ENTR’ACTE

Der Steuererklärung fünfter Tag. Im Arbeits-, diesmal Erinnerungsjournal des Sonnabends, dem 7. November 2020.

[Arbeitswohnung, 7.30 Uhr
Zweiter Latte macchiato
France musique contemporaine:
Hans-Jürg Meier: Wingert in der Frühe (2011/12)]

Bereits seit vier Uhr am Schreibtisch, mir gingen dauernd Belege durch den Kopf und zwei mögliche Fehler, die ich in der Rechnung korrigieren wollte. Gestern schon, um möglichst weiterzukommen, hatte ich das Laufen „gesteckt“. Immerhin hatte ich zur Nacht dann sogar sämtliche Reisebelege weggearbeitet — und heute frühstmorgens ging es mit den Bewirtungen weiter. Und wieder mache ich die Erfahrung, daß Steuererklärungen ein enormes Erinnerungspotential haben. Ganz Szenen, die ich intensiv erlebte, kehren vor die inneren Augen zurück, ja Gerüche steigen in die Nase, etwa wie wir in Wien zusammenkamen, alle, die Übersetzer auch mit ihren eigenen Gedichten und Geschichten, wie wir → vortrugen im 777, uns vorher in Doderers → Zartl trafen, am Prater; wie Elvira und ich nach Karlsruhe und Heidelberg reisten, um den → ersten Erzählband vorzustellen, wie wir zum Heidelberger Schloß hinaufspazierten ach, so vieles wieder ist da. Um nichts in der Welt, momentan, würde ich die Erstellung dieser Steuererklärung an jemanden anderes geben, für jedenfalls nur weniges andre (nun jà, mir fällt da schon was ein).
Dennoch muß ich auch immer wieder mal unterbrechen, weil Wege zu besorgen sind; heute etwa muß ich mir Paßfotos machen lassen, um am Montag nicht mit leeren Händen im Bürgeramt zu stehen. Den Termin zu bekommen — um 14.24 Uhr, auf die Minute! — hat zwei Monate gebraucht; und meine Ausweise laufen im Januar ab. Zudem ein Anruf des SANAs: Mein OP-Termin muß aus internen Gründen (die ich als coronare interpretiere) um zwei Tage verschoben werden; also fahre ich nicht am kommenden Mittwoch, sondern erst dem Freitag ein – was wiederum bedeutet, daß ich einiges umzuplanen habe. Dennoch, mit etwas Glück und Geschick werde ich mit der Steuererklärung heute fertig werden, jedenfalls den Rechnereien. In das Elsterformular alles übertragen, das kann ich dann auch morgen noch, beruhigt — und nachher eben doch noch laufen. (Immer wieder lustig, aber, daß das deutsche Finanzamt seinem Online-Programm den Namen einer sprichwörtlichen Diebin gegeben. Da hatte jemand viel Humor.)

[France musique contemporaine:
Garth Knox, Malor me bat für Viola d*amore und Cello (2004)]

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ENTR’ACTE

Der Steuererklärung fünfter Tag. Im Arbeits-, diesmal Erinnerungsjournal des Sonnabends, dem 7. November 2020.

  1. Das ist eine inspirierende Herangehensweise, profane Dinge auf diese Weise poetisch aufzuladen. Es ist eine Kunst. Und wie man sieht: es lohnt sich sehr. So lassen sich viele Minuten und Stunden adeln, die man mit vermeintlich langweiligen Alltagsverrichtungen zubringt.

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