Mit den Bildern der Welt: Das erste Kieler Arbeits- und Seminarsjournal des Sonnabends, dem 1. September 2012.

5.13 Uhr:
[Sparkassenakademie Kiel.]

Fürs >>>> gestrige Arbeitsjournal erst einmal noch was nachgetragen, und das DTs ist noch zu schreiben. Der heutige >>>> Giacomo Joyce wird sich von selbst in Die Dschungel stellen, ich hab ihn ja gestern schon vorbereitet, so daß ich nicht mehr übersetzen muß. Mit >>>> Parallalie ist das abgesprochen; er wird seine Version nach elf Uhr einstellen. Meine soll gegen Mittags folgen, ich werd die Pause nutzen..
Bislang ist im Haus noch niemand wach, unten in der Cafeteria brennt zwar das Licht, aber die Kaffeeautomaten sind noch nicht eingeschaltet. Immerhin habe ich einen Apfelsaft ergattern können. Schönes, freizügig geschnittenes Haus, diese Sparkassenakademie, nur die Einzelzimmer backen eng an eng und zur befahrenen Zubringerstraße hinaus. Die Anlage selbst sehr angenehm, auch wenn man, aber das ist unterdessen Standard, nur draußen, im Freien, rauchen darf.
Um 4.45 Uhr bin ich hoch und will etwas Argo-Korrekturen übertragen, bevor es um acht mit dem Frühstück, um neun mit den Seminaren weitergeht. Ich habe eine Gruppe von acht jungen Leuten, die Herkünfte aus Syrien, Togo, Ghana, Vietnam, Weißrußland und der Türkei haben, teils aus national gemischten Elternhäusern, teils auch bereits in Deutschland geboren. Sehr wache, klare Menschen mit klaren, wachen Ideen. Wir haben gestern abend erst einmal ein „Warm up“ gemacht, auch bereits eine kleine Geschichte erzählt. Heut dann geht es gleich in die Vollen.
Aber jetzt erst einmal Argo. In der Arbeitskontinuität bleiben.
Guten Morgen.

6.35 Uhr:
Ahhh! Lebensrettung am Morgen:

Durch die Palermonacht röhrten unter dem kleinen brüchigen Balkon die Mopeds. Der kleine Sittich pfiff sich eins. Kignčrs schlug zu, der Sittich wich aus. Kignčrs schlug erneut zu. Und zum dritten Mal. – Wieder daneben. Er war schon völlig betrunken.
Eine halbgeleerte Aquavitflasche stand im Zimmer auf dem Tisch. Daneben lag eine Desert Eagle Halbautomatic, am Boden waren zwei leere Rotweinflaschen umgekippt. Indem er sie ausgetrunken hatte, langsam, aber, kann man sagen, entschlossen, hatte sich Kignčrs der einzigen Möglichkeit benommen, den Todesvogel loszuwerden. Denn mit der Trunkenheit stieg die Trauer, doch mit der Trauer stieg die Wut und wurde Verzweiflung. Sie machte ihn blind, und er verfehlte. Er hätte die Waffe nehmen und in seinen Kopf schießen müssen, der das Vogelbauer war.

Argo 364.


10.42 Uhr:
Unser Arbeitsraum ODER Die Bilder der Welt

(Die Teilnehmer, jetzt, haben sich verstreut, schreiben teils hier im Seminarraum, teils in den Gängen, teils auf ihren Zimmern, daußen in der Gartenanlage. Ich gehe herum und frage, wo ich helfen kann.)

Das Verfahren selbst wurde von >>>> Phyllis Kiehl entwickelt: Jede:r sucht sich ein Bild aus, zu dem sie oder er in einem besonderen Spannungsverhältnis steht, sei es der persönlichen Nähe, sei es der Abwehr, sei es der Ambivalenz. Es wird den anderen erklärt, weshalb man sich für dieses eine bestimmte Bild entschieden habe, und wir denken darüber nach, welche Form dem Anliegen am ehesten entspricht: ob Tagebuch, ob Kurzgeschichte, ob Gedicht oder Reportage. Des weiteren wird überlegt, ob sich das Vorhaben in der relativ kurzen Zeit auch umsetzen läßt. Dann werden die Teilnehmer:innen zum Schreiben „entlassen“. Nach einer Stunde erste gemeinsame Zusammenkunft, um die schon skizzierten Ansätze zu besprechen und Lösungen für mögliche Schwierigkeiten zu finden. Ganz zuvor hatten wir, morgens, eine Lockerungsübung im Freien gemacht: Erfindung einer Spontangeschichte, jede:r einen Satz; danach das Ergebnis durchgesprochen. Worauf sollte ich achten, wenn ich eine Geschichte schreibe.
Drei Teilnehmer, also die Hälfte, haben sich dafür entschieden, ein Gedicht zu „ihrem“ Bild zu schreiben. Wahrscheinlich werde ich gegen Mittag ein bißchen Poetik mit einfließen lassen.

