Abschied von Amelia. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 7. Januar 2013. Auf wieder Berlin zu.


8.32 Uhr:
[Kardinalswohnung, Kaminraum.]

Caffelatte, Esportazione.
Ich gewöhne mir >>>> Parallalies Rhythmus an: halb nach Mitternacht ins Bett, um acht erst aufstehen. Das muß sich wieder ändern in Berlin. Dort ist mit Volldampf das neue Hörstück zu beginnen, der Plan selbst rigoros umzuwerfen, neu zu verfahren. Ende des Monats will ich das Stück abgeben können, schon, damit das erste Halbjahr ökonomisch gesichert ist; andernfalls würde es mal wieder mau.
Wir haben den >>>> Giacomo Joyce nun so weit fertig, wie nach Notwendigkeiten möglich; ein erstes – gegenseitiges – Lektorat liegt hinter uns, ein paar Fragen, wenige, sind noch offen, ein paar Begriffe, besser: Namen, sind noch zu finden. Die Namen seien, las ich gestern, die Folgen der Dinge. Diese mittelalterliche mystische Auffassung liegt allem Übersetzen zugrunde, das nahekommen und nicht nur bezeichnen will.
Schließlich lasen wir uns abends Gedichte vor, der Freund schrieb ein schönes eigenes, >>>> Dianen gewidmet, las weitere seiner Gedichte vor, von denen ich meine, es sei dringend die Zeit für einen Verlag. Dann legte er mir Petrarca vor und noch Gedichte >>>> Ernst-Jürgen Dreyers, die mich in Begeisterungsanfälle versetzten, sowie >>>> seine Morphologie der Musik

,

die – man faßt es nicht, so schön ist das – folgendermaßen beginnt:

Gegen Deduktion ist das Mißtrauen schnell wach. Sieht sich doch der Leser, wenn er auch nur mit den Augen dem Ableitungsgefälle folgen will, zur Akzeption von Prämissen verurteilt, von denen ihm weiter nicht mitgeteilt wird, woher sie stammen, und ob es nicht fixe Ideen sind.In diesem Alten Ton, geschrieben aber, jedenfalls erschienen, 1976.Gegen den Verdacht, ihm werde die Katze im Sack verkauft, mag die Vorerinnerung helfen, daß sich der Wert eines Werkzeugs nach dem Gebrauch bemißt: etwa eines Fernrohrs danach, wie es vergrößert und in die Nähe holt; und eines Dietrichs, daß sich das Schloß damit öffnen läßt, etc. Und daß man nie zur Sache selbst käme, wenn man Fernrohr oder Schlüssel nur mißtraurisch drehte und wendete.

Ganz ebenso ist es doch mit der Dichtung; argwöhnt einer von vorneherein, daß sie gar keine sei, vielmehr Schund, findet er niemals hinein. Ein Einlassen ist gefordert. Ob jemand für einen guten Künstler gilt, hängt sehr von der Bereitschaft ab, ob man ihn (oder sie, selbstverständlich) dafür hält. Mitgebrachte Abwehr läßt jeden Vorhang unten. Vielmehr ist, um einen weitren alten Anspruch zu nennen, sich den Phänomenen mit Liebe zu nähern, und eben nicht, weil man urteilen will. Das Urteil erträgt keine Nähe, es scheut sie und stellt sich – auch als noch nicht ge-, ecco!-fälltes, über sie und bleibt ihnen so notwendig fern.
Dies, soeben, geht mir durch den Kopf, der gleichzeitig mit einer dritten Fortsetzung >>>> dieses Briefes umgeht, die schwerlich aber noch vor heute abend geschrieben werden kann, bzw. vor heute nacht. Denn das Bad heizt gerade auf, damit ich mich zur Reisebereitschaft nicht nur, ohne zu frieren dabei, schere, sondern auch vermittels Wasser hygienisiere. Kurz nach ein Uhr wird mein Zug nach Fiumicinio, zum Aeroporto, abgehn; um 17.20 Uhr erhebt sich der Flug in die Luft, so daß ich zwischen acht und halb neun abends wieder in der Arbeitswohnung sein werde.
Danke, Helmut, für die Gastfreundlichkeit. Danke, Amelia, für die Arbeitszuflucht über Deinen Gassen. Danke, Umbrien und Rom, für das Blau und die Sonne im Winter.

2 thoughts on “Abschied von Amelia. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 7. Januar 2013. Auf wieder Berlin zu.

  1. Sonnwintrig Die Sonne im Winter ging längst schon unter; seit über einer halben Stunde sehen hier wir Schwarz. Auf den nächsten Herbst sind wir gespannt: re-joyce!!!!!!

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