Bei schwindendem Licht. Das späte Arbeitsjournal des Sonntags, den 10. Dezember 2017.


[Arbeitswohnung, 16.31 Uhr
Battistelli, Etude für großes Orchester (die Uraufführung aus dem Jahr 2000]

Anders als Jarrett geht Youn Sun Nah den Weg in die Gefälligkeit. Dabei hatte ich mich, Freundin, so auf ihre neue CD gefreut. Denn >>>> im Frühjahr war mein Eindruck von dieser Sängerin überwältigend gewesen. Statt dessen habe ich nun, was ich wirklich äußerst selten tue, >>>> eine Art Verriß geschrieben, immerhin aber so, daß er niemanden von einem Kauf abhält, der ihm vielleicht guttut. Ich möchte meine Meinung dartun, aber keiner schaden, und einem auch nicht.

Morgens, anstelle wie üblich zuerst ein Arbeitsjournal zu verfassen, bin ich sofort an Thetis und habe die Überarbeitung tatsächlich heute auch fertigbekommen. Jetzt liegt sie bereits beim Verlag.

Hinüber also an die Contessa-Arbeit, derweil ich auf Nachricht, bzw. die Sendung der zu ihrer letzten Kontrolle von meiner Lektorin durchgesehenen lektorierten Aeoliafassung warte, die morgen eigentlich an Verlag und Setzer soll. Na gut, falls es heute nicht mehr klappt, wird‛s auch morgen noch reichen. Die Sonntage sind meiner Eckerfrau privatester Raum, schon gar nicht ich darf da stören. Auch für die Löwin schloß der Sonntag mich lange Zeit aus. Es sind meine alleinesten Tage – was ich aber nicht wirklich spüre, bzw. nur unanhaltend; ich stecke eh in meinen Fantasie- und Arbeitsgefilden.
Überdies erinner ich mich gut.
Früher (!!), als ich noch in einer Lebensgemeinschaft wohnte, hießen diese Tage auch bei mir Familientag, etwas, das sich damals meine Gefährtin geradezu erstreiten mußte. Wird es sonntagsabends dunkel, jetzt also, im Herbst/beginnenden Winter schon sehr früh, frage ich mich bisweilen, ob ich überhaupt noch fähig wäre, mit einer Frau, die ich liebe, auf Dauer zusammenzuleben. Wahrscheinlich eher nicht. Dabei habe ich auch das viele Jahre lang geliebt.

Verzeihen Sie, Freundin, ich mag nicht sentimental werden. Deshalb besser in die Arbeit zurück und auch in das neu begonnene Buch: Chronik der Liebesunfälle von Tadeusz Konwicki – wobei es mich eigentlich zu Ulrich Becher wiederzieht; trotz dringender Empfehlungen von Ulrich Faure und Christoph Haacker habe ich noch immer >>>> Murmeljagd nicht gelesen; letztrer schrieb mir gestern drüber „einer der wuchtigsten, fabulierendsten, anarchischsten, verspieltesten Romane, (…) in ständiger Schwebe” der deutschsprachigen Literatur des letzten Jahrhunderts. Haacker, andererseits, hat mir aber auch den Konwicki nahegelegt und besorgt. Gleichzeitig lockt mich >>> der neue Roes. Alles aber – ja, aber – sind historische Stoffe. Dabei habe ich solch eine Sehnsucht nach Zukunft, zumindest einer Gegenwart, die selbstbewußt in sie vorausschaut, und frei.

Ihr
ANH

Indes bei Christopher-heute-Abendecker „sogar das Hermelin begriff, daß der Marder log”:

Ich sollte Arbeitsjournale nicht schreiben, wenn es bereits dämmert. Schwindendes Licht ist immer ein Ausdruck von Trauer.

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