„… die auch Dante geatmet“. Friedrich Anderswelt: Die den Roman verbindende, ihn zugleich nämlich begründende Ästhetik. Gefunden bei Kantorowicz.

 

 

ANDERSWELT (ff):

„Denn obwohl er mit dem Auflösen von Wundern, Zaubern und Mythen begann, schon indem er sie nutzte und verwirklichte, damit freilich auch neu zeugte, so war doch das bisher gültige Wunder deshalb noch nicht vernichtet, sondern ein Wissen daneben gesetzt und dadurch eine jener ganz wenigen unvergleichlichen Übergangsstufen gezeitigt, in welchen einfach alles und jedes lebendig ist, und Mythos wie Hellsicht, Glauben und Wissen, Wunder und Satzung sich gegenseitig bestätigen, aber zugleich befehden, sowohl mit- als gegeneinander wirken. Das etwa war die geistige Luft, in der Friedrich II. weste: erstaunlich gelehrt und dabei irgendwo fast naiv, kosmisch spukhaft und steinern nüchtern, nackt und hart und leidenschaftlich zugleich. Es war die nämliche Luft, die auch Dante geatmet.“
Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich Der Zweite, Erschienen Berlin 1931 bei → Georg Bondi

 

 

 

 


[Zur Abbildung des Hakenkreuzes
siehe die Bemerkung → dort.]

14 thoughts on “„… die auch Dante geatmet“. Friedrich Anderswelt: Die den Roman verbindende, ihn zugleich nämlich begründende Ästhetik. Gefunden bei Kantorowicz.

  1. Für mich ist dieser Blubo-Stil, der klingt, wie in einer Ritterrüstung – bei K. wahrscheinlich „Harnisch“ – geschrieben, schwer erträglich: zeugen, befehden, zeitigen, wesen … und das alles mit Swastika-Einband und in dem Jahr, in dem der einzige mir bis dato bekannte „Kanto“ = Alfred K. in die KPD eintrat.

    Um es mit Eckhard Henscheid zu sagen: „Hoch heikel und schwer ambivalent“.

    Steht das „irgendwo“ wirklich so bei K.?

    1. „Hoch heikel“ in der Tat, lieber Knelangen, aber eben deshalb auch derart interessant. Inhaltlich wird einiges vertreten, das auch ich deutlich ablehne, na sowieso; andererseits ist unter allen FedericusII-Biographien, die ich bislang gelesen (namenlich Stürners und eben Raders) Kantoroviczs von einer Strahlkraft und über weite Strecken Eleganz, die einem selbst lang zurückliegende historische Daten ein für alle Mal ins Gedächtnis prägen, und manch eine Szene läuft wie eben eine solche vor den Augen ab, nämlich geradezu spielfilmhaft. Dazu die philosophischen Erörterungen K.’s, seine Vergleiche immer wieder vor allem mit dem späteren Bonaparte, aber auch die Einbettung in die Zeitgenossenschaften und da eben die Differenzierung … – Eindrücklich, wie sich K. in seiner Biographie aus dem Fenster lehnt, aufs plastischste eigene Positionierungen vertritt – was kein späterer Biograph mehr tut. Deshalb versteht Rader das Buch auch in erster Linie als ein Kunst- und viel weniger als „unparteiisches“ Geschichtswerk und hat im übrigen auch mit dem „Rausch“ recht, den es bedeutet, dieses Buch zu lesen. Dabei wird zunhmend klar, wieviel sein, Raders moderne(rer) Ansatz Kantorovicz gerade auch da verdankt, wo er sich gegen ihn absetzt. Selbst die Perspektive auf Friedrich als eines, dem es ums „deutsche“ Reich gar nicht oder nur insofern gegangen, als dies dem sizilischen föderlich war, findet sich auch bei dem deutschnational gesonnenen K. Wobei sich „deutsch national“ auf >>>> Das geheime Deutschland bezieht, das für Stefan George und seinen Kreis (zu dem K. gehörte) politisch ersehnte Utopie war. So auch, „Das geheime Deutschland“, hieß K’s letzte noch in Deutschland gehaltene akademische Rede. Es ist sinnvoll, sich klarzumachen, daß damals durchaus noch das >>>> hyperische, nämlich utopische Deutschland Hölderlins, aber auch Heines – insgesamt „der“ Romantiker – nicht nur im Nach-Denken, sondern auch in den Herzen wirkte. Daß die Deutschen in dieser Beziehung niemals getrauert haben („Trauerarbeit geleistet“, nach Mischerlich), darauf bezieht sich – in der Folge besonders Ernst Blochs – schon Syberberg. Wir haben es bis heute nicht getan, sondern um diesen Bereich einen riesigen verdrängenden Bogen gemacht.
      Was nun einzelne Begrifflichkeiten anbelangt, so bedenken Sie bitte den zeitlichen Zusammenhang. Wörter wie „wesen“ usw. waren bis in die Dreißiger durchaus auch im Alltagsgebrauch; ihnen haftete das spätere, durch den NS, Desavouierte noch nicht an. Und daß einiges „wie in einer Ritterrüstung geschrieben“ klinge, spricht ohnedies für Kantorovicz, insofern hier die Sprache mit ihrem Sujet verschmilzt. Nebenbei bewirkt, „Ritterrüstung“ gegen „Harnisch“ auszuspielen, zumal zugunsten des erstren Wortes, eine geradezu Verkindlichung des darzustellenden Hochmittelalters. Dagegen >>>> Walter Scott nähme man Begriffe wie „Harnisch“ wohl eher nicht übel. Sie lesen hier also, Herr Knelangen, sozusagen deutsch gefärbt, indirekt als Abwehr.
      Und, ja: „irgendwo“ steht bei Kantorovicz … genau so: „irgendwo fast naiv“, in meiner Ausgabe auf der S. 227 am Ende des ersten Absatzes.

