Für mich war er immer der Klang des Saxofons: Jan Garbarek, Norweger, Partner Eberhard Webers und Keith Jaretts, nach dessen und jenes >>>> „My Song” eine der Frauen meines Lebens und ich umschlungen tanzten, nicht selten, bevor wir ineinanderflossen. Das ist achtundzwanzig Jahre her. Was „Our Song” gewesen, was „Our Song” geküßt. Kompositorisch wurde aber auch das mehr als von seiner bindend süßen Schlagerkraft erst zwei Jahre später durch eines der mir bis heute herznahsten Alben dieses Jazz’ nobilitiert: >>>> Jarretts/Garbareks „Nude Ants” von 1979 mit Palle Danielsson am Baß und Jon Christensen am Schlagzeug, darin besonders die durchlaufende Improvisation „Oasis”, – eine Aufnahme, die noch einmal alles Feuer, alle Hoffnung, alles Selbstbewußtsein der vergangenen zehn Jahre nicht nur dieser Spielpartner, sondern auch der politischen, emanzipierenden Zeit in e i n e m Klang zusammennahm und dem Prozeß vertraute, indem man sich in ihn hineinwarf und frei schwamm (nein! n i c h t zusammengeschrieben!): hochgeworfen, -geschleudert von den Wellen, und man kracht hinunter, holt aus, um weiterzschwimmen; man ruft einander, hört, schwimmt zueinander hin… – da ist eine ungemeine Utopie in der Musik gewesen, der Glaube an Gemeinschaft und doch immer auch Erfahrung, daß wir getrennt sind und wie im Liebesakt momenthaft nur beisammen.
Die Positionen wurden neu verteilt, politisch; die Ära neuer Metternichs begann, denen man sich fügte, teils, weil man müde geworden war, teils, weil man eben selbst Positionen errungen hatte, die man halten und deren Einkünfte man durchaus kaufmännisch konsolidieren wollte. Wer den Aufstand noch glaubte, zog sich in sich selber zurück, entdeckte das innere Universum und wurde kosmisch daran: neue Esoterik-Bewegung, Weltmusik, all you feel is harmony. Selbst Jarrett machte da ein bißchen mit, bevor ihn die Krankheit für lange Zeit verstummen ließ und heute als ein anderer wieder dasein läßt: nach seinen Versuchen um Johann Sebastian Bach mit Improvisationen, die an die Moderne der Neuen Musik erinnern, an Hindemith etwa, jedenfalls konzentriert auf die musikalische Logik sind und skeptisch gegen den Kitsch des allzu schönen Melos.
Garbarek ging den anderen, den leichteren und einträglichen Weg. Ich hörte ihn noch im Frankfurtmainer Sinkkasten, seinerzeit einer d e r Schmieden des elaborierten Jazz; heute braucht der Saxofonist Säle. Er fand über die Weltmusik und ihre vom Unterleib gereinigte Hippie-Ästhetik das Ohr der Millionen. Der Klang, den der Mann nach wie vor zur Welt bringt, rechtfertigt das; man hört Garbarek heraus, wie man Puccinis Hand erkennt, wie man Schubert erkennt, wie man, ja, auch die Beatles erkennt oder die Callasstimme – man muß gar nicht mehr auf das Cover gucken, man braucht die Ansage keiner Moderatorin, nur das Ohr –
– aber da herrscht ein bitteres Gesetz: Um dies für die große Menge zu halten, darf man sich nicht mehr bewegen. Man hat über die Jahrzehnte Läufe entwickelt, die sie immer wieder hören will, man hat Atmosphären entwickelt, aus denen einen der Erfolg nur dann noch herausläßt, wenn einen wie Jarrett das Schicksal erwischt. Erst das, wenn man nicht an ihm stirbt, gibt einem die Kraft, sich von der Fliegengelatine, die doch allen zu süß schmeckt, wieder abzulösen und n i c h t sich musikalisch im perpetuierenden Rundlauf festzulaufen, bis man gefeiert dahingeht, aber ausgelutscht und selbstüberlebt schon seit Jahren. Die Gefahr ist so groß, weil imgrunde das Bedürfnis nach Sirup es war, was der Weltmusik ihren Erfolg beschieden: Der Sirup ist aus dem guten Gedanke einer Toleranz, die fremdeste Kulturen amalgamiert, ja einer Brüderschaft gekocht, die den Schwestern entunterleibt die Hand reicht, dareingerührt die angesagte Cleanness und ein Bedürfnis nach Klarheit, die angenehm sei und deshalb den Vorschein macht, man meditiere beim Hören. Das ist für den modernen Verstand die Schattenseite der Postmoderne; fürs immer schon sentimentale Herz aber ist sie ein Balsam. Endlich darf man kitschen, ohne auf der falschen politischen Seite zu sein. Das erinnert ein wenig an jene Intellektuellen, die >>>> bei Claudia Gehrke ganz öffentlich den sexuellen Schmuddel durchstöbern, derweil man doch zugleich ein guter Mensch und deshalb Gegner jenes Grafen bleibt, der den harten Porno benamste und ihre, so heißt es, entmenschte Industrie. Früher nannte man sowas bigott.
Bigott ist Garbarek geworden. Sein Klang verheißt uns Wahrheit, und zwar um so mehr, als seine vielen synthetischen Wege über arabische, dann schnell schon heimatliche, nordische Musiken mit ihrem an sich kühlen Nordlichtklang, der lange noch im Quintenzirkel ruhte, ihn musikalisch so verengten. Eben das mag das Volk: >>>> wenn etwas so Schönes bleibt, wie es ist. Thomas Mann nannte das Kuhstallwärme. Wenn jemand dann ein Guru ward, ist es zur Heiligkeit nicht weit. Bereits 1994 nahm sich, insofern, Garbarek der Gregorianik an oder sie sich, die soeben mit der Weltmusik koalierte, seiner. Das damals eingespielte >>>> „Officium” wurde absehbarer Weise Welterfolg, fünf Jahre später, mit >>>> „Mnemosyne”, legte Garbarek nach. Und nun also das >>>> „Officium Novum”, alle drei mit dem tatsächlich hinreißenden The Hilliard Ensemble, von dem sich das musikalische Ohr schnell denkt, man habe sich den Saxofonisten zur Garnitur, die er jetzt ist, auf die Torte geziert, weil das den Umsatz so steigert. Tut es. Jan Garbarek erinnert durchaus ans moderne Gepfiff edler Verpackungsunternehmen, die Kästchen und Geschenkpapiere teurer als die Gabe machen. Nicht jeden aber täuscht das: „Haben Sie auch eine Aufnahme des Hilliard-Ensembles ohne Garbarek?” fragte eine Konzertgängerin gestern abend am CD-Verkaufstisch. „Das tut mir sehr leid”, antwortete der junge Mann. „Wir haben zwar Aufnahmen, aber heute abend nicht dabei.” Ob man also was ahnte?
„Officium” bedeutet „Kirchendienst”, auch „Ritual”. Eben danach verlangte es die Mengen: nach einer verläßlichen Handlungs- und Selbststellungsform in der zerrissenen und sich doch von ständig Neuestem, das unsern Kuhstall gefährdet, in exponentiellem Rasen verändernden Zeit. Einer zudem, die den Privatraum zum Mord tut: Völkerschlachten auf dem Balkan, asymmetrischer Krieg, Terrorismus. Da möchte man einen Ort, an dem sich’s niederknien läßt, um Gnade zu empfangen, und sei es die des schönen Klangs, der sich zudem durchs ganz Alte bewährt hat. Zwar nahm das Ensemble bereits in „Mnemosyne” neue Kompositionen hinzu, doch welche waren das und welche sind das nun? Neben Garbareks eigenen Arrangements bezeichnenderweise >>>> Partituren des E-Kitsch-Komponisten Pärt, von dem es nicht eine einzige Komposition gibt, die nicht noch zum Ohrenschmalz die Buttercreme täte. Die schafft der beste Q-Stick nicht. Aber auch bezeichnenderweise, in dem nun neusten Kniefall, nicht wirklich moderne armenische Musik, sondern eben den traditionellen Sharakan, was „Kette aus Edelsteinen” bedeutet: uralte armenische Kirchenmusik. Legt man sich solche Ketten um wie neue, dann schmückt uns, mit Scheinschmuck, >>>> Svarovski. Das nämlich tut Jan Garbarek heute: Klangstrass verkaufen.
Denn es ist ja nicht so, daß er den Meditationen der Sharakans wirklich Neues hinzufügte, daß er sie musikalisch weiterentwickelte, ihre Themen verfolgte, ja sie improvisierte, – daß er, was ihnen so eigen ist, nämlich die morgen- und abendländische Klangwelt-Ideen ineinanderzunehmen, in eine zeitgenössische Ästhetik überführte. Wie groß wäre das! Nein, er erschöpft sich in immer gleichen, immer schönen Gesten, die nichts sind als die Referenz, ja Redundanz ihrer selbst. Er übersteigt noch Svarovski und, kann man sagen, transzendiert ihn: wozu er aus den Edelsteinen der Sharakans den Strass erst m a c h t. Dazu weicht er die Strenge des Kirchensangs auf und buttert ihn. Müßte man nicht fürchten, daß er das gut meint, hätte es ästhetisch eine beachtlich kriminelle Energie. Und weil er weiß, wie gut bei sowas der Hall kommt, zieht seine neue Tournee – von ECM „Release Tour” genannt, weil man schamhaft denn irgendwie doch noch an Wahrheiten hängt, – von Kirche zu Dom und zu Kirche.Da strömen die Gläubigen h i n, nahezu jeden Alters wie gestern abend und jeder Schicht, um den Klang-Erlöser zu hören, Intellektuelle wie Angestellte, Studenten wie ihre Räte; das Konzert war derart überbucht, daß es im Februar am selben Ort wiederholt werden wird: so langweilig war es. „Haben Sie nicht ein Konzert mit Hilliard allein?”
Adorno monierte an Wagner, man fühle sich von seinen Leitmotiven ständig am Ärmel gezupft. Bei Garbarek ist das Ärmelzupfen für sich geblieben: jede Geste eine leere Monade, die dennoch angebetet wird, oder deshalb. Denn aber -: Ich… ach! liebe seinen Klang noch immer.
Jan Garbarek
The Hilliard Ensemble
Officium Novum
ECM New Series 2125
CD 476 3855
Korrektur Garbarek ist Pole.
@Ralf Thorn: Unfug. Aber wo haben Sie den her? Garbarek wurde im März 1947 in >>>> Mysen geboren; das liegt in Norwegen.
Der Furor mit dem Sie Ihren ästhetischen Absolutismus vertreten ist wieder herzerfrischend… Und “My song” hab ich auch gleich aufgelegt und das Titellied war ein perfektes Beispiel; das sifft nur so aus den Boxen, das man Angst haben könnte, sie zu verkleben (eine Beuyssche Honigpumpe?).
– Nur das Köln-Konzert, kommt Ihnen das nicht mittlerweile auch schon so weichgespült und abgenudelt vor, dass es auch schon ein bisschen anzüglich sein könnte? (“Radiance” hingegen begeistert mich immer noch)
Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen und vor allem mit Humor, Herr Harth.
Für die Dschungel gibt es keine Bedienungsanleitung, ich bin schon fast 3 Jahre alt, nach Dschungelzeitrechnung versteht sich. Sie sagen Sie sind seit einem Monat hier. Kam mir nicht so vor. Ansonsten viel Spaß beim dschungeln.
Ihren Kommentar verstehe ich nicht. Es liegt an Ihrer Art zu schreiben, die ich durchaus nicht uninteressant finde. Aber das ist wohl mein eigenes Problem, ich bin ziemlich schnell reizüberflutet, ich meide auch große Menschenmengen.
Alle Rollen Fury Es gibt ne Menge Rollen, auch Rolle vorwärts, Rolle rückwärts. Von der Rolle sein. Fury in the Slaughterhouse.
Abba die dürfe doch nimmer geschlacht wern, Herr Harth!
Lese im Netz gerade: Kuss verweigert – abgeschlachtet – Politically Incorrect.
Verstehen ist kein: sich treffen in der Mitte. Ich will sagen, ich kann Sie, Alfred Harth, nicht herauslesen. Gefühltes Dahinter. Hören.
Lauschangriffiges. Rascheläugiges.
Sie schwimmen wacker mit. Das müssen Sie! Ich war mal Leistungsschwimmerin, abgeholt in der ersten Klasse: Maße, Größe, Leistung = passt! Nackend aber Badekappenpflicht. Langstreckentauchen unter Styroporschwimmstäbchen, das konnte ich am besten. Bin die Annie ös´m Östn, mit de Zöppelle uff´m Köppelle. Sägs: Zisch! Ich lass das mal lieber, kann nicht mal mehr Berlinerisch. Die Bäckerschrippen vermisse ich, Spritzkuchen & Schillerlocken. Broiler kennt hier keiner. Spoiler. Aerodynamische Hähnchen. Berliner gab´s bei uns nicht, das waren Pfannkuchen und Pfannkuchen waren Plinsen. Der Garbarek, keine Ahnung, ich hab die Officien, das ganze Ensemble. Parce mihi domine. Was soll ich sagen? Wenn der Damenballet hat, hab ich meine Croupiers! Elvis höre ich wirklich gern. Der lebt in einem Altenheim mit Mr. President in Texas, Bubba Ho-Tep. Kennen Sie den? Der ist: klasse is nicht: daher allererste Sahne.
Den Lauschangriff dürfen Sie mir jetzt aber politisch nicht vorwerfen, ich war noch zu jung, konnte gerade mal den Pioniersknoten binden. Mit den Schnürsenkeln klappte das leider nicht. Ich war die letzte im Kindergarten und musste, wenn alle drinnen spielten, draußen vor der Tür üben.
Ehevertrag? Mein Lieber, da hätte im Vorlauf aber ne Menge gefehlt. Kommen Sie mir jetzt bloß nicht so! Wie denn? Keine Ahnung, ich kenne Sie doch gar nicht! Sie sehen aus wie jemand den ich kenne, Herr Harth. Hollister nenne ich ihn. Haben Sie etwas dagegen wenn ich Sie so nenne? Auch ich habe hier für manche meine eigenen Kosenamen.
Ja ist mir eigentlich auch egal ob Sie zustimmen! Sie sind jetzt Hollister.
Irgendwie erinnern Sie mich an Bischoflinski. Der hängte sich auch immer seine Assoziationsketten um den Hals und dachte, er sei auf Hawai. Irgendwann verschwand er plötzlich. Spurlos.
Goldilocks zone Ha, da fällt mir der Fluxuskatalog ein, der mir in den 60ies in der Wöhlerschule am Dornbusch in die Hände gespielt wortden war. Darin gabs ein Foto von P.Brötzmann, wie er aufm Scheißhaus sitzt (das konnte danach ausser Zappa dann niemand mehr) und Paik Nam June schrieb darin an andrer Stelle zum Pianospiel: „Schlag an mit steifem Penis!“ – oui, ja, yes, si (we’r jazzy).
Derweil M8t es sich Luise von Baurgeois, zuerich in the Arts Club of Chicago, Ecke Will.I.am Ave / Tell street, III. Stock, wieder jemuetlig.
Elle war sightly zufrieden darübba, daßß Chicago allmählich that Pflaster, ja Eldorado für Architekten jeworden wurde. Ihr Auftrag in Sachen Männer & Freemason war fruchtbar made ready. Jaques Villon walkte noch ein bischen nervos in der Vorhalle des vornehmen Clubs – wie sagt man beieuch? – der Vestibul. Sie junkte des net & stipste ihre dicke Montecristo in den von einem Fönix jehalldenen Ascher – es war das ja twentythree, also Juugelstil. Sufragette? Ha! Gurdjieff, der Martyrer, war von Paris übern Teich gekommen & teachte nun in New York. Was, soll sie da rübergähn? Der 4.Weg, kann er sich sonnst wo hinsteche.Mit octangelb umrundeten Aügelchen las sie derweil weiter in The Taily Dellegraf, abba hope la! auf der suche nach dem wunderbaren. Ludwig Mies van der Rohe hat die Inneneinrichtung ährlich jut designt. Im Grammofönchen Salvatore Cammarano. Da kam ihr plötzlich einfall: kabale & hiebe, ihr diebe! Potzdaus, nach her geh ich ins Atelier „At Fort“ und bastell einen comichelden „St.Sigurd“ von unjiftichen Pfeilen durchbohrt.
Ihre Arbeit blieb etwa 30 Jahre lang auf einem attic eines skyscrapers der Chicago Sun-Times http://de.wikipedia.org/wiki/Chicago_Sun-Times bis sie schließlich von Oskar Fischinger http://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Fischinger für Walt Disney dauphinisiert wurde.