Die Arbeit ist endlich abgeebbt. Was bleibt, ist ein Theaterstück: Wolkenkuckucksheim, wie ich es vorläufig nenne, da zumindest zwei der Personen aus den Vögeln von Aristophanes stammen und sich der Autor direkt darauf eingangs bezieht. Geschrieben allerdings kurz nach dem Tschernobyl-Unfall, und die Rede ist von einer “Zone”, von Mutationen usw. Ich muß nur die richtigen umgangssprachlichen Redewendungen finden.
Dennoch erzeugt das Abebben der Brotarbeit (seit Anfang der Woche, bis dahin war noch einiges andere zu erledigen) eine Art “anstrengendes” Faulsein. Zwar äußert sich ein gewisses Tuwas-Gewissen, das sich anfangs dadurch beruhigen ließ, daß ich in drei-vier Tagen einen SF-Roman von 500 Seiten verschlang (Tiptree), über den ich hier nur so viel sagen mag, daß er geschickt aufgebaut ist und es sehr gut verstanden hat, mich zu fesseln.
Dann der Adrenalin-Stau einer Online-Buchung für einen Flug nach Paris, um rechtzeitig in Laon zu sein, wenn dort Ende September in einer Buchhandlung Bücher zu signieren sind (eigentlich betrifft es weniger mich als Ihn: Der Weg (es können noch Bücher vorbestellt werden, nicht zuletzt, um das Projekt zu unterstützen)). Aber da ich Ihn doch immer mit mir herumschleppe bzw. er mich mit sich, kommt es auf dasselbe hinaus.
Es verging ein halber Tag. Nun ist das Ticket FCO-CDG erledigt. Une semaine alors in einem eigentlich fremden Land. Dessen gesprochene Sprache ich nicht wirklich verstehe. E aventiûre sia!
Gestern bei “Une semaine alors” abgebrochen. Ich hatte mir die Neunte live vorm Brandenburger Tor ansehen wollen. Aber es klappte nicht mit der Anmeldung. Und RBB hatte sich kapriziert auf “geolocking”: “in Ihrem Land nicht verfügbar”. So sah ich mir zum Ausgleich Bernsteins Neunte von 1989 zur Wiedervereinigung an. Mußte aber dann doch unweigerlich an Clockwork Orange von Kubrick denken. Der Schiller-Text geht auch völlig gegen den Strich dessen, was ich gerade bei Lukrez lese. Das Alles übertönende Über-Ich.
Zum ersten Mal das wirklich Unangenehme der Ode an die Freude empfunden (Freude in der Bernstein-Aufführung rhetorisch umgewandelt in “Freiheit”). Am Ende dachte ich: Was für ein fürchterlicher Krach!
Heute ein merkwürdiger Umkehrschluß: Alex werden in die aufgeklemmten Augen, die Nazi-Gräuel vorgeführt bekommen, während die Neunte erklingt, Augentropfen eingeträufelt. Ich, ebenfalls heute, lese die Stifter-Geschichte “Bergkristall” zu Ende. Und habe feuchte Augen, als den in der Heiligen Nacht im Schneefall verirrten Kindern Rettung wird. Der Gedankengang ist aber unfertig. Natürlich die Rückbesinnung auf “The Pederson Kid” von William Gass. Nichts als Schnee.
Vielleicht so: Wie ich neulich in eine FB-Falle getreten bin, die mich polemisieren ließ, weil ein “Wahlplakat” (Wahlen sind aber nicht angesagt, ich hoffe es nach wie vor) auftauchte, das Salvini auf die antike Stadtmauer von Amelia als Hinweis für eine Veranstaltung mit ihm in einem anderen nahegelegenen Ort projizierte, dazu als Text die irgendwo abgeschriebene Geschichte Amelias: so wird man selber Teil der aktuellen Symptomatik der Gespaltenheit. Die von “Schulhofschlägern” hervorgerufen wird (etwa mit Argumenten wie Salvinis im Parlament: natürlich für die Italiener und dafür, daß alle Kinder eine Mama und einen Papa haben, dies dann noch nachdrücklich wiederholt… und dann hinterher vielleicht noch einen Kuß auf den Rosenkranz).
Vielleicht komme ich ja noch drauf, während die Amazonas-Wälder verschwinden und dann vielleicht kein Schnee mehr fällt und Grönland aus denselben Gründen der Ausbeutung von den Trump-USA überfallen wird. In Sibirien kommen einem die Eisbären schon bis vor die Haustür.
Ich höre Glocken läuten. Wie bei Stifter am Ende. Eine plausible Erklärung für die feuchten Augen habe ich dennoch nicht gefunden. Die Orientierung verliert sich im Rau(s)ch der Informationen. Es wohne aber der Dichter in seinem Haus, nur dort ist es ihm heimlich, und das, was heimlich, erreichet ihn bald, wenn außer dem Hause er sich verirrt. Es stets wiederzuerkennen, danach suchet er.
Du bist der, der einen universalen Gehalt freisetzt, indem du deine spezielle Dummheit meisterst. (René Char, dt. Peter Handke)
… und die Tür nicht offen, sondern angelehnt sein lassen: in der letzten Wochen kam mich in der Küche an zwei Abenden eine Fledermaus besuchen…
In einer Mail schrieb ich neulich: Man müßte Kiemen haben, um in Chars Sätzen leben zu können…