Fahlmanns Regie
Pünktlich waren alle da, Chohan und v. Ribbentrop (>>>> Victimfx) saßen bereits in der Loggia, als Broßmann und ich angeradelt kamen.- Ich habe ja schon oft in diesem Studio, das ich liebe, aufgenommen, aber diesmal war ein für mich neuer Toningenieur, Holger Merten, dabei. „Erst mal will ich mit jedem von Ihnen sprechen, über die Mikros, um mich zu entscheiden, welches für wen das geeignetste ist.“ Ich ging derweil Wasser für die Sprecher holen. Broßmann, gegen schaumiges Sprechen, packte einen Apfel aus, von dem er zu unserer Irritation auch während der Aufnahmen immer wieder abbiß. „Säure“, sagte er. „Klärt die Stimme.“ – Da ich mitsprach, nahm ich nicht im Regieraum, sondern bei den Sprechern Platz, dirigierte während der Aufnahmen die Einsätze, besonders wichtig bei der „Liturgie“, die wir, einem Vorschlag Broßmanns folgend, schließlich chorisch sprachen, also alle zusammen mit von der Technik aus geleiteter Anhebung der „eigentlichen“ Sprecherstimmen, als derjenigen, für die die Passage geschrieben ist, Broßmann und v. Ribbentrop nämlich, im Wechselsprechsang: Coda des Stücks.
Erstmals damit, daß ich dirigiere, habe ich vor sechs Jahren bei dem >>>> Marianne-Fritz-Hörstück gearbeitet und es seitdem für beinahe jede neue Funkarbeit beibehalten. Es entspricht meiner Idee solcher Hörstücke, sie nämlich wie musikalische Kompositionen zu bauen; das, sagen wir, „Referat“ tritt in den Hintergrund zugunsten des Klangerlebens, aus dem sich ein dem Thema anschmiegendes und nicht es distanzierendes Hörerleben ergibt. Das Verfahren ist, vermittelt über Walter Benjamin, Schlegel verpflichtet, aber eben vom normativen Wort auf den Klang gespiegelt.
Großartig dabei, wie jedesmal, Kavita Chohan:
Fahlmanns Chohan.
(An den Mischpults Holger Merten.)
Entdeckten sie doch nur auch andere Regisseure! Es stünde ihr eine grandiose Sprecherinnenkarriere bevor. Die Hörer würden sie l i e b e n. Merten dazu, nachher: „Wenn Sie mögen, können Sie mir auch das Telefonbuch vorlesen, und ich wäre glücklich.“ – Aber auch der Junge war klasse: zwei Stunden intensivster Konzentration. Als sie verstrichen waren, erst dann, gab es Sprünge in seiner Intensität. Kurz bekam ich da ein schlechtes Gewissen, ihn überfordert zu haben. Hinterher aber, wir gingen noch etwas trinken, war er enorm stolz:
Broßmann wiederum, sowieso, stürzte sich von Anfang an mit aller Energie in seine Rolle(n): Das muß man manchmal etwas bremsen, damit die Gestaltung der Parts nicht outriert:
Ich habe in den letzten Jahren gelernt, auch Stimmen simultan zu hören, und zwar selbst dann, wenn meine mit dabei ist, sie also Teil der Inszenierung ist. Ein bißchen ist das vielleicht wie ein Konzert zu dirigieren, dessen Klavierpart man selbst spielt, oder vom Cembalo/Basso continuo aus. Man braucht dazu zwei Köpfe, die Hände gehorchen dem Körpergedächtnis: Es wird nicht mehr mit Willen gespielt, nicht mehr mit Willen gesprochen, sondern gleichsam allein noch aus Instinkt.
Jedenfalls, daß ich mit „Laien“ arbeite, die über ebenso intime, gleichzeitig weiche und rigide, kompromißlose Leitung schließlich Leistungen erbringen, die professionellen Ansprüchen mehr als nur genügen, hat sich als sehr segensreich für die Stücke erwiesen; was nämlich völlig „fehlt“, ist die Nachlässigkeit der Routiniers: nicht, gar nichts wird einfach so runtergerissen. Unterdessen kann ich Profis und Amateure sogar mischen, ohne daß auch nur im entferntesten Unterschiede der Qualität hörbar sind; es kommt sogar vor, daß solche „Amateure“ die Profis in den Schatten sprechen.
Eine „eigene“ Crew, das war für die Hörstücke mein Ziel. Und ich hab es erreicht. Dennoch, für Chohan, weil ihre Stimme göttlich ist, eine unfaßbare Begabung, wäre zu wünschen, es entdeckten auch andere Regisseure sie – und andere Autoren, die manche ihrer Stücke vielleicht allein für sie noch schrieben. „Das“, sagte sie selbst, später beim Bier, „würde ich so gern beruflich machen!“
Jedenfalls, daß ich mit „Laien“ arbeite, die über ebenso intime, gleichzeitig weiche und rigide, kompromißlose Leitung schließlich Leistungen erbringen, die professionellen Ansprüchen mehr als nur genügen, hat sich als sehr segensreich für die Stücke erwiesen; was nämlich völlig „fehlt“, ist die Nachlässigkeit der Routiniers: nicht, gar nichts wird einfach so runtergerissen. Unterdessen kann ich Profis und Amateure sogar mischen, ohne daß auch nur im entferntesten Unterschiede der Qualität hörbar sind; es kommt sogar vor, daß solche „Amateure“ die Profis in den Schatten sprechen.
Eine „eigene“ Crew, das war für die Hörstücke mein Ziel. Und ich hab es erreicht. Dennoch, für Chohan, weil ihre Stimme göttlich ist, eine unfaßbare Begabung, wäre zu wünschen, es entdeckten auch andere Regisseure sie – und andere Autoren, die manche ihrer Stücke vielleicht allein für sie noch schrieben. „Das“, sagte sie selbst, später beim Bier, „würde ich so gern beruflich machen!“
Allerdings kommen die herausragenden Leistungen nichtprofessioneller Sprecher oft auch über besonders intensive Proben zustande, für die Berufssprecher zusätzlich bezahlt werden müßten – ein Umstand, der die engen Budgets solcher Rundfunkproduktionen meist übersteigt. Ich erinnere mich an Eliahu Inbals Bermerkung – er tätigte sie nach seinem ersten Frankfurtmainer Mahlerzyklus, der Referenzcharakter bekam -, daß selbstverständlich auch Orchester, die nicht zur Weltspitze gehörten, sich eine ganz ebensolche Qualität erspielen könnten, aber, eben, um den „Preis“ besonders intensiver Proben. In „meinem“ Rahmen lassen die sich realisieren, weil zum einen meine Sprecher:innen nicht selten vertraut mit mir und also meiner Arbeit sind und weil zum anderen der private Umgang solche Proben sehr umstandslos erlaubt: statt, daß man zusammen Kaffee trinken geht und plaudert oder sonst etwas Freizeitiges unternimmt, hockt man sich über das Stück.
Ganz ebenso ist die Qualität, die meine Hörstücke erreichen, alleine deshalb möglich, weil ich viel länger an ihnen arbeite, als bezahlt wird, geschweige als von den Sendern Produktionszeit zur Verfügung gestellt wird und überhaupt gestellt werden kann. Ich bewege mich über Zusatzleistungen hier an Schreibtisch und Anlage in einem besonderen Raum, für den es – wie für künstlerische Leistung insgesamt – eben nicht auf Tauschverhältnisse ankommt, sondern allein auf den zu erreichenden Ausdruck. Ihm ist alles andere unterzuordnen, auch und gerade der persönliche Anspruch auf, sagen wir, Freizeit. Nur so lassen sich Kuntwerke schaffen. Sie fügen sich weder Tarifverträgen noch sonstigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen.