Angeheuert! Das Sterbeschiff wird fahren. (Wenn auch – n o c h – nur durchs Arbeitsjournal des Dienstags, dem 20. August 2013.)

6.35 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Latte macchiato, erste Morgenpfeife.
Um sechs Uhr auf.


Dies war gestern abend, war für den ganzen Tag, für die Woche, vielleicht den ganzen Monat die wichtigste Nachricht, auch wenn sie drei Wehmutstropfen vergoß, weil der Vorschuß nicht hoch sein wird, so daß ich werde weiterknapsern müssen (evtl. aber auch nicht, wenn ich’s hinbekomme einen Zusatzauftrag einzufangen, ja sofern ich das Netz lockend auswerfen kann; ich denke an ein nächstes Hörstück nicht zu dem „eigentlichen“ Thema, das Sterben, sondern einfach zu einer Kreuzfahrt), – also, ich rief sofort die Löwin an: „>>>> Sie haben ja gesagt!“ Dann las ich ihr den Brief vor, den mir die Lektorin geschrieben. Ich werde ihn nicht zitieren, aber mein Plan, den ich in einer, muß ich sagen, Art Exposé formuliert hatte, hat nicht nur sie, die Lektorin, sondern auch den Verleger selbst angerührt:Ich glaube, daß wir Menschen alle uns wünschen, auf eine bestimmte Weise zu sterben; es ist nicht so sehr die Angst vor dem Tod in uns, den wir jeder schon sehr früh als unumgehbar begreifen, sondern es ist die Angst vor der Erniedrigung eines erbärmlichen, entwürdigten Sterbens. Mein Buch wird von einem Sterben erzählen, das ein Teil intensiver Lebensbejahung ist; es soll ein Roman für genau diese Hoffnung sein.„Sehen Sie“, sagte die Löwin, „es wendet sich immer. In einem Monat erscheint >>>> Argo, und Sie haben bereits den nächsten Roman in Auftrag. Sagen Sie nicht, daß das v i e l e n Autoren so geht, wie immer auch die Öffentlichkeit zu Ihnen steht. Es wird an Sie geglaubt. Und bitte gefährden Sie nicht dieses schöne Projekt, indem Sie um den Vorschuß feilschen, sondern schreiben Sie einfach das Buch, eines, auf das auch ich mich freue.“ Sie kennt das ganze Exposé, wir hatten ein wenig darüber telefoniert. Daß mir die Idee zu dem Roman ausgerechnet >>>> danach kam – ich war >>>> an diesem Tag der Kreufahrt in schlechter Verfassung gewesen, wie Sie lesen können – steht auf einem ganz eigenen Blatt der Produktivitätstheorie, der Die Dschungel bekanntlich einiges Material zuspielen soll. Was uns schmerzt, wird zu Antrieb, ist der Antrieb, wie mir gestern in einem anderen Brief eine andere Freundin schrieb. Bezeichnend, daß auch die neue Kreuzfahrt, sofern man mich mitnehmen wird, als einen Hafen Lissabon nennt. Vielleicht erwartet mich ein nächstes Triest dort, da doch das eigentliche erst spät in mir zu wirken begonnen hat, seltsam nachzuwirken; das habe ich >>>> dort noch gar nicht erzählen können, denn da wußte ich davon noch nichts; und auch später bin ich nicht mehr drauf eingegangen. Dennoch, zu Triest vielleicht ein anderes Mal. Und außerdem gehört es zu dem Romanprojekt, daß ich während der Fahrt das Schiff nicht verlasse, auch und gerade nicht für Ausflüge, sondern bis zum Ende allezeit an Bord bleiben werde, ganz so wie der alte Mann, den ich als Erzähler vor meinen Augen habe.
Jedenfalls ist jetzt zu handeln: den Funk anrufen, das Hörstück vorschlagen; den Reeder, bzw. Veranstalter anrufen, nein: ihm besser erst einmal schreiben, die Visitenkarte ist seit zwei Jahren auf meinem Schreibtisch ganz oben liegen geblieben: ein ständiges Erinnern: daß da noch etwas sei. Und >>>> Mare ist zu schreiben, zu antworten, meinerseits nun jazusagen. Als Erscheinungstermin ist der Herbst 2015 vorgesehen. Das ist einiges hin, gibt mir aber Ruhe für die Ausarbeitung, den Feinschliff, zumal im nächsten Jahr ohnedies die „Neue Fröhliche Wissenschaft“ und ein nächster Gedichtband erscheinen sollen. Die erste Fassung selbst, des Sterbebuchs, möchte ich allerdings bereits im Januar/Februar des kommenden Jahres fertighaben.

Nun also wieder nach Neapel, zurück in die Originaltöne, zurück ans Protokollieren. So weit, wie ich gestern hoffte, bin ich dann doch nicht gekommen, aber es ist auch wirklich viel Zeug.

(Wunderbar an der Mare-Zusage ist auch, daß ich jetzt das wegen der Steuerschuld geliehene Geld viel früher zurückzahlen kann als vereinbart. Mit den übrigen Einnahmen aus den Argo-Lesungen, dem Hörstück, den Seminaren usw. bin ich deshalb nun bis inklusive Januar finanziell sicher. Für jemanden, der es gewohnt ist, sich von einem Monat zum nächsten zu hangeln, ist das eine lange Zeit.)

Bedeckter mauer Herbstmorgen draußen, doch die Sonne soll wieder durchkommen und die Temperatur auf mittags 20 Grad steigen. Fürs Krafttraining ist das in Ordnung. Und nächste Woche kommt die Löwin – h e r! Wir haben uns lange, lange nicht mehr gesehen; manchmal fragt man sich, wie man das aushält. – Nun ja –: über Arbeit.

3 thoughts on “Angeheuert! Das Sterbeschiff wird fahren. (Wenn auch – n o c h – nur durchs Arbeitsjournal des Dienstags, dem 20. August 2013.)

  1. Für bildende Künstler gibt es seit langem ein Stipendium als Schiffskünstler, auf der Aida, glaube ich. (..oder ist die gesunken?)
    Ihr Vorhaben hat mir Lust gemacht, mich dafür zu bewerben. Ich nähme nur eine Packung Eddings mit.
    Schön, die Zusage von Mare! Ich freu‘ mich mit.

    1. @Frau Phyllis. Die Aida ist leider kein Kreuzfahrtschiff, sondern eine schwimmende Mietskaserne, inkulsive mehreren Malls, Diskos usw., sozusagen drei Schönhauser Allee Arcaden plus die Plattenbauten Ihrer Römerstadt (für die, die Frankfurtmain nicht kennen: eine Mietskasernensiedlung) auf Wasser. Die >>>> Astor hingegen ist eines der traditionellen wirklichen Schiffe. Auf der Aida (schon der Name ist eine Vermessenheit) wären die Geschehen des Sterbebuchs nicht denkbar. (Aber so ganz nebenbei teilt mir, siehe Link, Wikipedia mit, daß ich demselben Irrtum aufgesessen bin wie viele andere: „meine“ Astor war nicht das „Taumschiff“ der Fernsehserie.)

      Wie auch immer: Ganz herzlichen Dank für Ihre Mitfreude!

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