[Arbeitzswohnung.]
Die Argo-Leseprobe ist fertiggestellt, darum heute so früh dieses Arbeitsjournal; auch Dts‘e waren zu schreiben, bzw. zu komplettieren. Es ist schon bezeichnend, daß Leute, die sich über mich aufregen, es dennoch nicht lassen können, >>>> immer wieder herzukommen. Ich bin ihr Suchtmittel, sie schreien nach Schlägen. Kriegen sie diesmal nicht. Solln sie sich ruhig ins Leere blamieren; da sie das anonym tun, schadet‘s ihnen nicht oder nur ihrer Seele, von der wir freilich nicht sicher sein können, ob sie eine haben. Egal.
Jetzt wieder an die ‚normale‘ Überarbeitung Argo, dann strikt nach DTs weiter. Die Aufnahme der Spielszene mit Barrientos >>>> für Galouye ist auf morgen mittag verschoben, um 12 Uhr; ich werde da aber schon eine Stunde vorher die Atmo aufnehmen, so daß mein Mittagsschlaf dann mal entfällt und Cello erst nachmittags geübt werden kann. Aber heute bleib ich noch in Routine. Übermorgen schließlich die Hauptaufnahme der Sprecher im ARD Hauptstadtstudio. Danach werden die Weichen in die Produktion gestellt.
Herrlichstes Wetter draußen. Ich trage wieder Weiß.
16.20 Uhr:
Nicht mehr ganz so herrlich draußen, aber warm. Ich trage weiter Weiß. Arbeite Argo ff, bekam von meinem Wahlvater einen Anruf, >>>> schrieb ihm dann und fegte zur Post, wo etwas für ihn einzuwerfen war. „Schreibst du nicht mehr, was ist los?“ fragte er, der das Internet meidet. Nicht einmal >>>> mein Hörstück für Ricarda Junge kennt er, die er viele Jahre gefördert hat, als er noch im Amt war. Das sollte er kennen. Also kopiert und aufs Rad. Und gleich für heute abend den Salat gekauft, indessen Sepia und Scampi bereits ziehen:
Doch was soll ich sagen? Irgend etwas ist heute an mir in meiner weißen Hose, hellem Kapuzenhemd und meiner Büffellederjacke: alle, wirklich alle Frauen lachten mich an. Mit einer stieß ich zusammen, wir zögerten, lächelnd, beide, einen Moment – aber mein Junge wird gleich hier sein, da war keine Zeit für einen Fremdgehkaffee. Doch wie lange Momente sein können, wie beglückend Sekunden Minuten.
Eine Mail ist schnell und dringend zu schreiben, jetzt, dann geht’s mit Argo weiter, bis der Junge hier ist.
19.30 Uhr:
[Brahms, >>>> Violinkonzert in der digitalen Konzerthalle.]
20.40 Uhr:
Und nun Döblins Wallenstein zuende lesen. Der Espresso ist genommen, zur Lektüre stehen Käse auf dem Tisch, sehr laufender Époisse, Roquefort und ein scharfwürziger Schweitzer, sowie der Wein. An Argo war heute genug getan; ich bin auf TS 467. Auch Duos hab ich mit dem Jungen gespielt, eine in der Begleitung komplizierte Sarabande von Händel. So richtig sitzt das noch nicht, eigentlich nicht einmal zu einem Achtel. Aber dazu übt man ja.
(Eben las ich eine Stelle, die gewissermaßen Döblins Großinquisitor ist; wenn ich Zeit finde, tippe ich sie Ihnen für morgen ab.)
23.45 Uhr:
Atemlos den Wallenstein beendet. Was ein Buch!
Dazu Tschaikowskis Sinfonien heute abend, derzeit Nr. 3 D-Dur, Vinyl, also eine LP, auf der ich als 14- oder 15jähriger die Archivnummen 1-3 vermerkt habe.
Wallenstein, dies ist es: In Döblins Augen ist Geschichte kein vernünftiger Prozeß, sondern ein ozeanischesdarf ich >>>> thetisches schreiben?Geschehen, das wie das Naturgeschehen den Horizont des Menschen übersteigt und kaum vorgestellt, geschweige denn erklärt werden kann.
Walter Muschg, Nachwort.Ich mußte an >>>> meine Lesung aus Argo beim Döblin-Preis und an Günter Grass denken. Da wurde mir visionshaft-plötzlich klar, daß der Mann mich – nicht mich, sondern meine Arbeit – ganz von vornherein dem SPD-Clacquer opfern wollte und geopfert hat, weil ihm die Partei wichtiger als die Dichtung war und wohl noch immer ist. Ich hatte ein bittres Gefühl, sah so Döblins Ferdinand sterben, kurz, momenthaft. Die ganze Korruption der Welt wurde klar – und wie Döblin recht hat.