Wen Michaela Ungefugger freilich länger und mit höchster Ambivalenz ansah, war Oìsin, den nun ehemaligen Internatsmitschüler; sie hatte erst kaum geglaubt, wen sie da wiedersah – derart männlich war der junge Finnsohn geworden, daß sich, sagen wir, ihr Unbewußtes weigerte, ihn als denselben wiederzuerkennen, der ihr durch seine gefühlige Schwärmerei immer so lästig gefallen war. „Hallo Oìsin“, hatte sie nur gesagt, noch bevor überhaupt etwas anderes gesprochen worden war. „Tag, Michaela“, hatte Oìsin uninteressiert geantwortet, auch mehr gemurmelt, als tatsächlich ausgesprochen.
„Ihr kennt euch?“ fragte Jason.
Oìsin antwortete nicht drauf, nur Michaela Ungefugger sagte: „Ja, aus Schulpforta, lycée de vents, Belfort. Mein Vater hat ihn da wegholen lassen.“ Mehr erzählte sie nicht, und auch Oìsin, sowieso, schwieg dazu.
Dennoch war er nicht unbewegt, so wenig wie Sola-Ngozi. Die Amazone hatte ihn nur angesehen und gewußt: das ist mein Mann. Es gab da gar keine innere Diskussion, nichts Fragliches, nicht einmal die Unruhe, die jede unvermerkt aufgehende Verliebtheit begleitet. Es gab nur entschiedenes Wissen. Sei es nun, daß sich das auf ihn übertrug, sei es, daß ganz das gleiche, von sich aus, auch in ihm geschah, sah er sie mit demselben Blick an. Beide hatten das Gefühl, sie hätten bereits beieinandergelegen und sich danach für kaum mehr als ein paar Stunden getrennt. Sie ahnten nicht, daß dies die bleibende Ausstrahlung des Wunders der vergangenen Nacht war, dem wir den Titel eines Notturnos gaben.
Übrigens bekam unter den anderen einzig Kignčrs etwas davon mit, der aber ganz unmittelbar. Momentlang ging ein Zucken über das schartige Gesicht dieses Rauhbeins. Er ja a u c h hatte begonnen, die Amazone sehr zu mögen, nicht im verliebten Sinn, nein, für so etwas war er sowohl zu alt (und sie für ihn zu jung) als noch viel zu sehr in Corinna Frieling gebunden; wohl aber in einer Form zugeneigter Hochachtung. Er spürte den Impuls, Sola-Ngozi zu berühren, vielleicht seine rechte Schulter kurz ihre linke berühren zu lassen, aber seine Diskretion erlaubte ihm nicht einmal das.
Schon wieder ich.. Manchmal, wenn ich traurig bin,
klettere ich in meine Bonbondose
und ein Gummibärchen hält mir zärtlich meine Hand.