Aufbruch 6.20 Uhr, SANA Lichtenberg auf der Station um 7. Dort kennt frau mich ja schon, und man.
Kurz die Formalitäten und aufs Zimmer gleich, entkleiden, das bizarre Nachthemd an, ins Bett, ein bißchen spieln noch die Zehen… doch schon geht’s rollend ab ins futuristische Cockpit des OP-Saals. Das ich noch mitbekommen werde, fein. Und da soll ich halt zählen. (Nicht ohne Witz: auszählen, sich selbst auszählen. Anästhesisten-Kalau.)
Habe ich Ihnen, Freundin, schon erzählt, daß ich die 13 liebe? In der Tat, als die matriarchale Zahl ist sie voll der circeschen Lockung und birgt jede Höhlung des Venusbergs, in der wir uns erfüllen. Weswegen sollte ich also nervös sein? Und doch, und doch, ich bin’s. Ans Schlafen war heut kaum zu denken bislang. Also konnte ich auch aufstehn so nachts, mir einen Tee aus Salbeiblättern bereiten und mich an den Schreibtisch setzen. Um dieses hier zu schreiben.
ANH, 3.32 Uhr
(Erscheinen soll’s aber erst zum Skalpell).
Sana Ankunft,
6.45 Uhr
***
[16.52 Uhr]
Alles gut gelaufen, aber doch … ja, heftiger als nach der Magenresektion, “einfach” deshalb, weil ich zu der OP eine PDK gesetzt bekommen hatte, hierfür aber nicht. Und also bekomme ich so ziemlich alles mit — zu dem für mich wirklich schwierigen Umstand hinzu, daß mir nun doch noch mal ein Blasenkatheder gelegt wurde. So gräßlich, daß ich das Ding echt widerlich nennen muß. Es verursacht dauernden Harndrang – psychisch, denke ich mir, einfach “nur” psychisch –, ohne daß ich pinkeln aber kann. Woraus wiederum mein Gefühl folgt, daß, wenn ich auch nur noch ein bißchen trinke, mir die Blase platzen wird. Eventuell wird das Ding aber nachher noch, spätestens morgen gezogen.
Immerhin, den Arbeitsplatz habe ich mir nun schon eingerichtet
und bin auch die ersten Schritte, nach der OP, wieder ohne Hilfe gegangen, kann auf jeden Fall, was mir wichtig , auf die Toilette, und zwar allein. Indes — worauf ich mich nun wirklich freue … in nicht mehr ganz zwei Stunden … darauf, voilà!:
13.
Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum,
An dem du blühen siehst der Zukunft goldnen Traum,
Die Tage wünschest du, daß sie geflügelt seien,
Um nur mit einemmal zu sehn des Baums Gedeihen.
Doch geben kann dein Wunsch den Tagen keine Flügel;
Die starke Hand der Zeit führt sie am festen Zügel.
Und desto langsamer siehst du dahin sie schreiten,
Je ungeduldiger du wünschest ihr Entgleiten.
O wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!
Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück.
Die Zukunft kommt von selbst, beeile nicht die Fahrt!
Sogleich Vergangenheit ist jede Gegenwart.
Du aber pflanz’ ein Kraut an jedem Tag im Garten,
So kannst du jeden Tag auch eine Blüt’ erwarten.
Friedrich Rückert, Die Weisheit des Bramanen, zwölfte Stufe, 13. Vers
toi toi toi!
P.S.
beruhigender Nachtrag.
Den doch aufregenden Operationstag mit diesem abendlichen Konzert abzurunden ist wunderbar.