7 thoughts on “Mit den Bildern der Welt: Das erste Kieler Arbeits- und Seminarsjournal des Sonnabends, dem 1. September 2012.

  1. in Kiel … … sind sie gerade, lieber ANH. Las ich Heimatkieler ja schon in ihrem gestrigen Arbeitsjournal mit Freuden, dass es Sie mal wieder zu Motzek verschlägt. (Ich indes bevorzuge ja Tabac Trennt in der Möllingstraße, auch sehr zu empfehlen, und auch er hat schnöde Zigaretten allenfalls unterm Ladentisch. AnPfeifentabaken kann ich Ihnen “Smök mi” sehr empfehlen – aber das nur nebenbei). Und dazu noch unsere litblogs-Kollegin mit dem fast stadtgleichlautenden Nachnamen. Könnte man ja fast ein Treffen arrangieren der litBlogger, wo gleich drei davon im hohen Norden sind, einer, ich, an der Förde beheimatet. Aber wahrscheinlich sind Ihre Zeitpläne sehr eng. Wenn nicht, kontaktieren Sie mich gerne unter meyer.kiel@googlemail.com. Würde Sie gerne mal von Angeicht zu Angesicht kennenlernen, auch wenn’s nur kurz ist. Erinnern Sie sich? Ich hatte Sie einst für’s Kieler Literaturtelefon mit den “Bamberger Eelegien” “eingekauft”. Liebe Grüße also von fast nebenan: ögyr

    1. Lieber Herr Oegyr, ich werde Frau Kiehl gleich in einer Stunde am Frühstückstisch fragen. Vielleicht heute abend auf ein Bier. Die Taktung ist in der Tat sehr eng auf solchen Seminaren, und abends sind viele Leute dann geschafft.
      Sie bekommen Bescheid über den Tag. Ich selbst hätt Lust drauf. Irgendwo am Wasser vielleicht.

    2. am Wasser Dazu kann ich Ihnen (uns?) als Ortskundiger gleich zweierlei empfehlen:

      Den Blauen Engel diorekt an der Hörn-Brücke (und in direkter Nachbarschaft zum Bahnhof): http://www.blauerengel-kiel.de/

      Auch sehr schön, am Ende der Kiellinie und direkt neben dem Landtag: das Louf: http://www.louf.de/

      Fördeausblick bei beiden garantiert 😉

      Würde mich freuen auf Kurzdate.

      Ihr und Euer ögyr / pödgyr (so heiße ich bei litblogs)

    3. Tabac Trennt … … sei Ihnen empfohlen, auch mit diesem Porträt, das ich 2005 im journalistischen Brotjob für das Magazin “Lebensart” verfertigte:

      — snip! —

      Rauchzeichen des Genusses

      Seit 135 Jahren setzt Tabac Trennt in Kiel und weltweit Maßstäbe in Sachen Tabak und Cigarren.

      Von Jörg Meyer

      Ein „so flegelhaftes Benehmen“ sei ihm noch nicht untergekommen, rügte 1969 ein Kunde, den es aus Illinois an die Förde verschlagen hatte, einen „Angestellten“ der Firma Tabac Trennt. „So einen Mist, den Sie rauchen, verkaufe ich nicht, das ist synthetisch, das ist Gift“, habe der gepoltert. Freilich, der Fremde hatte den Herrn des Hauses selbst getroffen: Karl-Heinrich Trennt, den Kieler Hüter der Tabakkultur.

      „Rauche, qualme nicht!“ empfahl der seinen Kunden, wenn er weniger aufgebracht auf die Nachfrage nach schnöden Zigaretten reagierte. Noch heute, das Geschäft wird in der vierten Generation von Karl-Heinrichs Sohn Jochen Gunnar Trennt nicht nur geführt, sondern auch zelebriert, gibt es den Glimmstengel für die Unbelehrbaren nur aus einer Schublade unterm Ladentisch. Tabak in einer undefinierbaren Mischung, meistens auch noch parfümiert, aus einem Papierröllchen zu rauchen, „das ist mechanisches Abbrennen und hat mit Genuss nichts zu tun“, meint wie seine Vorväter auch der Urenkel von Theodor Heinrich Friedrich Trennt, der das Cigarren-Geschäft 1870 in der Brunswiker Straße eröffnete. Und so begrüßt Tabac Trennt, seit 1970 in der Möllingstraße ansässig, den Neuling in Sachen Rauchkultur auch ganz und gar nicht wie ein gewöhnlicher Tabakladen. Eher ist das eine Wunderkammer, die um die 14.000 Cigarren und Cigarillos (ganz bewusst mit „C“ geschrieben) in gläsernen Klimaschränken beherbergt – weit über hundert Sorten in allen erdenklichen Formaten, von der schlanken Panetela bis zur voluminösen Double Corona, aus einem Dutzend Ländern von Cuba, der Heimat der berühmten Havanna, über die Dominikanische Republik bis hin nach Indonesien.

