Sexismus als condition humaine. Zum Trompetenkonzert Bernd Alois Zimmermanns: Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 24. September 2010. Außerdem das ilb (4): Schädlich und Jünger, sowie Julia Encke. Danach wird auf einem Limerick Frau Betty geritten.

5.16 Uhr:
[Arbeitsjournal. B.A.Zimmermann, Trompetenkonzert.]
Aufgestanden um 4.42 Uhr, im Bett war ich um Viertel vor eins, so daß ich immerhin eine halbe oder viertel Stunde mehr Schlaf als gestern hatte. Sofort den Laptop hochfahren lassen, den Latte macchiato bereitet, noch gänzlich nackt im Schein der halbnackten Küchenbirne – sie hat bloß einen oben deckenden Schirm aus Blech – die Espressobohnen zu Mehl vermahlen, dann angezogen und noch einen Pullover drüber und einen Schal um den Hals; so dann >>>> das DTs skizziert. Mich v o r diesem Arbeitsjournal für die heutige Morgenmusik entschieden, die ich Ihnen zugleich als meine Musik des Tages empfehlen will: Bernd Alois Zimmermanns Trompetenkonzert aus meinem Geburtsjahr 1955, „Nobody knows the trouble I see”, das u.a. >>>> in einer wundervollen Aufnahme der Jungen Deutschen Philharmonie unter der Dirigentin Susanne Mälkki vorliegt. Leider ist auf der CD auch ein >>>> Müll von Enno Poppe, aber Hindemiths Sinfonie „Mathis der Maler” entschädigt einen gründlich, und Zimmermann spült einem sowieso Poppes Leim aus den Ohren.
Nun ist es ja so, daß man mich durchaus einen Sexisten nennen kann. Dazu gab es gestern abend, wieder einmal, allen Beleg. Nämlich auf dem >>>> ilb, wohin ich für >>>> Schädlich und >>>> Jünger geradelt war. Ich traf mich dort mit meiner Verlegerin, >>>> Kulturmaschinen, um sie ein wenig unters Betriebsvolk zu rühren. Was einen sämigen Teig wohl auch ergab. Nun wär er aber n i c h t gelungen, hätte nicht >>>> Julia Encke solche Schuhe getragen. Sie hat mir seinerzeit eine zerreißende Halbherzigkeit in Thomas Steinfelds Süddeutsche Zeitung geschrieben; beim Perlentaucher kann man davon die, wie für ihn üblich, gefärbte >>>> Zusammenfassung lesen. Ich erinner mich, daß der letzte Grund für meine Entscheidung, mir Jüngers Kiegsblick anzutun, eben Julia Encke w a r: als ich im Programm las, sie moderiere. Die Frau schau ich mir an, dachte ich. Sehn Sie, schon hier mein Sexismus. Barrientos-Krauss und ich nahmen nebeneinander seitlich vorne Platz, der Schauspieler und Jüngers Biograph wurden von Encke aufs Podium geleitet. Die Frau gefiel mir sofort, war nicht das, was ich erwartet hatte, also nichts, das nach ausgepreßter Zitrone aussieht. Wenn man Rezensionen über sich liest, macht man sich schnell Vorurteile, die nicht selten die der Rezensionen spiegeln. In der Psychoanalyse spräche man von Gegenübertragung. Also die drei nahmen Platz. Nun ist das Podium so hoch, daß man als Zuhörer bequem Weiblein wie Männlein unter ihre Röcke schaut, diesen metaphorisch, aber jenen völlig konkret. Ich meinerseits schaue tiefer, mein erster Blick geht immer auf die Füße. Und da halt trug Frau Encke diese Pumps, nun ja, fast Stiefelchen, aber doch Pumps: elegant und mit sehr hohem, dabei keineswegs geschmacklosem Absatz. Als ich diese sah, stand mein Entschluß: diese Frau will ich persönlich kennenlernen, die sprech ich nachher an. Dabei pfleg ich sonst Feindschaft mit meinen Verreißern.

[Hindemith, Die Harmonie der Welt.]

Die Diskussion lohnte sich, vor allem lohnte sich die Auswahl, die – und wie! – Burghart Klaußner sie vortrug; lohnte sich n i c h t, weil sie einem Jünger sonderlich sympathisch machte; Biograph Heimo Schwill schimpfte sogar ein wenig, sie sei höchst einseitig zusammengestellt worden, Jünger sei sehr viel differenzierter in diesen Tagebüchern; – nein, sie lohnte sich, weil der Stellungskrieg über die Texte eine furchtbare Präsenz bekommt und einem geradezu filmisch vor Augen steht. Vielleicht, dachte ich später, bedarf es gerade solch einer teils gefühlskalten, wenn nicht sogar gemütslosen Perspektive, um einem den Schrecken wirklich zu zeigen. Hier wird nichts verfiltert, nichts geschönt, auch und gerade nicht über eine „richtige Meinung”, die durch Solidarität von Leser und Autor die Geschehen verklebt.
Jedenfalls bin ich dann im Autorenzelt auf Frau Encke zu; sie stand im Gespräch mit Ulli Schreiber. „Ich wollte Ihnen doch mal die Hand geben, nachdem man einander gelesen hat. Ich schau den Leuten gerne in die Augen.” Nein, von den Schuhen sagte ich nichts; aber das wäre gekommen, wären wir etwas zu zweien gewesen. „Ich sah Sie schon die ganze Zeit da vorne in der Reihe sitzen”, sagte Frau Encke. „Ich habe Ihnen damals einen Verriß reinge…” – ich weiß nicht mehr, ob sie -hauen oder -würgt sagte oder ob, nüchtern, geschrieben. „Das wird meinen Intimus Steinfeld sehr gefreut haben”, antwortete ich und lachte. „Dabei war Ihr Verriß gar nicht schlimm.” – Das war er wirklich nicht; lesen Sie >>>> das Buch , das sollten Sie sowieso tun, und vergleichen Enckes Text mit ihm. Ihre Kritik ist in keinem Fall unfair, sondern die Frau hat sich schlichtweg nicht eingelassen.

[Zweiter Latte Macchiato, Pfeife. Daß ich
dem Hindemith ff in Kopfhörern lausche, ist Ihnen,
hoff ich, klar. Ich bin in frühen Morgenstunden ein
rücksichsvoller Mann.]

Vielleicht hat sie sich aber d o c h eingelassen und eben deshalb, als Abwehr, verrissen; schon das mit den Ausrufezeichen ist Unfug. Oder ihre condition humaine ist eine andere als meine, wenn man den Ausdruck als „Stellung und Schicksal des Menschen in der Welt” versteht. Ich nehme alles, und immer, zuerst erotisch wahr, jeden Gegenstand, jede Person. Danach erst kommt der Geist, dem ich bekanntlich mißtraue. Ich hänge ihm an, gar keine Frage, doch ich verdächtige ihn auch. Nicht so den Körper. Andererseits dachte ich: ‚diese Schuhe!’… und , übrigens, die Hände genauso… s c h ö n e Hände, sogar s e h r schöne Hände. Immer lassen Hände auf die Füße schließen, unsere am wenigsten mittelbare Schnittstelle, sagt >>>> Arndt, zur Erde; Fußsohlen sind bioports, um mit Cronenberg zu sprechen. Jedenfalls „… aber eines ist mir ständig in Erinnerung, immer wenn ich Ihren Namen höre. Sie schreiben ja für uns”, sie sagte wirklich corporate identisch „für uns”, was die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meinte, bei der sie unterdessen Redakteurin ist, „also immer, wenn von Ihnen gesprochen wird, muß ich an das kalte Sperma aus dem Kühlschrank denken.” Fast hätte ich eine Braue gehoben. Da ich das mit beiden, je unabhängig voneinander, kann, ließ ich das bleiben, weil sich mein Instinkt, vielleicht, für rechts nicht, noch für links entscheiden konnte. D a s also war ihr von Meere geblieben. Wer aber filtert? Wer läßt den einen jenes, jenen aber dieses auf sich wirken und behalten? Das ist es, was ich mit Sexismus meine. Mit meiner conditon humaine. Bei Hettche sagt, in >>>> Nox, die Frau zum Mann: „Ich mag es, wenn es kalt ist.” Das nun habe i c h behalten.

Übrigens war auch die Dottoressa im Zelt. In ihrer Begleitung abermals die Freundin, – ein böser aufgedonnerter Schatten. Die beiden, sie und er, saßen am Nebentisch, aber die Dotteressa, von sich aus, erhob sich und kam zu mir, küßte mich kurz, „sind wir wieder gut?” Ich hatte sie bis dahin überhaupt nicht bemerkt, mir gefiel einfach die Encke zu sehr: auch in der Klugheit ihrer Sprache. Wenn sich zum Körper der Geist gebildet hat, ist das schlichtweg berückend: dann mißtrau ich ihm n i c h t mehr. „ Wann holen wir unsere Nacht nach?” hatte die Dottoressa gestern nachmittag in einer Mail gefragt.

Leserin, ich muß >>>> an meinen Text. Lassen Sie mich nachher weiterplaudern.

[B.A.Zimmermann, Tromptenkonzert zum zweiten Mal.]

9.18 Uhr:
Sogar >>>> sexistisch limericken kann ich. Nihil nisi artes. Dank an Herrn Lebreiter und mein sexuales Bettyobjekt.

Ich futter mal was.

14.45 Uhr:
[Respighi, Semiramis.]
Langsam, sehr langsam geht es voran mit der Chapelle-Erzählung. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich nicht die ganze Einleitung streichen werde, um sofort in die Geschichte hineinzukatapultieren. Dann wäre aus ihr das Causierende weg; andererseits brauche ich das, wenn ich nicht alle Spuren des Weblogs eliminieren will. Man soll ja eben noch merken, daß der Text im Internet entstand. Die Entscheidung kann ich erst nach dieser Überarbeitung treffen, wenn die Verhältnisse innerhalb der Erzählung klarsind.
Für den WDR meldete sich Guido Graf: ob ich nicht für eine Sendung im Dezember ein paar Auszüge aus der Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens vorstellen könne. Kann ich. Mache ich. Ich sitz ja eh an der Aufbereitung fürs ebook und die kleine Buchausgabe bei >>>> etk. Abendschein schreibt mir: Abgabe bitte bis Dezember, dann lägen wir für die Buchmesse Leipzig gut in der Zeit. Das wird jetzt alles sehr eng, weil auch das Kinderbuch dazukommt, daß im Januar abgegeben werden muß, und die Chapelle-Erzählung, die allerdings schon Anfang November. Sowie die gesammelten Essays, die bei den Kulturmaschinen im März erscheinen sollen. Da ist ebenfalls dringend drüberzugehen. Derweil werd ich mal wieder von Testosteronschüben geschüttelt; ich kenn das schon gut: tritt massiv meistens vor und i n hart produktiven Phasen auf, und ich muß dann aufpassen, daß es nicht alles überwölbt. „Aufpassen” bedeutet unbedingt, die Schübe umzusetzen, also: ihnen Frau zu geben. Was mir ja nicht schwerfällt.

Übrigens kommt mir >>>> sowiesos Stimmfall >>>> bekannt vor. – Jetzt erst mal die Kulturmaschinen anrufen.

15.27 Uhr:
Ich las gerade einen großartigen Satz MelusineB’s: >>>> dort.

39 thoughts on “Sexismus als condition humaine. Zum Trompetenkonzert Bernd Alois Zimmermanns: Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 24. September 2010. Außerdem das ilb (4): Schädlich und Jünger, sowie Julia Encke. Danach wird auf einem Limerick Frau Betty geritten.

  1. Nicht zu fassen! dass du dir auf deinen sexismus auch noch was einbildest. es wird zeit, dass leute wie du aussterben. vielleicht kommen wir dann endlich zu einer gleichberechtigung von frauen und männern.

