Einunddreißigstes Coronojournal, nämlich des Mittwochs, den 14. Oktober 2020. (Nachkrebstagebuch). Mit Deutschem Buch- und Monika-Rinck-Preis 2020.

[Arbeitswohnung, 8.08 Uhr
France musique contemporaine:
Berio, Folks songs (1964), Dawn Upshaw]

Über Jahre war ich, es mehr oder minder wegdrückend, verletzt, niemals für den Deutschen Buchpreis nominiert worden zu sein, um von Benennung auf der Shortlist zu schweigen, jetzt aber, so schrieb ich’s gestern meiner Lektorin, bin ich mir nicht sicher, was schlimmer ist: dies oder – wie Thomas Hettche – es viermal “geschafft” und dann doch den Preis verfehlt zu haben. Nun bin ich mit ihm gewiß nicht mehr befreundet, seit zwei Jahrzehnten schon nicht mehr, aber seinen Schmerz imaginiere ich, als spürte ich ihn selbst. Wobei mir zu Ohren kam, ich weiß gar nicht mehr, woher, daß mir – ausgerechnet für den → Béartzyklus und pionierhaft schon vor dem, bei diaphanes, Erscheinen – der Monika-Rinck-Preis für moderne Lürik verliehen werden solle, was ich erstens nicht nur nicht fassen kann, sondern zweitens schon deshalb bezweifle, weil es meinen Recherchen in keiner Weise gelungen ist, auch nur irgendwas über die Auslobung solch eines Preises herauszufinden und es ihn ergo gar nicht zu geben scheint. Was freilich ein geradezu widernatürliches Versäumnis wäre. Wie aber auch immer dennoch, ist da jemand offenbar einer gewaltigen Ente aufgesessen, einer Dino-Ente sozusagen, manche der Dinger hatten ja Federn; andererseits hätte die mir so verdächtige Entscheidung aus Spielbergs Film immerhin einen echten Jurassic Parc gemacht, in dem viel real verfolgt und auch wohl viel gerissen worden wäre. Statt dessen hat nun Hettche berechtigt ungute Laune, nicht minder als — über die “tatsächliche” Entscheidung der Jury — die → von mir hoch verehrte Dorothea Dieckmann, die mir folgendes schrieb:

Selten hat mich ein Buch derart (ja: sogar moralisch) entsetzt, und das Blasorchester befeuert meine Empörung über eine unverschämte Aneignung und Geschichtsklitterung, die nun von sämtlichen Betriebszweigen widerspruchslos sanktioniert wird …

Ich selbst kann es nicht beurteilen, aber schätze die Kollegin für ihre klaren, nicht korrumpierbaren Haltungen sehr – und entsprechend ihre Bücher, zumal stilistisch ebenso. Hier deshalb der Link auf den, vom 23. Juni, → Podcast ihrer nun offenbar völlig weggeschwappten Rezension:

 

Und wer Dieckmanns ungekürzte Rezension kennenlernen möchte, → voilà!

Um mich abwer nicht so sehr davon, doch von der Mißlichkeit abzulenken, daß ich selbst derzeit kaum etwas zustande bekomme, und um wenigstens anderweitig kreativ zu sein, habe ich gestern wieder einmal ein Brot vorbereitet, den Teig angesetzt und gut geknetet sowie über Nacht im Kühlschrank fermentieren lassen und heute früh bereits auf der gemehlten Holzplatte zweimal, je in in Länge und Höhe gezogen, gefaltet, was in den kommenden drei Stunden noch dreimal wiederholt werden, bevor in vieren der dann tüchtig, so hoff ich, gegangene Laib in den Ofen kommen wird.

Der Literaturbetrieb also, aber mehr noch Corona und aberaber kein Ende. Vor drei Tagen, in einer Videokonferenz, konnte ich nicht anders als dieses Jahr eine Coronahysterie mit heiterem Krebs-Intermezzo zu nennen. Dabei läßt sich zurecht mitnichten behaupten, es herrsche in den Krankenhäuser auch nur Andrang; es stehen im Gegenteil enorm viele Intensivbetten leer, und Patienten, die Anspruch auf ein Einzelzimmer hätten, das sie auch dringend brauchten, bekommen es aus selben Gründen nicht. Imgrunde wäre alleine schon dieses ein Skandal zu nennen. Und natürlich wissen wir die nächtliche Ansteckungsgefahr des Gemüsekaufens beim Späti endlich derart richtig einzuschätzen, daß es dem Vorcorona-Berlin zwar mitnichten gelang, die alten Ladenschlußzeiten neu zu etablieren; doch nun ist es anders, und wir bekommen sie wieder. Erinnern Sie sich, Freundin, an eine Steuer, die nach ihrer Einführung wieder aufgehoben wurde … irgendeine? … ah, pecunia nun olet, stimmt! Aber die liegt an die zweitausend Jahre zurück, indes die jetzt verhängten Sperrstunden schon deshalb sinnvoll sind, weil namentlich junge Menschen bekanntlich nicht über genügend Intelligenz verfügen, sich den zur Feier der Nächte benötigten Alkohol tags im Supermarkt zu kaufen, zumal er da billiger ist, in Kästen Bieres zum Beispiel. Darauf kommt ein Jugendlicher nicht. Indessen, daß Tankstellen nicht nach 23 Uhr schließen müssen, selbstverständlich mit Donald Trumps Empfehlungen zusammenhängt, wie man sich gegen Covid-19 sicher schütze: denn wo die Desinfektionsmittel versagten, richtet’s wahrscheinlich das Autobenzin. Ebenso bekannt ist, daß die meisten Ansteckungsgeschehnisse in den Betten von Hotels geschehen, weshalb es völlig richtig ist, Geschäftsreisende aus sogenannten Hotspots allabends wieder auszuweisen. Das ist auch in feministischem Interesse richtig, das Prostitution nicht zulassen kann. Und sowieso nehmen Infektionen einfach bei Dunkelheit zu; auch deshalb die Sperrstunden, klar. Wobei wir auf keinen Fall die Konsonanten vergessen dürfen, wie der folgende Beitrag erhellt:

Nicht uninteressant war auch die Information, es seien nicht wenige der neu grassierenden Pneumonien (ein schlimmer Fall sogar in लक्ष्मीs Familie: anderthalb Liter Wasser wurden aus den Lungen gesaugt) selbstverständlich nicht auf das dauernde Tragen des Mund- und Nasenschutzes zurückzuführen, sondern, auch wenn kein Covid-19 diagnostiziert werden konnte, auf Covid-19, nämlich weil ein solches Tuch bekanntlich jegliche Bakterien abweist und schon gar nicht dazu führt, daß wir mehrfachgenutzte Luft wieder zurück in die Lungen befördern, ein Umstand, der erst recht nicht dadurch verschlimmert werden wird, wenn erst einmal die Maskenpflicht auch im Freien durchgesetzt worden ist — was kommen soll und kommen auch muß: dringend, dringendst, allerdringendst. Krebsoperationen, dagegen, sind wirklich marginal, erst recht die albernen Klagen wegen scheinbarer Einschränkungen der Bürgerrechte. Hirngespinste allenthalben. Als käme es auf Freiheit denn an – einen ohnedies zu überschätzten, ja … kann man Wert noch überhaupt dazu sagen? –, da die coronare Auslöschung wenn nicht ganz, so doch halb der Welt befürchtet werden muß. Und hat nicht Covid dem Europa die Erlösung vor den Migrantenströmen gebracht? Wie sollten die Schmarotzer auch kommen, wenn unre Grenzen zu sind? — wobei natürlich auch die Asylanten in Quarantäne mußten, nur daß sie da anders genannt war: Auffanglager nämlich. In denen war niemand jemals allein, anders als wir in unseren Isolationen. Welch ein Luxus also! Dazu noch die Sonne Griechenlands, die Sonne der Türkei … Aber davon spricht ja eh keiner mehr, ebenso wenig wie wie von der sogenannten Klimakatastrophe, die dankenswerterweise in die Schubläden ihrer allenfalls Achtelbedeutung zurückbefördert worden ist.

Ach, meine Freundin, welch böse Zeiten sind’s!

Ihr ANH
[Peter Eötvös, Ima für gemischten Chor & Orchester (2001/02)]

[16.10 Uhr
France musique contemporaine:
Jean Barraque, → Sonate pour piano (1999)]

Wie es duftet!

3 thoughts on “Einunddreißigstes Coronojournal, nämlich des Mittwochs, den 14. Oktober 2020. (Nachkrebstagebuch). Mit Deutschem Buch- und Monika-Rinck-Preis 2020.

  1. 1. Frau Rinck gründet eine Stiftung (etwas Eigenkapital – 5-stellig genügt – erforderlich)
    https://gruenderplattform.de/geschaeftsideen/stiftung-gruenden#gemeinnuetzig

    2. Frau Rinck lässt sich etwas beraten
    https://www.stiftungen.org/verband/mitglied-werden/vorteile-einer-mitgliedschaft.html
    https://www.deutsches-stiftungszentrum.de/leistungen

    3. Frau Rinck macht sich über Fördermittel schlau
    https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/foerderung/allgemeine_projektfoerderung/foerdergrundsaetze.html

    4. Frau Rinck ruft den Monika-Rinck-Preis ins Leben.

    5. etc. pp!

      1. Ein fester Wille, gepaart mit planvollem Vorgehen und den entsprechenden Ressourcen, erschafft die erwünschte Wirklichkeit! Ich kann den aktuellen Stand der Willensbildung bei Frau Rinck nicht beurteilen, aber weltliche Hindernisse sind mir nicht bekannt. Bei der Stiftungsgründung sollten ihr freilich vertrauenswürdige Mitstreiter zur Seite stehen.

        Da es sich bei (Literatur-etc.)preisen, die doch zumeist von Stiftungen vergeben werden, in aller Regel nicht um Naturkatastrophen handelt, sondern um Menschenwerk, gilt es lediglich das vorgeschaltete Regelwerk zu durchschauen. Und sicherheitshalber dann noch die Götter anzurufen. Doppelt hält besser!

        P.S. ich könnte natürlich auch eine Stiftung gründen und den entsprechenden Gaga-Nielsen-Literaturpreis ins Leben rufen, aber ich bin im Moment noch zu stark damit beschäftigt, das erforderliche Eigenkapital zu erwirtschaften, sonst natürlich gerne!

        Der Rinck-Preis wäre auch deshalb vorzuziehen, weil es ja schon irgendwie in der Luft liegt, ich meine: auf so etwas kommt man doch nicht einfach so, ohne dass es sich irgendwie abzeichnet.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .