Argo. Anderswelt. (123).

Und Herbst, in Deters’ Arbeitswohnung, hatte sich auf seinen Schreibtisch konzentriert, hatte den Laptop geöffnet und beschrieb, wie ich für noch fast eine halbe Stunde in die Nacht schaute und sich mir über den davonschreitenden Kignčrs ein w i e d e r ganz anderes, aber transparentes Bild deckte, so daß der Mann darin ebenso erhalten blieb wie Erissohn und seine Hörer: Kamatipura, die über die Straße gehängten ProstituiertenKäfige, Pfiffe aus den Häusern, um den möglichen Freier zu locken, die Hitze, der Schmutz. Und nebenan schlief leise mein Junge. Schlief auf dem Hochbett seines Berliner Kinderzimmers in das Knattern einer Zuckerrohrpresse. Im Schneidersitz saßen die Regenschirmflicker. BelpuriStände Ohrenputzer. Tardeo Chowk. Rechts führte über die Geleise, die man von hier aus nicht sah, der Beton des breiten langgezogenen FlyOvers, je zu Seiten die Händler, paar Gewürzbuden gleich rechts neben der Ausfahrt, teils breiteten die Menschen Tücher auf den schmalen, aufgesprungenen Gehsteigen aus, darauf kunstvoll getürmt Bohnen Möhren Tomaten Guaven. Es war so heiß, daß mir das Hemd am Rücken klebte; gegen den Schweiß und die Sonne trug ich ein dünnes, im Nacken geknotetes Handtuch über dem Kopf. Lieben, tippte, ins aufgerissene Lederpolster des alten englischen Stuhles gedrückt, Herbst, Leben. Merkte, daß etwas an ihm zog, daß er wieder unsichtbar wurde, die rechte Hand, ausgerechnet, fing damit an. Er stand auf, ging in die Küche, um in der Pavoni einen latte macchiato zu bereiten, deshalb bemerkte er die nächste Regung im Wäscheberg nicht – und daß sich alles auf die folgende, eine vulkanische Phase dieser Erzählung vorbereitete, an der er selbst nicht mehr teilhaben würde, jedenfalls nicht direkt, weil das fragile Gebilde einer stablierten Harmonie auf neuen Ausgleich drängte: Nicht Niam nur war angerufen; es gab da, durchaus kosmisch gesehen, eine Archivdatei, worin abgelegt war, was die Welt vorübergehend nicht brauchte. Nicht nur eine, selbstverständlich, Tausende, dachte ich, Hunderttausende, Millionen Daten, die wie ein schlafender Virus darauf warteten, wieder aktiv zu werden. Über die fundamentale Bedeutung, die Viren für die Evolution spielen, schrieb Luis Villareal einen mehr als erhellenden Aufsatz. Moment, ich sehe mal nach.

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