Durch den Schornstein. Kleine Poetiken (3): Hans Carl Artmann.


durch den schornstein
geht es ins himmelreich –
bedenks..
durch den schornstein
da zieht der rauch
so leicht –
komm mit..
durch den schornstein
da siehst du
sonne und mond
durch den schornstein
siehst du den küchenherd –
verbrannt
wird deine hand
und zu rauch
und zu aschen auch
und dein haar
und dein kopf
und dein leib
und dein fuß
wird zu schönem
wirklich
schwarzen ruß –
komm mit..

Die vielleicht böseste, indes zugleich liebe- und machtvollste Absage an Theodor W. Adornos Verdikt, man könne nach Auschwitz kein Gedicht mehr schreiben, hat kein Theoretiker, hat ihr keineswegs Hans Magnus Enzensberger mit seiner berühmten Replik, aber wahrscheinlich auch nicht Celan erteilt, sondern der im Jahr der Jahrtausendwende verstorbene österreichische Dichter Hans Carl Artmann, – eine Ikone der Gegenwartslyrik… eine AußenseiterIkone, das gebe ich zu, aber Ikone eben doch. Und welch ein Gedicht er dagegenhält! Es ist vielleicht der Gipfel politischer Inkorrektheit, doch in Form, Melodie und Bildgebung derart schlüssig, ja bildkräftig soghaft, daß auch nicht entfernt der Verdacht aufkommt, hier mache sich einer über die Opfer lustig. Eher liebt er sie, liebt sie auf seine schwarze Wiener Art, eher fliegt er mit ihnen und zieht sie selber noch hinein in den Ofen und sieht von oben, zerfaserter Rauch, von irgendwo aus den Wolken, gemeinsam mit den Opfern zu und verhöhnt dadurch die Täter – womit er zeigt, daß Kunst etwas anderes ist, als ein an moralische Direktiven gebundenes Sublimations-, gar Aufklärungsgeschehen. Wäre sie es, ließe in ihr nichts sich verarbeiten, nichts wirklich gestalten. Sie setzt sich vielmehr dem Grauen aus, sie zieht das Grauen in sich hinein, löst es auf und wirkt auf diese Weise sowohl unheimlich wie befreiend.
…krauchen solls/durch blut und bein/ bis ins herzens/kämmerlein heißt die kleine Gedichtsammlung, in welcher dieser Text enthalten ist. Bereits deren Zueignung spricht die Absicht und das Vorhaben aus: schreibe nicht/ein lichtgedicht,/weiß schreibt nur/der bösewicht…: Das bringt uns auf die Fährte. Versuch erst gar nicht zu begreifen, raunt der Dichter uns zu, was du nicht begreifen k a n n s t, sondern gestalte es, scheu nicht davor zurück, schau hinter die Tür, wo sich dein täglicher Nachtmar versteckt, versetz dich in das Grauen hinein und drehe es den Tatsachen im Maul rum. Mißtraue denen, die es so gut meinen…. – meine es b ö s e; wohlgemerkt: in der Kunst. Denn für sie gilt etwas anderes als das tägliche Leben & Brot. Was in diesem absolut unangebracht ist, macht die Qualität jener recht eigentlich aus.
Nun ist dies keine Botschaft im direkten, unmittelbaren Sinn, sondern etwas, das sich aus der Luft nimmt, aus verdichteter Geschichte, aus Mythos und Träumen. Wie in diesen, ist auch in ihr die Erfahrung das Material. Deshalb wählt Artmann in allen diesen Gedichten sehr ritualisierte Sprachformen. Sie haben etwas von Formeln, Beschwörungsformeln – „Hypage Satanas!“ -, sind wie ein sprachliches Zeichen gegen den Bösen Blick, sei es in dem Text über den Frauenzerstückler – was fang ich mit dem leib wohl an,/der mir manch schönes spiel getan?/den will ich in zwölf stücke schneiden../nach soviel liebesstunden.. -, sei es in dem Stückchen über Kannibalismus – ich bitt dich drum du vögelein weiß/ein aug mir zu erhalten. Zumal diese Formeln stets etwas Kindliches haben, eine gesuchte, ausgesuchte, geradezu elegante Naivität. Da wundert es nicht, daß manche Zeile wie aus einem alten Märchen herüberklingt. Wir wissen ja, daß die besten, daß die schönsten Märchen böse sind. Immer reißt sich einer ein Bein aus, nicht metaphorisch, sondern konkret, wobei er seine Stanzen wie Verhöhnungen ruft, ja wie Gebete: „Ach wie gut, daß niemand weiß…“ So etwas verliert sich unserem Gedächtnis nicht, sondern hat etwas Archetypisches, Überindividuelles… man könnte von kollektiven Bannsprüchen sprechen, wäre das Kollektiv nicht begrifflich längst desavouiert.
Aufs Märchenhafte geht auch manches Bild. Der Küchenherd läßt uns an Hänsel und Gretel denken, in und zu aschen auch scheint sich Celans Todesfuge zu spiegeln, der wirklich schöne schwarze Ruß nimmt das Haar, so schwarz wie Ebenholz auf, das seinerseits in >>>> Dein aschenes Haar, Sulantith zerfiel, und im komm mit schließlich schwingt die gewaltigste Versuchung, sowohl die Todessehnsucht der Romantik wie Novalis’ Hymnen an die Nacht, aber auch einfach die Verlorenheit eines Pubertierenden mit, der vergeblich liebt und schwarz von einer Freiheit, einer Gelöstheit jenseits der Welt träumt… Gedichte wie dieses lassen ihren Leser heilsam regredieren, lassen ihn noch einmal nach-erleben und gänzlich von Grund auf sich selber erschaffen, neu schaffen: Sie machen das Erwachsensein erst möglich, indem sie die Verdrängungen lösen. In den Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, nannte man das Katharsis.


durch den schornstein
geht es ins himmelreich –
bedenks..
durch den schornstein
da zieht der rauch
so leicht –
komm mit..
durch den schornstein
da siehst du
sonne und mond
durch den schornstein
siehst du den küchenherd –
verbrannt
wird deine hand
und zu rauch
und zu aschen auch
und dein haar
und dein kopf
und dein leib
und dein fuß
wird zu schönem
wirklich
schwarzen ruß –
komm mit..

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