    1. Sehr geehrte/r Sweet, soeben aus dem >>>> Mittagsschlaf erwacht, nehme ich Ihren Kommentar nicht als den eines Trolls und möchte deshalb freundlich antworten, daß ich keineswegs gegen Gleichberechtigung bin, schon gar nicht in wirtschaftlicher, sozialer oder einer sonstwie politischen Hinsicht; wohl aber bin ich strikt gegen das Ideologem, Männer und Frauen seien gleich. Wären sie es, die Geschlechter stürben aus. Und mit ihnen die Art.

      Im übrigen empfinde ich Ihr „du“ als unangemessen.

  2. es gibt männer, die finden frau encke eloquent, aber, sicher ungerechterweise, auch etwas fad, und erzählen dann von einem tag mit frau encke und wie sie sich dennoch etwas gelangweilt haben. kein wort über die schuhe, ich frag noch mal nach, ob mann sich noch erinnern kann.
    eins muss man ihnen lassen, sie finden ganz schön viele menschen/frauen interessant. geht mir leider nicht so, aber wenn, dann wirklich öfter auch mal frauen als männer, da stimme ich mit ihnen überein. nur meist nicht wegen der schuhe, wenngleich es ein schöner stiefelwinter zu werden verspricht.

    1. @sowieso. Das stimmt. Ich finde viele Menschen interessant, sogar oft die, die ich ablehne. Insofern sie nun aber über eine bestimmte Person sprechen, ist der Aussage, daß es Männer gebe, die sie fad fänden, höchst wahrscheinlich richtig, nur ist Ihre Aussage allzu vage, weil sie über jede andere Person ebenso getätigt weden könnte. Ich meineseits, das ist gewiß, gehöre zu diesen Männern n i c h t. Allerdings sind wiederum mir Männer, die auf Schuhe nicht – bitte betonen Sie das folgende Wort auf der ersten Silbe: – sofort achten, uninteressant. Nämlich achten die Schuhe dann auch nicht auf sie.

    2. als man es noch mit gleichungen zu tun hatte, die aufgingen, ließ sich die welt exakt so berechnen, dann erfand man sieben meilen und die stiefel dazu und manch schuster musste seinen unbekannten leisten prompt hinterher eilen, wollte er bei ihnen bleiben.
      vielleicht interessieren sie sich auch nur dafür, dass menschen sich für sie interessieren? wäre zumindest ein verständliches berfusdilemma. aber alle seine rezensenteriche und -innen zu freunden oder feinden machen, ich bin mir sicher, die energie hätten sie dazu, aber genau so sicher bin ich mir, dass mir ein autor, der sich keinen deut drum kümmerte, irgendwie, hm, ja, nicht lieber wäre, aber jemand ist, wo man dächte, wow, den schert das alles nicht und trotzdem, oder gerade deshalb, scherts darum die anderen. und floris van bommel kratzt sich derweil am ohr.

    3. @sowieso (ff). Scherten einen Verletzungen nicht, scherte einen die Welt nicht. Ebenso ist es mit dem Interesse. Künstler, die mir sagen, sie interessiere das alles nicht, lügen. So einfach ist das. Es handelt sich da entweder um Strategie oder um Notwehr, wobei auch Abwehr als Notwehr verstanden werden kann; in jedem Fall gibt sich so etwas nicht zu. Ich teile also Ihre Naivetät nicht, die aber auch der Glaube sein kann, daß wir frei seien, und Belege für ihn sucht. In jedem Fall unterschätzen Sie die Eitelkeit, die wahrscheinlich, stammesgeschichtlich, aus dem Überlebenskampf entstanden ist und darin nach wie vor eine recht probable Rolle spielt.

    4. ich hielte jemand, den es nicht schert, nicht für uneitel, ganz im gegenteil, der ist wahrscheinlich die größte aller diven. mir fallen auch prompt zweieinhalb im deutschsprachigen raum ein, die sich darin üben. aber mir scheint auch, die zeit ist nicht nach diven, das geb ich gern zu.
      gestern ein buch mit dem titel tschick o ä in der hand gehabt, heute dem impuls folgen wollen, es doch noch zu lesen. vielleicht einer der zweieinhalben, vielleicht auch nicht, sowas interessiert eh nur autoren und ihresgleichen, leser interessiert es meist nicht.
      ich kann mir neben ab- und notwehr auch eine grundsätzlichere art beruflicher identitäsbefremdung vorstellen.

