III, 430 – Entwarnung at high noon

Entbunkert wieder. Entwarnung heut’ at high noon. Der Rücken tat mir weh: vorgebeugt über den Bildschirm Zahlen in eine Tabelle (Gewinn- und Verlustrechnung) einfügen vor der endgültigen Abgabe. Das CAT-Programm hatte sie nicht übersetzt, weil sie als Image eingestellt war, aber ich konnte die Tabelle vom letzten Jahr kopieren (sich jährlich wiederholender Bericht zum Jahresabschluss). Auch keine Bomber mehr im letzten Moment, aber wer weiß. Die Russin der einen Agentur agiert immer ziemlich spät. “Dottor Lampe?” Sie ruft auch immer gleich an. “Ma non sono dottore.” “E come La chiamo?” “Bruno.” Seit der Rückkehr aus Wien schon 250 Seiten (à 1500 Anschläge) abgeliefert.
Easy afternoon. Etwas müde. Trifft zu: „Ja, man wird alt. Ungepflegt, von schrägen Gewohnheiten in fantastische Formen verwittert, vor allem müde.“ (Cotten, Lyophilia) “Fantastische Formen” betrifft aufs neue des Morgens das Haar. Antonio ist wieder überfällig. “Schräge Gewohnheiten”!
Und beobachten, wie Lesebändchen Wein trinken! Die Lesebändchen hatten dabei dieselbe Farbe wie der Wein. Ist aber auch schon wieder ein Weilchen her, daß ich zuletzt im Lukrez gelesen (etwas doch endlich mal “auslesen”, wenngleich nebenbei sich der heilje Franz von Assisi, der Florentiner Pratolini, der akademisch-deutsch-schräge Freytag (lese sie, die ‘Verlorene Handschrift’) mittlerweile als Kuriosum, anders geht’s nich’) tummeln (Handke hat mittlerweile seine Spur unterbrochen, weil er, ausgelesen, nunmehr wieder entflogen, Sätze hinterlassend (Sätze hinterlassen!) und einen von Goethe (“G.”) beeindruckten Handke)). Heute erst wieder. Nur heute werden sie wohl nicht aus dem Wein trinken. Der Stapel links ist niedriger. Neulich war er höher, und das Weinglas ungünstig genug abgestellt, daß der Lukrez so zu liegen kam, daß eben die Lesebändchen usw. usf.
Ein einziger Versuch auszugehen. Ein Film über Robot-Sex. Mit vorheriger Diskussion: zwei Autoren, die sich theoretisch und in der Fiktion damit und mit Realdolls befaßt haben. Der ziemlich langen Diskussion konnte ich zwar noch ein Weilchen folgen. Manches läßt sich nachvollziehen, was den Gebrauch eines solchen Sex-Spielzeugs betrifft (hab’ mir selbst solche Dolls im Netz angeschaut (mit Gefühlen, die beim Anschauen die freien Vorstellungen davon nichtig werden ließen: ziemlich öde)). Es ginge, so dachte ich, wohl eher darum, ein Gefühl der Macht herzustellen, ähnlich den Experimenten mit dem berühmten Knopf: tut ja nicht weh!
Dann aber tatsächlich überwiegende Müdigkeit, so daß ich ohne Film wieder heimkehrte.
Myalgisch wieder. Da es unmöglich war und ist, über den öffentlichen Gesundheitsdienst einen Termin zu bekommen, um Klarheit darüber zu bekommen, werde ich die entsprechende Untersuchung wohl aus der eigenen Tasche berappen und in die Provinzhauptstadt fahren müssen.
Weitere Haken im Trubel der Projekte: die Bitte um die Durchsicht von Gedicht-Übersetzungen, der König Bär (Übersetzung… Übe ersetzen!… Überseezungen (Tawada))… das Eigene bleibt immer in der Versenkung. Interessiert immer nur peripher. Immer wieder: Toll! Herr Dichter! pipapo. Abgesehen davon, daß das, was ich seltenst nun noch zustandebringe, nicht wirklich den Grad erreicht, ab dem meine Zufriedenheit beginnt. Genau, ich schreibe jetzt die Turmgedichte neu:

Mai, der du nimmer bist gewesen,
Was Du sonst uns Irdischen versprochen,
Nimm, Deines Taubendreckes eingedenk,
Wenn Du darfst (wer aber gibt Dir die
Erlaubnis?), die Blitze aus dem Himmel,
Wie wenn dem Fenster ich mich nähere
Und die Taube sieht mein Größerwerden:
Im Nu die Panik, und sie flattert dann davon!

III, 429 – Letzte Liebesgrüße aus Wien und langsames Eintauchen in Amerinische

3 thoughts on “III, 430 – Entwarnung at high noon

  1. von >>>> dort:

    Sabine Scho
    „Und beobachten, wie Lesebändchen Wein trinken!“ was für ein tolles bild, das kann ich mir auch vorstellen, wie wenn so ein lesebändchen zufällig in einem glas landet, wie man früher blumen gewässter hat, mit einem wollfaden, wenn man für länger weg fuhr.

    Helmut Schulze
    Und sie trockneten, wenngleich nicht in der Sonne, wie bei Lukrez die am Strand feucht gewordenen Gewänder. Und doch: „at neque quo pacto persederit umor aquai / visumst nec rursum quo pacto fugerit aestu.“ („Niemand hat je gesehen, wie sie Feuchtigkeit aufsaugen noch wie diese unterm Einfluss der Hitze wieder verschwindet.“) – das mit den wollfäden war mir unbekannt: mein ungrüner daumen!

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