„Rätselhaft“, schrieb ich in Facebook eben den Freunden, „b l e i b t aber, weshalb der Gerätemanager, in dem ich, >>>> als es noch nicht und nicht funktionieren wollte, also das Interface falsch angeschlossen war, dennoch immer wieder vermeldete, daß das Gerät betriebsbereit sei, das dies eben noch n i c h t war. Ein wirklicher Verlaß ist auf windows insofern nicht.“ Und erstaunlich, mindestens genauso immer wieder, ist das Gehirn: Jetzt habe ich Schwierigkeiten mit der neuen Tastatur, so sehr haben sich meine Finger unterdessen an die engeren Abstände der Ersatztastatur gewöhnt. Dennoch merke ich eine Erleichterung, gewisse verkrampfe Handstellungen können fürs fließende Schreiben wieder aufgegegeben werden; die häufigen – versehentlichen – Doppelanschläge entfallen, nur daß ich jetzt, noch, immer mal wieder einen falschen Buchstaben anschlage; das Hirn lernt irre fix und lernt so auch Routinen. Wobei diese Art Übung geschmeidig hält.
An den Ersatzlaptop kam ich gestern nicht mehr. Sehr lange mit Bettina Hesse geplaudert, vor und nach dem kleinen Traumschiff-Interview, auch auf die leichten kritischen Abmerkungen reagiert und erklärt, später aus den >>>> Bamberger Elegien vorgelesen, die leider völlig untergegangen sind, oder nicht völlig, sie werden ja von Zeit zu Zeit noch geordert, aber doch nicht die Aufmerksamkeit errungen haben, die ich ihnen gewünscht habe und wünsche:
Ich will mich in den Gedichtmodus bringen; in Bamberg füllte er Wochen. Es spielt keine Rolle, ob dieser Aspekt meiner Arbeit auf Gegenliebe trifft; wahrscheinlich spielt Gegenliebe sowieso, außer für den Narzissmus, keine Rolle. Richtete sich die Kunst nach ihr, hätten wir die größten Werke heute nicht, jedenfalls fehlten viele von ihnen. Die Psyche baut Wehrgänge auf, Schutzgänge: Wir erfahren, wenn etwas gelang, unmittelbar, als Empfindung, als Überschüttung, manche wohl auch als Erleuchtung. Hesse sprach gestern vom „Kreatürlichen“, das stärker werde, so beobachte sie, mit zunehmendem Alter. Mir sind aber Esoteriken fremd, ich kann mit ihnen herumspielen, sie auch schon mal zum Material einer Erzählung machen, aber glauben tu ich ihnen nicht. So werd ich bisweilen, möglicherweise unangemessen, ironisch. Glauben tu ich an Körper und an den Geist nur insofern, als er Ausdruck dieses Körpers ist, unserer Körper. Schon deshalb tauge ich nicht für den Monotheismus.
Gestern, als ich im Pound las, verstand ich weniger, als daß ich, körperlich eben, begriff, was so viele große Autoren für den Faschismus empfänglich gemacht hat: nämlich die Idee der Umformung von Realität zu Kunst. Ein alter meiner Gedanken tauchte wieder hervor: daß Künstler auf keinen Fall politische Macht haben dürfen, weil ihre, der Künstler, Gesetzmäßigkeiten, die ihrer Arbeit, unbedingt sind, Unbedingtheit aber in der Realität zu diktatorischem Unrecht führt. Was die Kunst nicht darf, Kompromisse einzugehen, ist in der Realität notwendig. Ein Künstler als Botschafter mag angehen, als Machthaber ist er, wenn er gut ist, die pure Katastrophe, als Hymniker zumal.
Auch „Die Brüste der Béart“ sind ein Hymnos; übrigens sind auch Elegien ursprünglich Hymnen gewesen; ihr Trauerton kam erst spät. Daß noch das Traumschiff ein Lobgesang ist: Huldigung. Dieses Wort fiel mir für „praise“ ein.
Die Übersetzungen gehen in mir um. Der kleine Junge geht in mir um, der übern Hang am Wannsee peste (ein Wort, das mit zwei „e“s geschrieben werden müßte, weil der Assoziationshof sonst in eine völlig falsche Richtung geht), und daß man ihn hätte sich austoben lassen müssen, bis er umkippt und einschläft. Sein Lachen kreist wie ein Echo in mir: so frei! so unvoreingenommen, so – unschuldsvoll d a!
