Das Erledigungs(2)journal sowie (Nach)krebstagebuch des Dienstags, den 10. November 2020. Mit Benny Profane, dem Pluto Symphny Orchestra und am Abend Langes Carmen von Bizet.

[Arbeitswohnung, 14.22 Uhr
Hans Abrahamsen, → Let me tell you (2013)]

November. Irgendwie mag es den ganzen Tag über nicht hell werden. Dennoch schoß ich um sechs aus dem Bett, denn das da war nun → auch noch, und zwar extrem dringend, zu erledigen:

Und je früher ich im Waschsalon wäre, desto höher die Chance freier Maschinen. — Tatsächlich war, als ich zwanzig Minuten später eintraf, niemand da außer mir. So konnte ich auf die Maske noch verzichten, wie ich’s schon in auf den Latte macchiato in der Arbeitswohnung getan hatte. Ich hatte lediglich einen Espresso gestürzt.
Fünf vollste Ladungen wurden es. Als alle sich drehten, zurückgeradelt, dort das Bett neu bezogen, von gestern abend abgewaschen, kurz in die Post geschaut, Nachricht von diaphanes war da, Elvira und ich sollen uns für die letzten Korrekturen der Béarts soviel Zeit  nehmen, wie wir brauchen, aber der Verleger freue sich auf das fertige Typoskript sehr, — da waren die mir verbliebenen fünfzig Minuten bis zur Waschzeit der jedenfalls 30-Grad-Maschine fast schon vorüber, und also ging’s wieder an die → Danziger/Ecke Eberswalder. Mittlerweile drehten sich vier weitere Maschinentrommeln außer den meinen; da war aber immer noch niemand. Die meisten nutzen die direkten Waschzeiten für anderes, nur wenige warten den gesamten Prozeß vor Ort ab.
Doch nun beginnt der eigentliche Arbeitsteil: die fertigen Maschinen leeren, die Wäsche je in die Trockengeräte umfüllen, darin je an die zwanzig Minuten trockenwerfen, also sehr warm durchblasen lassen, dann herausnehmen und sorgsam Stück für Stück zusammenlegen. Bei den für mich üblichen Wäschemengen bin ich damit gut anderthalb Stunden beschäftigt. Dann alles vorsichtig in den großen Rucksack einlegen, teils auch a bisserl stopfen, nicht immer geht alles hinein, dann musses innen Fahrradkorb, gesondert; wie diesmal eben auch. Und erneut zurück. Dort den Rucksack dann leeren und alles einräumen, was in einer so engen Wohnung wie der meinen auch, ebenfalls wie heute, bedeuten kann, die anderen Stöße zur Neuordnung aus den Regalen nehmen usw. Außerdem war noch der Duschvorhang wieder anzubringen, den ich meistens mitwasche, weil sich im Bad so das Schimmeln verhindern läßt und der Vorhang lange, sehr lange hält. Eigentlich ist er so gar nicht kaputtzukriegen.

Nun war es tatsächlich elf Uhr. Um zwölf wollte ich zum Laufen los, auch wenn mir der permanenten Dämmrigkeit wegen durchaus flau war. Daß ich dann tatsächlich nicht lief, lag nicht nur an der Müdigkeit, die mich deshalb überkam, sondern sie wurde noch sehr viel dunkler, nachdem ich mir die Spritze gesetzt hatte. Als Folge der Magenresektion und also des Krebses wird sie von nun an vierteljährlich zu meinem Alltag gehören. Nix Bedeutendes, „nur“ → Vitamin B12 — für dessen körperinterne Aufnahme ein spezielles Eiweiß nötig ist, das beim Menschen  nur in der Magenschleimhaut wirkt. Kein Magen also, ergo kein solches Vitamin, was wiederum die Bildung der roten Blutkörperchen blockiert. Dort → einige der möglichen Folgen.
Mithin muß ich mir dieses Vitamin in regelmäßigen Abständen, laut meinem Onkologen vierteljährlich, künstlich zuführen. Die geradezu leuchtend rote Flüssigkeit wird aus kleinen Glasampullchen je auf eine Spritze gezogen und irgendwo in den Muskel injiziert; ich wähle den Oberschenkel, weil sich da ganz gut eine Delle zusammenpressen läßt, in  die ich die Nadel steche. Was überhaupt kein Problem ist, es tut auch nicht weh. Von dort wird das Vitamin zur Leber transportiert, die es speichert.
So weit, so immer noch sehr gut. Aber dann ging die Müdigkeit erst richtig los, obwohl ich nicht wirklich sagen kann, daß es an der Spritze lag. Es geschah nur so auffallend gleichzeitig. Kurz, ich mußte mich legen. Und schlief ein.
Als ich eine Dreiviertelstunde später aufwachte, wurde mir bewußt, daß ich heute noch überhaupt nichts gegessen hatte. Ich soll aber aufpassen, nicht zu sehr abzunehmen, vor allem jetzt, wo ich solche Kalorienmengen beim Sport verbrenne.
Suppe von gestern abend aufgewärmt, gelöffelt, da ging es mit den Bauchschmerzen los, genau unter dem Bruch wie nun schon die ganze Zeit, seit es zu ihm gekommen ist. Was blieb mir übrig, als mich abermals hinzulegen? Jetzt schlief ich zwar nicht mehr, aber lauschte ruhend dem ziemlich heftigen Gegurgel in meinen Eingeweiden. Irgendwann, wahrscheinlich als es endlich aufgehört hatte, schlief ich doch noch mal ein. Und nun ist es schon nach drei Uhr frühnachmittags, ich spüre bereits den Abend sich senken, mag gar nicht hinausschauen, fröstele auch und lasse das heutige Joggen also bleiben. Es sind auch Briefe zu beantworten, darunter dringende Fragen meines Elfenbeinverlegers zu nötigen Korrekturen im Satz der sehr bald herauskommenden Neuausgabe des WOLPERTINGER-Romans. Und Arco bittet um den Entwurf einer Vorschautextes der Neuausgabe meines New-York-Buchs. Unter anderem möge ich bitte die unterdessen fast historische Lesart herausstellen, da es seinerzeit (1999/2000) noch die Türme des World Trade Centers gegeben habe, auf einem derer eine Szene spielt, aber nicht nur das: Sondern sie geben gleichsam das Maß der Under Manhatten genannten Gegenstadt ab, in der der große utopische Konzert des Pluto Symphony Orchestras stattfindet, eines nur aus Obdachlosen bestehenden Orchesters, die ihre Bleibe in verlassenen Gängen des UBahn-Netzes haben, sehr knapp nur über den → von Krokodilen bewohnten Abwasserkanälen, in denen sie Benny Profane jagt (folgen Sie, Freundin, dem letzten Link, dann können Sie es hören).
Außerdem möchte ich Knelangen antworten, der privat einige Korrekturen zu den Béarts und auch Einwände geschickt hat, die ich aber alle selbstverständlich mit meiner Eckermännin besprechen werde, bevor ich entscheide.

Und aber nun ist es fast schon halb vier. Immerhin habe ich diese Müdigkeit jetzt zumindest im Griff und werde wohl arbeiten tatsächlich etwas können. Im übrigen läse ich gerne in Kjaerstads FEMINA ERECTA weiter.

Ihr ANH

Und ab 19.30 Uhr >>> das:

 

In Marius Felix Langes, coronahalber, Bearbeitung für kleines Ensemble. Insofern eine, nämlich, Uraufführung.
(Ich wäre gern selbst hingefahren, aber mir fehlt derzeit das Geld, in diesem Fall für Bahnfahrt und ggbf. Übenachtung; außerem  sitze ich nicht so gerne zweieinhalb Stunden lang  mit Maske da. Und habe ja morgen vormittag den nächsten Covid19-Test wegen der OP am Freitag, zudem das Gespräch mit dem Anästhesistin.)

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