      1. Verkindlichung des Mittelalters, lieber ANH, hatte ich nicht im Sinn und im Blick, eher die Gegenwart, in der man ja auch nicht mehr „Kraftdroschke für Taxi“ schreiben kann (Jure Becker). Und diese „wesentliche“ Sprache war sicher in den Dreißigern noch in Gebrauch, ob sie damals weniger gestelzt gewirkt hat, kann ich nicht entscheiden. Alles nur flapsige Bemerkungen, weil ich den K. ja nicht selbst gelesen habe. BTW wenn Uwe Dick über die schablonenhaften Plastikwörter „Legos statt Logos“ schreibt, dann lesen nn Prozent nicht Aristoteles, sondern den Plural von gewerblichen Piktogrammen, und man wird melancholisch, wenn man sich überlegt, was hier für nn einzusetzen ist. Was mich aber freut, ist, dass Sie sofort nach der OP schon wieder zur Dschungelform auflaufen!

    1. Das stimmt, aber die Vorlesungen sollte in jeder Uni-Bibliothek erhältlich sein – sofern man im Einzugsbereich einer solchen wohnt … Fernleihe mit Verschicken von Büchern ist ja zurzeit wegen Covid-19 ausgesetzt.

      1. @F-JK:
        Welch eine wunderbare Utopie, daß meine poetologischen Schriften in jeder Uni-Bibliothek stünden! Leider ist es meiner Einschätzung nach nur dort der Fall, wo sich Lehrende mit meinen Arbeiten beschäftigt haben und/oder beschäftigen, was, da ich nicht mit im Mainstream schwimme, nicht so häufig der Fall war und ist, aber immerhin in Bamberg, Kiel, Heidelberg, Bremen und neuerdings, wie ich hörte, in Trier. Was letztres wiederum zu Friedrich paßt – also zu meinem Romanprojekt.

          1. Für 34 EUR soeben beim Verlag bestellt, und es sind noch weitere Exemplare verfügbar, zu 34 EUR +3 EUR Versand.

            1. @Dr.med.KB:
              Ich selbst finde diesen Preis extrem zu hoch, habe das seinerzeit dem Verlag auch so mitgeteilt, und danach wurden die Augaben meines Wissens für tatsächlich die Hälfte verkauft. Irgendwann habe ich es aber nicht mehr im Auge gehabt.

              1. Lieber Alban, ehrlich…ich hätte noch sehr viel mehr gezahlt! Um Sie zu lesen und zu VERSTEHEN, in einer so grundlegenden Schrift, die ihrerseits auch mannigfache Sekundärliteratur er-zeugte, die ich nunmehr& mittlerweile „bewältigen zu haben glaube.Es ist doch so offensichtlich einer Ihrer bedeutenden Vorlesungen in HD ..das wollte ich nicht wohlfeil erworben haben!
                Manutius hat bereits versandt!

    2. Lieber Bersarin, ich hatte keine Ahnung, daß das Bücherl nicht mehr lieferbar ist, habe darüber keine Information erhalten und werde mich deshalb heute noch an den Verlag wenden, um, sollte keine Neuauflage geplant sein, zumindest die Rechte rückzufordern.
      Leider habe ich – habe eben geschaut – auch kein Doppel mehr hier bei mir (bin gestern aus dem Krankenhaus gekommen), das ich Ihnen überlassen könnte und ggbf. würde. Ich habe nur noch bei Amazon ein allerdings schweineteures Exemplar >>>> entdeckt. – Würde Ihnen das Typoskript helfen?

      1. meines wissens sind bände des „kybernetischen realismus“ noch am lager der verlages. vielleicht besser direkt dort bestellen, denn allzu viele buchhändler machen sich nicht mehr die mühe, von kleinverlagen liefern zu lassen, weil die prozente im vergleich zu den groß-sortimentern sich nicht lohnen. –– decline and fall of german book trade, I’d say.

  2. Auf der Website von Amelia gibt es übrigens folgende Notiz: „Die legendäre Belagerung durch Friedrich Barbarossa. Die Legende besagt, dass Friedrich Barbarossa, verärgert über die umbrischen Städte, die ihn besiegt hatten, die Stadt Amelia belagerte, die sich nach zwölf Tagen hartnäckiger Verteidigung ergab; in Wirklichkeit muss man annehmen, dass das dokumentierte Ereignis nicht auf das zwölfte Jahrhundert, sondern auf das Jahr 1240 zurückzuführen ist und dass der Protagonist Friedrich II. war. Die Erzählung inspirierte jedoch 1880 Domenico Bruschi, den Schöpfer des schönen Vorhangs [im Teatro Sociale von Amelia], der die legendäre Belagerung von Amelia durch Friedrich Barbarossa darstellt.“ – Gruß und gute Genesung aus Amelia! http://www.comune.amelia.tr.it/index.php?option=com_content&view=article&id=247:il-leggendario-assedio-di-federico-barbarossa&catid=108:leggende

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