauftragte, literarpolitisch für mich wichtige Essay an, für den ich aber keinerlei Eckdaten habe; das Thema sei völlig, heißt es, mir selbst überlassen, aber ich brauche eine zumindest ungefähre Längenangabe und hege in einer, zudem, Seelenecke die Befürchtung, wenn ich da jetzt zwei Wochen Arbeit reinstecke, daß nachher doch alles wieder abgelehnt wird. Ich will nicht für Nichts arbeiten, schon gar nicht da Leidenschaft hineingeben, die wieder einmal angespuckt wird. Diese Befürchtung drückt wahrscheinlich, auch wenn ich mein Gemüt gegendrücken lassen.
Dann sah ich mir gestern „Argo“, >>>> den Spielfilm, an, um zu wissen, was damit auf mich zugekommen ist. UF war der erste, mir eine, nun ja, „Warn“mail zukommen zu lassen. Ich las die Hndlungszusammenfassung, wußte gleich, das hat mit meinem Roman wenig zu tun; es ist auch gar nicht ausgemacht, ob der gleiche Titel (bzw. Halbtitel, weil bei mir noch Anderswelt dahintersteht) nicht sogar der Bekanntheit dienen kann. Schwierige Einschätzungsfrage. Wiederum kommt, meinen Titel nach so vielen Arbeitsjahren zu ändern, nicht infrage; geht auch gar nicht, weil er intensiv mit dem Text-selbst verbunden ist. Witzig ist nun, daß auch dem Film „Argo“ Vorgabe für Science fiction ist, allerdings eine banale mit >>>> Barbarella-Anklang; Mythisches wird allenfalls travesiert, und schon gar nicht ist irgend eine Form von Moderne zu spüren oder tatsächlich auch angestrebt. Sondern der Argofilm-im-Film dient als Tarnung für ein Befreiungsmanöver der CIA in den Endsiebzigern. Für eine Hollywood-Produktion sehr angenehm ist, daß Affleck keinen Zweifel darüber aufkommen läßt, es sei eigentlich das Recht auf Seiten der iranischen Revolution, nachdem die USA den Schah nicht nur durch einen entsprechenden Putsch gegen den vorherigen demokratisch gewählten Präsidenten des Landes quasi eingesetzt, sondern sein Folterregime drei Jahrzehnte lang nachdrücklich unterstützt haben. Sogar die aus der US-Botschaft genommenen Geiseln sagen: „Was erwarten wir denn – nach so viel Elend und Unrecht, das unser Land maßgeblich mitverursacht hat?“ Eine andere „Sache“ bleibt aber immer der bedrohte Einzelne, ob nun Bürger der USA oder eines anderen Landes.
Spannender, insgesamt, Geheimdienstfilm, der mit meinem Roman tatsächlich nichts gemeinsam hat – wenn man havon absieht, daß halt auch Titel in der Luft liegen können – und daß sich auch daraus, vielleicht, Schlüsse über >>>> Muster ziehen lassen.

Bin erst um acht hoch, habe also verschlafen, offenbar nach oder infolge von heftigen Träumen. Solche Tage sind dann immer desolat. Immerhin kam gestern die Zusage zweier Karten für den >>>> Rosenkavalier an der Staatsoper mit der unendlich intensiven >>>> Kožená, die mittlerweile zu meinen absoluten Lieblingssängerinnen gehört – einer Art Offenbarung, ganz so, wie es seinerzeit Laura Aikin gewesen. Strauss‘ Rosenkavalier, zumal, gehört >>>> zu meinen Lieblingsstücken des Musiktheaters-überhaupt, auch wenn Riegers Inzenierung, >>>> über die ich bereits schrieb, zweimal schon, meines Dafürhaltens nach an Götz Friedrichs sehr viel ältere Inszenierung nicht heranreicht, die sich dreißig Jahre lang im dortigen Repertoire halten konnte – bis die Requisiten sichtlich auseinanderfielen und fadenscheinig wurden, ja zerbröselten, Vorhänge, Decken, Kleider….
In den Rosenkavalier, als Mann, darf man nur in Begleitung von jemandem gehen, die einem sehr sehr nahe ist; diese Oper gemeinsam anzuhören, vermittelt Liebe. Es wäre eine Sünde, das zu profanieren.

Guten Tag, Leser:innen – der letzte vorerst, an dem es noch einmal Schnee geben soll. Und heute abend liest der große >>>> Paulus Böhmer in der Literaturwerkstatt.

17.10 Uhr:
[Beethoven op. 127 (Quarteto Végh).
Also gearbeitet, wirklich gearbeitet, das habe ich heute nicht. Ich warte schlichtweg auf Nachricht wegen der Essaylänge; bevor das nicht alles wirklich nicht festgeklopft ist, will ich einfach nicht anfangen. Aber gekocht habe ich, bremisch Grünkohl, das blubbert noch nebenan und blubbert. Und um Weihnachtsgeschenke hab ich mich gekümmert, sowie einige Korrespondenz erledigt.
Gleich muß ich Ans Terrarium hinüber, um die Zwillingskindlein für den Abend zu betreuen, da लक्ष्मी unterwegs sein wird; wenn ich dann zu Böhmer aufbrechen werde – ist quasi nur über die Straße – übernimmt unser Großer die Kleinen. Segensreich, daß sowas unterdessen geht.
Immer noch, wie Sie lesen, komme ich von den späten Beethoven-Streichquartetten nicht los, höre jetzt immer direkt hintereinander meine drei Aufnahmen: Quartor Végh, Alban Berg, Quartetto Italiano, also dreimal je op. 95, dreimal je op. 127 undsoweiter bis zur abschließenden 135. Selbstverständlich ist auch in einigen Telefonaten >>>> der Suhrkamp-Komplex immer wieder besprochen worden. Ich schaue da möglichst genau hin.

8 thoughts on “Gedrückter Stimmung, Paulus Böhmer aber am Abend. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 13. Dezember 2012. Darinnen zu „Argo“, aber dem Film, sowie, einmal wieder, Der Rosenkavalier.

  1. Die Seelenecke, in der die Befürchtung sitzt, trotz aller Leidenschaft am Ende für Nichts und wieder Nichts gearbeitet zu haben, drückt auch mir oft aufs Gemüt, vielfacher schlechter Erfahrung in allen möglichen Bereichen wegen. Meine Romanüberarbeitung geht eben unter anderem deswegen nur schleppend vorwärts http://nwschlinkert.de/2012/11/26/typoskriptbearbeitung-des-romans-iv/ , auch wenn sie immerhin nicht ganz stockt. Aber es bleibt selbstverständlich dabei: Aufgeben gildet nicht!

    1. Wieso eigentlich „für Nichts und wieder Nichts gearbeitet zu haben“?
      Das sind doch ganz eigentümliche Projektionen, die für das oben noch offene Projekt überhaupt nicht entschieden sind. Oder ist es schon abgelehnt? Oder MUSS es per se abgelehnt werden? Keine Ahnung,. Für „Aufgeben gildet nicht!“ gibt es doch hier noch keinen Anlass.
      Es sei denn, alle Beteiligten würden sich in ihrer Arbeit dem schon erwartbaren „Wieder Nichts!“ von vorneherein unterwerfen – vielleicht um sich als Nicht-Mainstream zu profilieren. Keine Ahnung!

      Da lese ich doch lieber Kafka, Musil, Pynchon und andere Schwierige, bei denen ich am Ende doch ein wenig, und wenn nur wenig, mitnehme. Und deren Überlegenheit ich neidlos genieße. Das ist alles viel gewinnbringender als dieses oberflächliche Getue/Gerede/Geschwätz, das selbst ich, der Durchschnittsgeists unangestrengt durchschaue.
      Das sieht aber eben wahrscheinlich jeder anders.