    5. @sowieso (fff).

      ich kann mir neben ab- und notwehr auch eine grundsätzlichere art beruflicher identitäsbefremdung vorstellenDie kann ich mir ebenfalls vorstellen. Wäre ich aber von ihr befallen, wechselte ich den Beruf. Ich habe als Künstler einen der wenigen Berufe, die es erlauben, sich nicht zu entfremden – es sei denn, daß man tut, was der Leser will oder gar was der Betrieb will. D a r u m geht es doch: strikt seinem Weg zu folgen und sich dabei von niemandem beirren zu lassen. Dennoch braucht man Zuwendung, jeder. Bekommt man sie nicht, verursacht das Schmerzen. Schmerzen sind ein Warnzeichen des Körpers. Reagieren wir nicht auf sie, vergiften wir uns. Es ist gut, sich immer die körperlichen Prozesse klarzumachen; nur dann begreift man, was im Geist geschieht: er ist ja eine Spielart des Körpers, nämlich rundweg körperlich bedingt und vom Körper abhängig. Also, ich versuche dann, den Zahnschmerz zu beseitigen oder die Blutung zu stillen.

      Übrigens, ja, es gibt Leute, die Zustimmung oder Ablehnung nicht schert; sie haben in aller Regel Geld. Die das nicht haben, haben den Alkohol oder fangen an, den Pessimismus zu idealisieren. Zu beiden gehöre ich nicht, ja ich halte mich von ihnen möglichst fern.

    6. strikt seinem weg folgen, sein ding machen, dennoch aber mit seinem ding abhängig sein von der aufmerksamkeit anderer. ich glaube, diese ambivalenz kriegen auch sie nicht aufgelöst. sie wären dann der erste.
      ich wüsste schlechterdings nicht, wie ich den schmerz einer schlechten rezension stillen sollte. mich an die rezensentin ranmachen und mit ihr schlafen? andererseits, wenns funktioniert, warum nicht. ich habs nur nie so betrachtet, dass das eine möglichkeit wäre.
      und ich frage mich, wie wären sie denn, wenn sie geld hätten? aber ich denke, auch nicht wirklich anders. geld ersetzt ja nicht die aufmerksamkeit.

    7. und das strikte, das ist mir auch zu strikt. das läuft doch oft auch auf absurde selbstbeschränkungen hinaus und eine art sich selbst treu zu bleiben, die in der wiederholung des immer gleichen liegt und bei der man sich an sein eigenes postfordistisches fließband der eigenen ideologien versklavt und den akkord noch erhöht. aber vielleicht muss das alles auch genau so. ich denke nicht, aber nur der möglichkeitssinn gibt mir recht. andererseits, ohne den, da wäre mir auch wirklich nach pessimismus zu mute. so hoffe ich noch immer auf das beste.

    8. „ich glaube, diese ambivalenz kriegen auch sie nicht aufgelöst. “ Nein, kriege ich auch nicht aufgelöst. Aber zur Reife gehört, mit solchen Ambivalenzen zu leben. Daß sie Schmerz verursachen, schrieb ich ja. Meine Art, mit ihnen umzugehen, ist: zu kämpfen. Das erlaubt mir eben, mich von meinem Weg nicht abbringen zu lassen. Selbstverständlich, übrigens, kann ich mich in ihm irren. Aber das ist bei jeder künstlerischen Überzeugung so. Wir werden nie wissen, ob wir „recht“ hatten. Wir werden es nie erfahren.

    9. „Striktheit“. Nennen wir es doch einfach (ist mir auch näher): Leidenschaft und Besessenheit und auch Begeisterung für eine künstlerische Idee. Leidenschaften erlauben keine Relativierung, sonst sind es keine. Sie aber geben die Kraft, etwas durchzusetzen. Und sogar noch die Lust.

