Eine Warnung. Das geträumte Buch.

Meine Mutter eröffnet mir, daß ich eigentlich kein Ribbentrop bin, sondern ganz anders hieße, nämlich eigentlich aus dem Osten stammte. Sie habe meinen Vater, und zwar in Magdeburg, nur des Namens wegen (ausgerechnet!) geheiratet, um auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen.
Ich will nachfragen, aber da werde ich weggerufen: zu einer Lesungs-Veranstaltung des marebuch-Verlages; es wird ein neuer US-amerikanischerAutor vorgestellt, der über einen See-Gerichtsfall geschrieben hat. Ich verträume offenbar die Veranstaltung von vorgestern abend mit der von gestern, bei der ich ja selbst auf dem Podium saß. Nachdem der US-Amerikaner gelesen hat, werden zwei deutsche Autoren des Verlages gebeten, ein paar Stellen vorzutragen, und zwar auf Deutsch, aber direkt aus dem Buch übersetzt. Ich bin als erster dran, der Verleger reicht mir das Buch, ich beginne, schon fallen mir erste Vokabeln nicht ein oder ich habe die englischen Wörter noch nie gekannt; immer wieder muß ich den Verleger fragen, die Sache wird peinlich, ich muß auf Klo. Bitte, mich zu entschuldigen, laufe auf den Gang, finde die Toiletten. Es gibt nicht nur nach Geschlechtern getrennte, sondern auch einen Abort nur für Behinderte. Aus irgend einem Grund wähle ich den letzteren, trete ein, will im Stehen pinkeln. Aber auf die Klobrille ist eine höchste bewegliche Apparatur montiert, die ständig versucht, den Körper des Sitzenden zu umschließen, so daß er nicht vom Sitz fallen kann. Ich aber stehe ja nun, worauf sich die Apparatur nicht einzustellen weiß, so daß sie mich ständig an den Oberschenkeln, an Gesäß und Bauch zu umfassen und festzuklammern versucht, was mir die Kloschüssel dauernd unzugänglich macht. Endlich gelingt es mir dennoch, ein paar Tropfen abzudrücken, und wie aus den Armen einer knienden Person, zu der die Apparatur denn auch wird, reiße ich mich los. Sie erhebt sich dann, lächelnd, eine Art Stewardesse im Kostüm und auf halbhohen Pumps, sie öffnet mir die Tür. Ich bin gar nicht irritiert, bloß besorgt, und rase zurück in den Veranstaltungsraum. Dort liest unterdessen längst jemand anderes aus dem Roman vor; wir sitzen jetzt in einer Podiumsreihe vor einem Publikum, das in meinem Traum nie sichtbar ist. Die Kamera meines Unbewußten hält ihr Objektiv (!) rein auf die Vortragenden gerichtet.
Während der Lesung blättere ich mit einem Kollegen in der Frühjahrsvorschau des Verlages; darin findet sich eine fast halbseitige Anzeige meines neuen Buches: Man sieht einen lichten Herbstwald, durch dessen ausgesprochen lockeres Blätterdach ein spätes warmes Sonnenlicht fällt, also handelt es sich vielleicht auch um einen Park. Auf dem Weg, der durchs Bild führt, sieht man dreivier impressionistisch-schemenhaft skizzierte Menschen, links seitlich stehen Auszüge aus zwei Kritiken, eine sehr gute über meinen neuen – realen – Erzählband (also über “Die Niedertracht der Musik”) und eine, deren Zitat offenbar so ausgewählt worden ist, daß eine schlechte Kritik wie eine gute wirkt. Beide Kritiken stammen vom selben Autor, dessen Name in dem Traum deutlich fiel, den ich aber unterdessen schon vergessen habe. Und mein Nachbar sagt: “Das finde ich zweifelhaft, daß sich ein Kritiker für einen Verlag derart exponiert.” Das herausgebrochene Zitat lautet s o: Kein Text kann die Qualität der Vergana vernichten. Und das neue – nur geträumte – Buch heißt… ganz rot steht es unter der Anzeige in einem sehr hervorgehobenen, gestreckt unterlegten Kasten:




G E F A H R




[Vom 14. auf den 15. April 2005.]

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .