Nach Monteverdi, betäubt noch von Kats-Cherin und Koskies letztlich dunkler Sicht. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 4. Oktober 2012.

8.50 Uhr:
[Arbeitswohnung. Monteverdi/ Kats-Chernin, Orpheus.]
Abermals verschlafen, diesmal sogar bis halb acht. Abermals die Routine zerbröselt. Ich weiß aber, woran es liegt, nämlich nicht nur daran, daß ich zu spät, erst kurz nach eins, im Bett lag, sondern mich nehmen die Ereignisse der letzten Tage so mit, worüber ich aber nicht öffentlich schreiben sollte, was mich ebenfalls sehr mitnimmt: dieser Art eines schreibenden und publizierenden Auffangens darf ich momentan nicht nachkommen, um mir keine möglicherweise entscheidenden Rechtsnachteile ins Haus zu holen. Das Ganze zehrt. Entsprechend sind meine Träume, die insoweit auch literarisch nichts bringen, sondern „reine“ Verarbeitungen einer bestimmten Problemlage sind.
Dazu kommt, daß ich ab dem kommenden Dienstag zur Buchmesse nach Frankfurtmain reisen werde, die arbeitswichtige Routinen sowieso immer durcheinanderbringt. Heute nachmittag habe ich ein wichtiges Treffen im >>>> Elfenbein-Verlag; da wird es unter anderem auch um Argo gehen, aber auch um dieses enorme Projekt, das mir seit Tagen durch den Kopf geht.
Erst einmal, heute, aber, die nächste Übersetzung des >>>> Giacomo Joyce. Dann geht es an die Besprechung der >>>> Monteverdi-Operntrilogie von gestern. Daran werde ich sicherlich einige Stunden schreiben. Sie ist es mehr als wert. Zwischendurch muß ich zur Post, um ein Einschreiben mit Rückschein hinauszuschicken, wegen dieser mich so sehr belastenden Angelegenheit, die auch, wie ich spüre, auf meine Freundschaften einen dunklen Schatten wirft. So daß ich ein bißchen, würde meine Do das nennen, subdepressiv bin. Für Depressionen ist langes Schlafen Futter, für die Erkrankten also: Gift.
Auch heute wird Argo also wieder leiden.

Was mir überdies nachhängt, viel mehr vielleicht, als der Anlaß eigentlich rechtfertigt, ist das Gefühl eines letztlichen Alleinseins, das mich gestern bei Beginn der dritten Monteverdi-Oper massiv überkam und das deren Inszenierung dann noch nährte. Meine Begleiterin, die ich für die Trilogie eingeladen hatte, hatte mir nach der zweiten Oper gesagt, daß sie bei der dritten eines anderen Termins wegen nicht mehr dabeisein könne. Also hatte ich eine Karte zu viel gekauft und versuchte nun, in den Pausen, jemanden anderes zu finden, die/der die Vorstellung wahrnehmen wolle. Ich telefonierte und telefonierte, niemand konnte, so daß die Karte schließlich verfiel. Verfallende Opernkarten sind etwas, das ich als Kapitulation empfinde: alle andere Menschen haben andere Werte als ich, so empfinde ich das; letztlich bin ich allein. Das kränkt nicht, ich verstehe es auch, aber es tut weh. Noch jetzt, da ich dies schreibe. Ich werde dieses Gefühl von Einsamkeit nicht los.

11.57 Uhr:
[Monteverdi/Kats-Chernin, Odysseus.]
Auch an die Kritik noch nicht gekommen; damit werde ich jetzt anfangen. Zu dem Termin mit Elfenbein ist jetzt noch einer mit >>>> meiner Impresaria http://www.stang-pr.de hinzugekommen, nach 17 Uhr. Eine heutige Arbeit an Argo wird immer ungewisser.
>>>> Faust-Kultur meine >>>> „American Lulu“-Rezension übernommen. Und nun steht auch >>>> meine eigene Nr. 48 des Giacomo Joyce‘ in Der Dschungel.

Kein Mittagsschlaf heute. Für was denn auch als Belohnung?

