III, 273 – “deutsch scheißt”

Das Schreiben sei auch und vor allem das Hintersichbringen einer Spannung, heißt also der adäquate Umgang damit, ein Besprechen. Selbst wenn es sich um Banales handeln mag, was sich aber erst im Nachhinein beurteilen läßt. Der Moment, der die Spannung erzeugt, ist weiter nicht verhandelbar, sie baut sich plötzlich auf.
Extrem empfindlich reagiere ich immer auf ‘nationale’ Verallgemeinerungen und meine den Tabaccaio, der mich mit ‘Ciao Auschwitz’ begrüßt, meinetwegen auch Ninno, der hier die ‘Bundesbank’ betritt, oder der Gay aus der Nachbarschaft, der mir einmal einen Sanremo-Schlager mit deutschen Untertiteln postet und auch sonst keine Gelegenheit ausläßt, mich in den größeren Zusammenhang von etwas zu stellen, was auf ein scheinbar geographisches Nebelwesen namens Utschland hinausläuft, dessen Geschichte ihnen allen so völlig aus den Medien stammt, daß ich mich irritiert abwende.
Ich laufe auch zornig davon, sobald jemand (ein bekannter Idiot aus der Oberstadt) einen Satz mit den Worten beginnt: “Posso capire Hitler, quando…”. Wo das ‘quando’ für ein ‘als’ steht.
Und so stieß ich beim Blättern im Web (und meine FB, wo ich einmal am Tag blättere, um zu sehen, wie die Leute ticken und um meintwegen etwas davon zu hinterlassen, wie ich ticke) auf den Titel “deutsch scheißt”.
Es ging um das eine italienische Opfer des Attentats auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Link auf einen Artikel des ‘Corriere della sera’, der eigentlich alles erklärt, auch den Umstand, daß es sich gesetzlich um einen ‘Verkehrsunfall’ handelte, also keine Terroropferentschädigung vorgesehen ist.
Zurrendes Fazit: kein Respekt für das italienische Opfer.
Worauf ich einging. Und auf das, was man gemeinhin Bürokratie nennt. Ein hübscher Schimmel auch hierzulande. Es ging ins Emotionale in der sich entspinnenden Polemik, die ich angetreten. Ich solle das mal dem Vater der Italienerin erzählen. Dies zweimal. Und zweimal auch die Entgegnung: ‘l’avete fatta grossa stavolta’ – da habt ihr aber wirklich ein dickes Ding hingedreht dieses Mal. Das ‘da habt ihr’ irritierte mich zutiefst.
Ich habe den, der’s schrieb, kennengelernt. Ein wunderbarer Rezitator mit seiner aus tiefen emotionalen Höhlen hervortretenden Stimme. Einmal wirkte er nach einer Rezitation wie erschlagen und schwieg eine ganze Weile völlig in sich zusammengesunken. Am selben Abend hatte ich selber auch Gedichte rezitiert, und es entstand eine gewisse gegenseitige Achtung.
Ich fürchte, das hat jetzt einen Riß bekommen.
Der Fake der unreflektierten Vaterländerei.
Die letzten beiden Abende mit Tullia, dem Schönwetterbauern und einem fünffachen Vater aus Staufen im Breisgau. Das letzte Holz in die Wohnung gebracht: noch zwei-drei Abende mit dem Stampfer und warten auf den Frühlingsbeginn. Immerhin: für nächsten Freitag sind 18 Grad angesagt.
Man kann auch mit 18 Jahren nach Armenien abgeschoben werden, selbst wenn man in Utschland geboren ist und nicht mal armenisch spricht. Behördentechnisch scheinbar alles ok.

sein name sei Franz Gutbier, ob es mir gut gehe. was ich mit einem kurzen rucken des kopfes halbwegs affirmativ begrunzte. ich solle nur immer gut zuhören, meinte er und blickte unter angewinkelten brauen fragend auf mein fragendes dito. er wischte die situation mit einem „zwei bier“ vom tresen.

4 thoughts on “III, 273 – “deutsch scheißt”

    1. @P. B. Fuchs. Italien allerdings nicht minder.

      Die drei italienischen, jedenfalls „männlichen“ Chauvinismen sind, und zwar in dieser Reihenfolge:

      Il sesso
      La macchina
      Il calcio

      Irgendwann folgen aber auch dortzulande Kunst & Kultur.

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