[Arbeitswohnung.]
Eigentlich wollte ich – und will es noch immer – von dem schönen Fest gestern schreiben, einem Sandwerderjubel, aber dann kam mir eben die Puberträt dazwischen: mal ausnahmsweise, mein Sohn, nicht die währende meine, sondern begonnene Deine. Ein Vater-Sohn-Gespräch ist erfordert, das für uns beide nicht angenehm ist, aber dessen Ergebnis Dir, so möchte ich’s, letzten Endes Klarheit bringt: was will ich, was ist mein Ziel, und was ist, um es zu erreichen, nötig? nötig nämlich tatsächlich und nicht, weil Du anderer Leute Ansprüchen genügen sollst. Es geht um Deine eigenen Ansprüche, denen Du genügen mußt, um Deine eigenen Wünsche und Begehren. Ich bin da nur, als Dein Vater, derjenige, der Dir die verschiedenen Wunschschichten, die da ineinander verfilzt sind, auseinanderzuzupfen hilft. Meine Emotionen haben dabei nichts zu suchen, wiewohl sie da sind, Enttäuschung, Verärgerung, all das – Unfug, beiseite damit und den Blick ganz allein auf Dich gerichtet. Und daß man Scheiße baut, sowieso, immer wieder, das fängt jetzt alles erst an; aber daß man danach zu ihr steht und sie vielleicht auf eine Weise wieder wegbekommt, die einen schließlich stolz macht. Der Schritt vom Kind zum Jugendlichen ist nicht ohne Tücken, nicht ohne Härten, Fehler sind geradezu vorprogammiert, ja es wäre verdächtig, geschähen sie nicht: d a n n liefe etwas wirklich schief. Das Heikle, für die Eltern, in dieser Phase ist, daß keine Sanktion den Widerstandsgeist des Kindes brechen darf, sondern im Gegenteil müssen die Sanktionen diesen Widerstandsgeist stärken, indem sie ihn mit Inhalten füllen, die es wertvoll machen, daß man widersteht. Dann nämlich entsteht auch Stolz auf die eigene Haltung. Es geht also nicht darum, Kinder zu lehren, daß sie gehorchen; das gerade wäre falsch. – Und jetzt bist Du grad losgeschossen, um auszuwetzen, was Du verbockt hast; kriegst Du das hin, werden nicht nur wir Eltern stolz auf Dich sein.
(Auch das muß er begreifen: Er ist jetzt auf einer Waldorfschule, der humanistische Inhalte wichtiger gelten als dingliche. Das kommt seinem Charakter, ja seiner Mentalität sehr entgegen; er liebt es, dort zu sein. Aber auch das hat Konsequenzen, will etwas von ihm, und zwar mit vollem Recht.)
So, und jetzt zum gestrigen Fest:
Fünfzig Jahre LCB:
Lange innig mit Delf Schmidt beisammengestanden, den die schöne Verlagsvorschau zu Argo fast, hatte ich den Eindruck, glücklicher macht als mich, und immer wieder Umarmungen mit Gil, seiner Frau; den klasse Rainer G. Schmidt sah ich wieder, auch Loschütz war da, Renate von Mangold, die im Alter geradezu edel wirkt, dann der Kreis um Johan de Blank, Ulli Schreiber, Leiter des Internationalen Literaturfestivals, mit dem ich zwar nicht lange sprach, aber wir grinsten uns wie pfiffig Verschworene an; ferner die viertelsganze neue, junge Generation von Autor:inn:en und sogar Hermann Peter Piwitt, der verschmitzte, stille alte Hochstilist; Hartung sah ich, aber er erkannte mich nicht, der einst so hübsch über das, wie er’s in der FAZ genannt, „Ding mit dem Ei“ geschrieben hatte – eine kleine Erzählung in meinen >>>> Arndt-Novellen, worin ich den Anspruch des Geistes travestierte, auch über den Körper voll zu herrschen, wiewohl der sein einziger Grund. Leider verlor ich den Mann in den Scharen aus den Augen; hätte gern dreivier Sätze mit ihm gewechselt. Gleich zu Anfang beisammen mit Christa Schmidt, immer wieder mal eine Berührung, oft nur mit den Augen, weil man in ihre so hineinfallen kann, halb spöttisch dabei von ihnen weiterbetrachtet, halb aber auch wie in ein warmes Wasser gelegt, das wohler tut als irgend ein Whirlpool. Und eine wirkliche Erscheinung, empfand ich, unmittelbar berührend, da, wo die Seele an eine Synapse der Empfindung geknüpft ist; davon sprangen Flämmchen: >>>> Angelica Ammar. Ich geb aber zu, daß ich da schon etwas betrunken war. Auf Sizilien hab ich immerhin gelernt, mir alkoholbedingte Einschränkungen nie anmerken zu lassen; spüre ich, daß mir der Griff entgleitet, mach ich mich sofort davon.
Nachts auf dem Plafond des SBahnhofs Wannsee. Mit Johann de Blank.
(Ob ich heute wirklich zum Arbeiten kommen werde, ist ein bißchen ungewiß. Erstmal, nachher, den Alkohol aus dem Körper laufen. Dann vielleicht Administration: hier liegen einige Briefe herum, die ich einfach zu öffnen vergaß.)
14.22 Uhr:
[Frank Martin, Der Sturm.]
Dauerregen. Das wird nix mit dem Laufen, da es überdies kalt ist. So gut ist unser beider, meines Sohnes und meine, Kondition noch nicht, daß uns klammes Dauergefröstel nichts anhaben könnte. Vor allem er muß Kondition überhaupt erst aufbauen. – Ärgerlich, aber gut, einen Tag Pause sollte man ja ohnedies immer einlegen.
Also den >>>> Giacomo Joyce vorgenommen. Mal sehen, wie weit ich heute mit meiner Aneignung kommen werde; auch >>>>Parallalie http://parallalie.twoday.net , bei dem es ebenfalls piove come il dio lo manda, wird sich vielleicht daransetzen. Bei ihm könnte man eigentlich sogar ein paar Scheite in die stufa legen und herrlich flackernd dahinbrennen lassen.
Ihre Schilderungen solcher literarischer Ereignisse haben immer etwas, das es in der modernen (Zeitungs-)Welt nicht mehr gibt – so als seien Sie, ein wenig in der Art des Regierungsrates Meseritscher aus Musils ‚Mann ohne Eigenschaften‘, Gesellschaftskorrespondent in Abendgarderobe mit Monokel. Natürlich kenne ich das LCB, wenngleich ich dort nichts zu suchen habe, so daß sich so also vor meinem geistigen Auge die ganze Veranstaltung abspielt, als sei ich dort gewesen. Was will ich mehr!
Als Handies noch echte Monster waren Was das Internet und Handies etc betrifft ist es schon sehr erstaunlich, welche Entwicklung in so einer schnellen Zeit stattgefunden hat. Ich denke sehr oft an meine Eltern, mein Vater starb 1985 und meine Mutter 1988 in einem Flugzeugcrash.
Beide kannten weder Computer noch Handies.
Ich träume oft, sie wären zurückgekehrt und ich könnte ihnen erklären, was das ist, was ich ständig benutze. Ich stelle mir ihre verstörten Blicke vor, wenn ich Fotos mache mit dem dünnen, leichten Telefon. Das letzte, was sie sahen, waren die Telefone mit der Nummerntastatur und dem gedrehten Kabel. Selbst schnurlos gab es da noch nicht.
Kurz nach dem Tod meiner Mutter legte sich der Nachfolger meines Vaters das erste Handy zu. Es war riesig. Und schwer. Wahrlich ein Monster und ich war beeindruckt. Seit damals fliegt die Zeit und nimmt die IT Entwicklung mit sich. Irgendwie auch beängstigend. Wenn ich es ihnen doch nur EINMAL zeigen könnte, einen kurzen Moment lang,. Ich glaube, ich wäre glücklich !
mit scheiten ist seit märz nichts mehr. da helfen nur noch zaubertränke und kollektives beisammensitzen und -essen, um dann gelegentlich mit der zigarette vor der donnernden regenwelt zu steh’n, aber auch nur für die länge derselben.