13.11 Uhr:
Hab mich entschlossen, die Arbeit an der Kritik erst einmal zurückzustellen und ein paar Seiten Argo vorzuziehen. Das ist, riet mir auch die Löwin, für meine „seelische Hygiene“ momentan wichtiger. Ich komm sonst aus dem Gefühl, es sei sowieso alles sinnlos, nicht heraus.

18.50 Uhr:
[Monteverdi/Kats-Chernin, Poppea ff.]
Von den Gesprächen zurück,. Fest steht: Argo wird im Herbst 2013 erscheinen, Abgabe des fertigen, also lektorierten Typoskripts zu Anfang Juli des nächsten Jahren, Endlektorat also im Mai, das Delf Schmidt und ich gern in der >>>> Villa Massimo Rom abschließen wollen, ganz so, wie wir auch das Lektorat von >>>> Thetis in der Villa Massimo abgeschlossen hatten. Das war 1998, ist also vierzehn Jahre her und wird dann 15 Jahre her sein. Mai ist für eine Woche Rom ein geradezu wundervoller Termin. Der Verleger vorhin: „Ach, für einzwei Tage käme ich da gerne hinzu.“

Und passend zu diesem Gespräch hat Dr. No >>>> den nächsten Dialogpart seiner Thetis-Gespräche eingestellt, auf den ich diesmal nur kurz, soeben, geantwortet habe.
Dann das anderthalbstündige Gespräch, ganz woanders, mit >>>> meiner Impresaria. Klatschnaß kam ich dort an, durch ein regengeschütteltes Achtelberlin geradelt. Der Sturm brandete auf, Äste wurden von den Bäumen gerissen, mein Fahrrad kippte vor dem Café gegen hochgestellte Klappstühle. Dann wieder hierher. Argo bis 511 Mitte vorangekommen; jetzt will ich d o c h noch an die >>>> Monteverdi-Kritik.

3 thoughts on “Nach Monteverdi, betäubt noch von Kats-Cherin und Koskies letztlich dunkler Sicht. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 4. Oktober 2012.

  1. Ich wäre mitgekommen. Und ich verstehe, was Sie meinen: „alle anderen Menschen haben andere Werte als ich“, so hab ich es oft erfahren, und auch, dass ich als ‚Wert‘ nicht so vorkam, wie ich es mir gewünscht hätte, wohl wissend, dass es andere mit mir ähnlich gegangen sein mochte. Manchmal bin ich noch heute fassungslos, wie selten ich in SP angerufen werde, dass, wenn räumliche Distanz da ist, man für andere auf einmal nicht mehr erreichbar, das aus den Augen aus dem Sinn Prinzip zu greifen scheint. Und, ich erlebe diese Einsamkeit bei vielen, zu vielen. Was man sich vielleicht wünscht, ist eine Art Unbedingtheit, die man teilen möchte mit wem, der, komme, was da wolle, mitkäme, zur Oper, um die halbe Welt, oder auch die ganze, ich selbst bin jemand, der so denkt und so handelt, wenn es mir ernst ist und verlange das wahrscheinlich auch darum von anderen, die mir wert und wichtig sind, und dann bin ich hell of enttäuscht, wenn die in ihrem verlustangstlosem Status weiter vor sich hin wurschteln, nach dem komm ich heut nicht, komm ich morgen Prinzip.

    1. @diadorim. Ich habe Ihre Telefonnummer nicht und habe wohl deswegen nicht an Sie gedacht, weil ich einfach meine Ifönchen-Daten durchsah; ging ja auch alles zwischen Opernportal, Weinbestellung und Vorstellungssaal ab; dazu kamen noch die Gespräche und Diskussionen, die ich über teils die Inszenierung, teils etwas ganz anderes führte – so, daß ich wahrscheinlich gar nicht klar genug nachgedacht habe. Aber ich empfinde es, das ist tatsächlich so, wenn gute Operninszenierungen nicht angemessen besucht sind, wie einen persönlichen Angriff; verfallende Karten tun mir fast körperlich weh. Für zu wenig besuchte Lesungen bin ich da, irrerweise vielleicht, sehr viel abgeklärter.

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