Christopher Nolans gerühmten Film “Tenet”

gesehen, OmU, klar, aber es hätt der Untertitel selbst dann nicht bedurft, wäre der Film auf Chinesisch. Immerhin war ich seit, glaube ich, Jahren, ja, Plural, einmal wieder in einem “richtigen” Kino — das sich coronahalber so richtig nicht anfühlte, sondern bizarr. Nämlich erst einmal der vorgeschriebenen Wege wegen, die zur Kasse zu beschreiten sind, welche wiederum an die lange Süßigkeiten- und Getränketheke des Foyers verlegt worden ist, jedenfalls im Cinestar Kulturbrauerei.
Ich stand quasi alleine an, erst einmal vor einem Stehpult mit Mund- und Nasenschutz vermummtem Jungmann, um mich verfolgungsmöglichkeitshalber einzutragen; dann ließ ich mir den Kassenweg erklären, den ich verwirrend fand, weil ich die Theke ja gleich links neben mir im Auge hatte. Nein, ich mußte “außenrum” und wurde auch harsch darauf hingewiesen. Auch jugendliche Deutsche lieben es, Anweisungen zu geben, zu feldwebeln also. Man kann drüber lachen.
Also rum, außen, was in Cinestars Brauerei-Fall innen bedeutet, unter nämlich der Treppe durch, dann wieder ‘s Gesichterl gen Ausgang.
Ein Papa mit Bub kaufte noch Cola und Popcorn, was brauchte, da sich der Jung’ nicht entscheiden konnte. Machte nix, hinter mir stand niemand, vor mir keiner, aber soeben kam noch ein Pärchen zum Webelpult mit den Zetteln.
Die junge Dame hinter der Theke war immerhin nett, schaute in den Screen und rätselte ein bißchen. “Welchen Sitz geb ich dir jetzt?”
Seit ich über sechzig bin, liebe ich es, von jungen Frauen geduzt zu werden, die ich nicht kenne. (Ist diese Bemerkung correct? Wenn nicht, entschuldigen Sie bitte die Wahrheit, nicht mich.) – Sie habe noch Randplätze, in der Mitte.
“Prima”, sagte ich. “Da sitz ich sowieso am liebsten.” Als ginge ich dreimal die Woche ins Kintopp.
“Möchtest du noch etwas?”
Ohne Magen kein Popcorn, dachte ich und verneinte.
“Dann einfach dort die Treppe hoch, Kino 7.”
“Merci.”

Der Saal sah so aus:

Und hinter mir, sie verteilten sich auf die beiden letzten Reihen, saßen elf Leute, also wenn es hochkommt. Später, nach den unnötigen Werbungen, kamen noch drei weitere. Danach blieben wir ganz unter uns, was die Masken unnötig machte. Dennoch ein Blick in meine Corona-App, aha, interessanter als, na eh, die Werbung (nur die der Morgenpost gefiel mir):

 

PAUSE

Die Leinwand kündigte verschiedene Eissorten und einen Verkäufer an, die auch zusammen nicht kamen.

PAUSENENDE
(DIMMEN DES WANDLICHTS)

Dann, mit kräftigem Lärm, begann der Film: terroristischer Überfall auf ein Opern-, das eher Konzerthaus ist; der Dirigent wurde schon gleich abgeknallt. Und ebenso sofort zeigte sich die komplette Schwäche dieses Films, Nolan ließ ihm, also sich, erst gar keine Zeit, sich zu blamieren.

Spätestens seit Andersons grandiosem MAGNOLIA wissen wir, denn haben es zutiefst erfahren, daß sich über gute Filmmusik selbst die irrsten Schnitte glaubhaft machen, ja die verquerste Handlung sogar bekommt durch perfekte Tongestaltung Plausibilität. Und weil Nolan selbst spürte, wie entsetzlich langweilig seine Actionszenen würden, man guckt dauernd auf die Uhr (oder, schau nur Corona, aufs Händi) — weil er’s offenbar so quälend selber schon bei den Dreharbeiten spürte, der arme, arme Mann, darum unterlegte er nun alles mit Krawall: künstlich aufgedonnerte Schußdonner, durchgehetztes Schlagzeug, vor allem Pauken, aber elektronisch, klar, das muß ja auch ordentlich plärren, und. so. weiter, weiter weiter weiter, der Lärm hört gar nie auf oder nur selten. Zum Beispiel, wenn der von mir eigentlich ausgesprochen geschätzte Kenneth Branagh seinen so bitterbösten Schurken gibt, daß man ihm den Krebs, der ihm ange,nunjà,dichtet wird – also nicht jenem, sondern diesem –glauben irgendwie nicht kann. Branagh selbst allerdings könnte Krebs schon haben … Ich hoff, er trüg ihn dann wie ich und würde nachher triumphieren. Was dem Schurken aber nicht erlaubt wird, und zwar von Elizabeth Debicki nicht, seiner Frau, an der vor allem die Körpergröße auffällt, von der auch ihr Kosename Kat (gesprochen nämlich “Cat”) ablenken durchaus nicht kann. Sie, diese zumindest gefühlten Einsneunzig, machen Nolans Spielfilm tatsächlich ungewöhnlich. Nur hat sich’s damit schon, auch wenn es Branagh einzurichten wußte, daß, wenn er stirbt, auch die Welt untergeht, also die ganze, und zwar an einer derart verzwickten (und deshalb eigentlich großartigen) Filmidee, daß es immer wieder Momente gab, in denen ich genauso wenig Durchblick wie John David Washington hatte, den einen guten Schauspieler zu nennen – genauso genauso wie mich – von vor allem schlechtem Geschmack zeugen würde.  Allerdings zeigt er uns auf gut-US’isch-A, daß auch gute Menschen sich prügeln können müssen, und zwar richtig, und auch nicht nur gelegentlich mal wen umbringen. Das gehört zu guten Menschen einfach dazu, wenn sie die Welt retten wollen. Oder müssen. Ich meine, nicht jeder sucht sich das aus. Immerhin verstehen wir jetzt, weshalb Mr. Branagh dauernd auf sein Fitnessarmband guckt, der übrigens einen Russen spielt, um Putin was entgegenzusetzen. Wer sich in die US-Wahl einmischt, hat schließlich selber schuld.
Na gut, und weil Zeitreisen zurück irgendwie invers sind, sind es die Kugeln eben auch, also die aus den vielen Pistolen; selbst Geschützeinschläge knallen rückwärts, also schlagen rückwärts ein: erst spritzt explodierendes Gestein weg, dann re-inhaliert die Erde den Rauch, und das Geschoß jagt zurück zu Kanone und Rohr. Für Actionszenen ideal, vor allem dann, wenn vor- und rückwärts sich auf eine Weise mischen, die “knallen” für diesen Film tatsächlich zum wichtigsten Wort macht, um ihn zu erzählen.
Meine rechte Arschbacke war schon ganz durchgescheuert. Ein Zegna-Anzug, wirklich! Wer zahlt mir jetzt den Schneider? Nolan vielleicht? Oder der Kinobetreiber? Aber der haut bestimmt, wie Branagh, wenn er seine Frau meucheln will, in die Vergangenheit ab, in der sein Regisseur schon feststeckt. Bei Nolan wird selbst die Science Fiction invers und hastet rückwärts in den Kalten Krieg. Doch starke Schwarze braucht das Land. Mit ihnen wäre die Sovjetunion nämlich schon früher in die Knie gegangen. Weiß dagegen, alt und – ecco! – russisch, außerdem ein Mann? Oh, Nolan achtet auf Correctness! Und die Frau ist groß, zwar schwach, doch hoch gewachsen, und also fällt sie auf. Erzählte ich das schon? Gleichfalls der Quote also ist da genug der Genüge getan.

ABSPANN

Als ich das Kino, als erster, verließ, war nur noch der Jugendwebel einsam zu sehen, strich wie ein verirrter Windzug treppabwärts ins Foyer. Draußen glitzerte aber die Nacht wie die Unterlippe Michael Caines, der rätselhafterweise einen außerdem ausgesprochen verpeichelten Gastauftritt in diesem Tenet hat. Denn er spricht beim Essen, mit also geöffnetem Mund. A bisserl eklig war das schon.

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Christopher Nolan

Kamera Hoyte van Hoytema
“Musik” Ludwig Göransson

John David Washington
Robert Pattinson
Elizabeth Debicki
Dimple Kapadia
Michael Caine
Kenneth Branagh

Warner Bros. Pictures
seit August 2020

2 thoughts on “Christopher Nolans gerühmten Film “Tenet”

  1. Hm, ich habe nur beim Fantasy Filmfest den Trailer in Dauerschleife vor fast jedem Film gesehen und habe allein dadurch 0 Intensionen gehabt, mir diesen Film anzusehen. Sicher sind Trailer manchmal sehr irreführend, zeigen aber meist doch etwas (und teilweise zu viel, wenn man sich den Film ohne Spoiler ansehen möchte) von dem, was den Film ausmacht. Und beim Trailer hatte ich nur einfach den Eindruck, dass da eine sehr konstruierte Story actionreich ziemlich à la Hollywood umgesetzt wird.

    1. Ich denke, hätte ich einen Trailer gesehen, es wäre mir wie Ihnen gegangen und ich hätte mir den Besuch des Kinos erspart. Aber wie ich schrieb, bin ich lange, sehr lange in keinem mehr gewesen – wobei es durchaus ungerecht ist, wenn ich jetzt meine: mit Grund

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