    2. @Leser (was Sie auch hier ja offenbar sind). Ich verstehe die latente Aggressivität nicht, die Sie mir gegenüber zum Ausdruck bringen. Mit ist etwa nicht bekannt, daß die von Ihnen genannten Autoren neben ihrem übrigen Werk ein Weblog geführt hätten, bzw., selbverständlich, überhaupt gekonnt hätten. Ein solches folgt anderen „Gesetzen“ als ein als ein Buch geschriebener Roman.
      Sie klagen wegen der hiesigen Oberflächlichkeit, ergumentieren aber wiederum nicht, sondern behaupten. Offenbar empfinden Sie so die Mitteilung von Ihnen als privat empfundener Sorgen; nun gut, in einem Arbeitsjorunal ist sie so wenig zu vermeiden wie die Mitteilung persönlicher Freuden, und zwar einfach deshalb, weil eine Person dieses Arbeitsjournal schreibt, nicht etwa ein Konglomerat von Personen. Wo aber sehen Sie Getue? Was denn wird „getan“? Und bezieht sich Ihre „Kritik“ auch auf andere Rubriken Der Dschungel, auf die >>>> Kleine Blogtheorie, die >>>> Notizen zum Geschlechterverhältnis oder zum >>>> Kybernetischen Realismus? Meinen Sie mit meine >>>> Protokolle der Hörstückentstehung oder gar die >>>> Paralipomena, bzw. die >>>> Notate? Finden Sie die >>>> Opernkritiken „geschwätzig“ oder die >>>> Übersetzungen? Will sagen, Die Dschungel hat derart viele verschiedene Seiten, eine derart, um es mit einem Börsenterminus auszudrücken, diversifizierte Struktur, daß Sie doch, wenn Sie in Der Dschungel lesen, das so persönlich gehaltene Arbeitsjournal gar nicht zur Kenntnis nehmen müßten. Denn lesen, hier, wollen Sie ganz offenbar, sonst kämen Sie nicht immer wieder her.
      Was ist Ihnen also wirklich Dorn im Auge? Denn es stünde Ihnen überdies restlos frei, einfach meine Netzarbeit für sich selbst unbemerkt zu lassen und statt dessen zu meinen Büchern zu greifen, bei denen mich dann in der Tat interessierte, wo und weshalb Sie sie, wenn Sie sie denn läsen, für oberflächlich hielten. Hier, in dieser Rubrik ist Ihr Einwand nicht nur mäßig, nein, er geht am Thema vorbei. „Setzen“, kann ich da nur sagen, „fünf.“

    3. Haben Sie inzwischen eigentlich meine – ich meine von mir kommentierten – Beethooven-Quartette gehört?
      Mir gefallen Sie wirklich!

      Aber in Hinsicht auf den oben kommentierenden Mitmenschen würde ich eher sagen: vier – . Sicher schlecht.Aber in Bezug auf Allgemeinheiten eher subkutan, vielleicht deshalb eben bedeutungslos.

      Freue mich jedenfalls, auch hier ein genaues Benotungssytem vorzufinden – das hat mir immer geholfen.
      Aber: FÜNF!
      Nein. Eher: Vier -; aber andererseits, will man es wohlwollend sehen: eher: 3+
      Weil… Ich weiß es auch nicht.
      Zum Glück sind SIE ja immer: 2+ … und aufwärts
      Danke dafür!

  2. Oder doch Bach Dann sollte nun da doch die Vorfreudenerregung auf „Rosenkavalier“ jene (und jede) Schwermut lindern. Man gehe gewiß, und bitte nur à deux. Zu Paulus Böhmer noch: (sehr) lesenswert!

    Und jetzt eine Mittagszigarillo.
    Best,

    prufrock

  3. Paulus Böhmer in der Liteaturwerkstatt Berlin. Am 13. Dezember 2012.

    V.l.n.r.: Christiane Lange (Programmleiterin), Peter Heusch (Sprecher),
    Paulus Böhmer, Jan Völker Röhnert (Einführung & Moderation).

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