      Dabei geht über Jochen Gunnar Trennts Ladentisch keine Cigarre, die er nicht auch selbst probiert hätte. Für den studierten Betriebswirt, dem „die Tabakblätter quasi in die Wiege gelegt“ waren, der 1976 in das Geschäft seines Vaters einstieg und es 1982 übernahm, ist das Credo und Ehrensache zugleich. Beratung ist in solchem Dschungel der Tabakprovenienzen nicht nur unerlässlich, sie ist auch Trennts Passion, wenn nicht sogar Mission. Wo der „blaue Dunst“ meist in Zigarettenform zum Himmel stinkt und das mehr und mehr stigmatisiert, versteht sich Trennt als Botschafter und Bewahrer einer traditionsreichen Kultur, die jenseits von Nikotinsucht im Rauch den Genuss (wieder-) entdeckt.

      Kultur aber braucht Hege und Pflege, täglich und rundum. Die auch Humidore genannten Klimaschränke hat Trennt selbst gebaut, aus brasilianischer Zeder, denn nur die „versteht sich gut mit Cigarren“. Neben dem Kaufmann, Tabakexperten und Pfeifenreparateur ist er nämlich auch noch Tischler – und Drucker. Im Keller steht eine Offset-Maschine, auf der er nicht nur seine Cigarren- und Tabak-Listen druckt, sondern auch Breviere – oder sollen wir sagen: Katechismen? – fürs kultivierte Rauchen. Unverzichtbar für jene, die vom Raucher zum Genießer werden wollen, ist zum Beispiel „Trennts Anleitung zum kultivierten Pfeifenrauchen“.

      Womit wir in die zweite Abteilung von Tabac Trennt wechseln. Auch hier war schon Karl-Heinrich so unbestechlich wie sein Sohn. Wer eine wertvolle Bruyere erwerben wollte, dem kredenzte Vater Trennt erstmal einen Knösel für 13,50 Mark: „Wenn du die gut eingeraucht hast, kannst du wiederkommen.“ Und Filter in Pfeifen – auch so eine kleine Todsünde. Denn was sie filtern, spucken sie an der anderen Seite wieder aus, trüben den Rauchgenuss durch zu heißen Abbrand und sind somit gänzlich unnütz. Eine Glaubensfrage? Eher eine des Gewissens, wie beim Pfeifentabak aus dem Hause Trennt. Auch hier sind Reinheit und Klarheit oberstes Gebot. Parfüme und Aromatisierungen, „das kommt mir nicht ins Haus“, sagt Trennt. 1928 kreierte der Großvater die erste Mischung, „Abu Riha“, die noch heute unverändert im Angebot ist, nebst Klassikern wie „Smök mi“, „TK 93“ oder der „Jubiläumsmischung“ zum 100. Geburtstag. Die Treue der rund 2.000 Stammkunden, von denen Trennt die meisten persönlich kennt, misst sich in Jahrzehnten. Und verschickt werden die Tabake wie die Cigarren in buchstäblich alle Welt. 60 Prozent seines Umsatzes macht Trennt heute im Versand.

      Jochen Gunnar Trennt zündet sich eine Casa de Torres, Herkunft: Nicaragua, Format: Torpedo, an. Wobei „anzünden“ zu wenig gesagt ist, das ist eine Zeremonie. Die Cigarre wird erst geschnitten, dann liebevoll „getoastet“ und ganz langsam angeraucht. Während der halben Stunde, die er sie genießt, kommen Kunden. Keine Cigarre wird dabei ohne Gespräch verkauft. „Das ist hier manchmal wie die Couch“, weiß Trennt. Die Kunden vertrauen ihm nicht nur in Sachen Tabakgenuss, sondern auch ihre Lebensgeschichten an. Beides ist bei Tabac Trennt in guten Händen, Rauchzeichen einer Lebensart – seit 135 Jahren und vier Generationen.

      Infos, Listen und auch Bestellungen unter http://www.tabactrennt.de.

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