Kinder lieben. Manche mehr, ich geb es zu, andere, aber nur ein bißchen, weniger. Was ungerecht ist. Denn denen wurde die Unschuld früh genommen. Sie ist ja wie eine Pflanze, muß sich erst entfalten, die ersten Triebe zu Blättchen entfalten, ohne daß gleich jemand drauftritt. Geschieht das zu häufig und wird zur jungen Erfahrung, werden sie im besten Fall pfiffig. Was man dann a u c h liebt. Wenn aber nicht –
Ach.
Und dennoch ginge ich freiwillig eher, als daß ich‘s beklagte.
Jedenfalls kam ich an den Ersatzlaptop gestern nicht mehr. Aber vielleicht heute. Mein Sohn und >>>> Schlinkert zum Abendessen im Gespräch, vorher noch mit Hesse, die auf Sizilien war; daß Sizilien einmal meine Zweitheimat war. Daß der Vater ihres Sohnes gestorben. Wie ihr das dort nachging. „Immer mehr Freunde, jetzt, sterben.“ Daß, Ursula, auch dieses nun anfängt: „Alles ist eitel“ (der alte Brahms) und „Was bleibt, sind die Dinge“ (der alte Goethe); – Ernst Bloch indes, auf dem Sterbelager: „Ich bin wahnsinnig neugierig!“ So ist es hintertragen. Egal, ob die Anekdote stimmt, wird sie für mich ein Lebensmotto bleiben. Der herumpeesende, lachende kleine Junge am See: so vorbehaltlos, so ohne Selbstreserviertheit, so ganz-die-Welt als er. Er als sie. Zähne wie Naturperlchen, und obsidialer Glanz auf den Augen.
Es sind Erledigungstage bis Paris. Die Pavoni muß in die Reparatur. Gewaschen werden muß. Zwischen Decke und oberer Wand hängen schwere Spinnennetze, an den Wänden die grauen Hauchs von Kokons, in denen Motten noch schlafen. Müßte man mal staubabsaugen. „Absaugen“, abortus: die Neigung, sie besser zu lassen, sie zu erlauben, zuzulassen.
Das Leben zulassen. Es zu erlauben: als gäb es Verbote. Wer verbietet? – Und dann „greift man“ d o c h „durch“. Oder delegiert es. Womit ich wieder bei der Vertrauensfrage wäre.
Form, Formung: Finger- und Fußnägel schneiden, das Haar schneiden, sich rasieren, die Achselhöhlen rasieren, das Geschlecht rasieren. Rasierte Gedichte. Unrasierte Gedichte. Wer mag schon Haare im Mund?
Achselkapellen.
Erde im Mund.
Mein Sohn, jetzt, sitzt im Zug. Mit einem Freund z u einem Freund. Daß der Begriff „Freund“, bei Facebook, von mir oft als unangemessen gerügt, auch wahrwird, wahrwerden kann… – man lernt sehr viel von den Kindern, auch dann noch, wenn sie Jugendliche sind. Ich will niemals diese Perspektive vergessen.
Das Leben findet einen Weg: >>>> Dr. Alan Malcolm. Man habe, erzählte gestern mein Sohn, den ersten erdähnlichen Planeten entdeckt, mit quasi denselben Bedingungen des unsren. 1600 Lichtjahre entfernt, allerdings. Die Götter reiten ziemlich geschwind. Im Amazonasgebiet werden nach wie vor neue Arten entdeckt.
Die harmonischen Stege der Schüsselbeine, inmitten ein Näpfchen fürs Öl (so der „Duftende Garten zu Erholung des Geistes“, worin >>>> Nefzaui die Clitoris mit einer Zunge vergleicht und das gesamte äußere Geschlecht mit der Spur einer Gazelle im Wüstensand: so gesehen wäre „Der wüste Sand“ ein wunderbarer Gedichtbandtitel, Der Wüste Sand: >>>> The Waste Land).
(Immer wieder eine Berückung, wenn es regnet, und doch scheint die Sonne. So gerade eben geschehen.)