Kehl (ff). Argo. Anderswelt. (105).

Kehl nun ragte als kolossaler Monolith aus den übrigen Modulen hervor und war unterdessen nicht nur, wie Buenos Aires sonst, nach Westen hin nahezu fensterlos verschlossen, sondern auch gegen die bürgerlichen Arkologien des Zentrums. Das merkte, wer hineinfahren durfte, allerdings nicht, denn das ebenerdige Geschoß hatte einen eigenen Himmel, unter dem das insgesamt flachgebaute Städtchen wie seinerzeit ruhte mit den gepflegten badischen Häusern, mit Kirchen und ringsumher sogar der Anmutung kaum entfernten Weinbaus. Oft schien über Kehl sogar eine Art Sonne, gleißend und ausgebreitet über den künstlichen dichten Wolken, so daß man nicht hochsehen mochte; schon der Gedanke daran ließ einen die Augen zusammenkneifen. Obwohl bereits vor Jahrzehnten Kehls Multimodalität nicht nur ein Mundzeugnis gewesen war, ließ sich nicht einmal eine Ahnung davon gewinnen, daß ganz in der Nähe eines der wichtigsten Hodnawerke in Betrieb genommen worden war, das einen Abschnitt der nebelhaften Projektionen mit Energie versorgte, die längsrheinisch das Zentrum von der Weststadt trennten. Und schon gar nicht von dem raumhafenähnlichen Komplex vier Geschosse darüber, dem weiten Flugfeld mit Start- und Landbahnen der busartigen Gleiter für den Personenverkehr, der gesamten Logistik aus Hightech und Mannschaftsunterkünften, den Lagerhallen, Wartungs- und Reparaturbetrieben und, wiederum in Geschossen darüber, den Kasernenanlagen Exerzier- und Übungsplätzen, den Schießständen, der westlichen europäischen Kommandantur des MAD und der Feldjägertruppe; Kehl war für den europäischen Militärapparat, was Koblenz für die Polizei war. Aber davon ließ sich nichts merken, wenn einer unten ins Örtchen fuhr und den Wagen in der Hauptstraße 20 vor Baldners Gasthof Schwanen parkte. Von hier aus waren es nur ein paar Schritte stadteinwärts die Straße hinunter, dann stand man schon vor dem Häuschen, in das sich der junge Hertzfeld ein paar Wochen nach dem Verschwinden seines Vaters einquartiert hatte oder, genauer formuliert, auf Veranlassung Carola Ungefuggers, die dabei selbstverständlich nicht in Erscheinung trat, einquartiert worden war. Letztlich finanzierte aber sie dem jugendlichen Freund die Laube, wie sie die zweieinhalb Zimmer kitschiger- und schon deshalb fälschlicherweise nannte, weil die Unterkunft souterrain lag. Eigentlich hatte Familie Orten bloß einen Teil des Kellers ausgebaut.

>>>> ARGO 106


ARGO 104 <<<<

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .