Daß ich mich etwas geschwächt fühle, liegt eher an den Arbeitsrhythmen. Ablesen läßt sich das ziemlich gut an der Lektüre der letzten Tage: vom 14. bis gestern gerade mal 8 Seiten pro Tag. Mein Pensum liegt sonst bei 50 im Schnitt. Mehr schaffte auch der Kopf nicht. Hinzu kam noch dringendes Nacharbeiten einer schon abgelieferten Arbeit, d.h. angesichts der anderen Arbeiten eineinhalb Stunden der Hochkonzentration, weil man eh schon ein schlechtes Gewissen wegen der um einen Tag verschobenen Abgabe hatte. Zu allem Überfluss ging der Tag heute mit einer Mail zuende, in der von einer Beanstandung die Rede war. Eine Übersetzung aus dem Englischen. Man bittet mich, morgen jemanden in Österreich anzurufen.
Ich, der Telephonophobe! Das Telefon ist sozusagen für mich ein Thelephon! Eher schon Anrufbeantworter als Anrufer. Bin ja schon froh, daß die Fax(en)-Zeit vorbei ist: meterlanges Papier, das sich auf dem Fußboden coilt. Und beim Schicken allerhöchste Behutsamkeit beim Füttern der Faxmaschine. Und noch mal wählen, weil irgendwas nicht geklappt hat.
“Offen zeigt der Feind mir die gefletschten Zähne, das gelbe Gebiß, dessen scharfe Zacken lockend mich blenden, um mich zu zerfleischen. Dies ist die Lage, die unverschönt objektive Lage, während ich […] vor dem Telefongerät sitze, schon wie verzaubert die schwarze Gabel bestarre und atemlos der Erlösung […] harre […]” – Henscheid, Der Feind, in: Der scharmante Bauer
… meine Finger die angegebene Nummer wählen zu lassen. Die Situation käme mutatis mutandis durchaus hin. Außerdem eine Handynummer. Vorm Bildschirm und dem Text sitzend, ist das nicht so ideal… Natürlich, ich kann mich in den Hof stellen, aber dann sehe ich den Text auf dem Bildschirm nicht.
Vielleicht als Reaktion darauf und auf die Beschwerden einiger Amerinerinnen (also besorgte Frauen in Amelia) in der amerinischen FB-Gruppe, es seien – unglaublich – noch Leute ohne Masken unterwegs (ich selbst benutze behelfsmäßig den hervorgekramten Palästinenserfummel, wenn ich zur Tabaccaia oder zum Bioladen gehe, der offiziell geschlossen ist, aber inoffiziell doch noch kurze Ad-hoc-Öffnungen hat, wenn der Vertrauensbauer sein Gemüse und sein Öl bringt), habe ich mir 50 Einwegmasken bei Amazon bestellt. Da die meisten Anbieter erst Mitte April liefern, wählte ich den einzigen, der Anfang nächster Woche liefert. Natürlich zum doppelten Preis. Kurz: an die 50 Euro. Halb Dekor (nicht unangenehm auffallen), halb Panaceum und, warum nicht, ebenfalls als Vertrauensbauer (etwas, das hilft, Vertrauen in deine Integrität, in deine importance of being earnest zu suggerieren (self accepted guy appearance (it’s all about suggestion))). Auch so als Korrektivum zu meinem wieder wuchernden Haarschopf (Unordentlichkeit!). Der steht morgens regelmäßig zu Berge. Aber die Friseure dürfen zur Zeit nicht arbeiten. Denn mittlerweile würde ich ihn gern wieder loswerden. Von 100 auf 0.
Es ist alles Kopftheater, solange der Ernstfall nicht eintritt. Heute die Nachricht vom ersten Todesfall in der Provinz. Eine betagte Frau, Wohnsitz Orvieto, sei im Krankenhaus von Terni am Virus gestorben, sei dorthin über die Notaufnahme des Krankenhauses von Amelia (auf der anderen Seite des Platzes, in dessen Nähe ich wohne) gekommen. Es wurden allerdings noch keine Fälle fürs hiesige Städtchen gemeldet.
Indes, endlich wieder ein normaler Arbeitsschluß gegen 16 Uhr. Ofen an. Holz ist noch reichlich da.
Zwar setzt Henscheid seiner Erzählung ein Motto aus Kafkas ‘Der Bau’ voran: “Freilich, manche List ist so fein, daß sie sich selbst umbringt.” Etwas weiter heißt es
“Doch verkennt mich, wer glaubt, daß ich feige bin und etwa nur aus Feigheit meinen Bau anlege.”
… und möglichst nicht verlasse. Ich wohne und gleichzeitig hause ich.