    10. „Ich mag es, wenn es kalt ist.“ Kälte- und Wärmeempfindungen sind etwas verdammt subjektives.
      Was dem Einen „kalt“ ist, ist dem Anderen „warm“. Möchte, mögen, mag.
      Aber grundlegend glaube ich nicht, das irgend ein Mensch erfrieren möchte. Niemals.

    11. ok, können wir so nennen. ich frag mich nur, muss die leidenschaft unbedingt in der grenzenlosen verteidigung des eigenen tuns sich zeigen, oder aber einfach bei der arbeit, und wenn dann jemand kommt und tritt es in den dreck, dann gibt es eben die, die die krallen ausfahren, oder die, die es stumm wieder aus dem dreck fischen, bis dass der nächste kommt, und kommen tun sie bei beiden immer wieder, und ich glaube nicht, der eine hat mehr leidenschaft für die sache als der andere, der eine kämpft, der andere straft vielleicht mit verachtung.
      ich habs lieber warm, so dass man im schatten nicht friert.

    12. lächelnd @ sowieso: Ich friere nicht sehr schnell. Vielleicht liegt der Unterschied darin. Und es ist, ganz sicher, eine Frage des Temperaments. Jemanden zu verachten, übrigens, fällt mir unendlich schwer. Ich kann die Funktio verachten, die ein Mensch ausübt, nie aber ihn persönlich. Weshalb ich, wenn ich zurückschlage, auch immer auf die Position schlage: auf den mit ihr verbundenen Machtmißbrauch. Daß diese Position, andererseits, an bestimmte Menschen immer gebunden ist, empfinde ich als tragisch.
      Leidenschaft hat etwas mit Feuer zu tun, Erdulden nicht. Beides ist nicht dasselbe, weshalb es auch anders heißt. Wohlgemerkt, ich werte nicht, sondern seh es nur an. Und weiß, zu welcher Seite ich gehöre. Auf die Ghandis ganz sicher nicht, und nicht auf die des Dalai Lamas.

    1. Wasser, Wort, Dampf Der Dalai Lama ist auch das Gegenteil von Romanschriftsteller, womit wohl alles stimmt & fällt.ANH weiss, was er ist & in der Position nicht dazwischen,
      wozwischen? Ich habe sie nicht gezählt, aber der Buddhismus kennt 108 Bgierden, Betty, auch die des kleinen Triumphes, die es gilt, zu durchleuchten, beendbar sind sie gewiss nicht, erduldbar ja.Ein Inder erzählte mir mal im TV, dass „Begierde“ im indischen „Durst“ heisse und dass die Vorstellung eines Menschen, nach dem Tode kein Leben mehr zu haben, ein Durst danach sei.

    2. Zeig mir deinen Schuh und ich sage dir wieviel Holzscheite ich nachlegen muss. Der pure Sexismus! Sträflich sowas.

      Nun höre ich ihn krakeelen,
      den Hahn,

      auf meinem Weg nach Haus

      : du ewige Pechmarie,
      kriegst diesen Schuh
      nie wieder aus.

  3. Was Frau Encke über die Ausrufungszeichen schreibt, stimmt. Das hat sie sehr gut erfasst. Also wirklich eine kluge und schöne Frau.

    1. @Cicero zu den Ausrufezeichen. Tut mir leid, es stimmt n i c h t. Ich habe das Buch hier neben mir und es abermals daraufhin durchgeschaut. In der Erzählung selbst gibt es so gut wie g a r keine Ausrufezeichen, nicht einmal in der sog. Blutschlacht, die mit einer naturgemäß lauten Geburtsszene parallelgeführt ist, sind es signifikant viele. In der wörtlichen Rede, wenn sich die Parteien anschreien, da allerdings g i b t es Ausrufezeichen.
      Sie schreiben also, Cicero, Unfug; ich nehme an: absichtsvoll. Zeigen Sie Gesicht. Wir können uns auch gerne treffen, und Sie zeigen mir, wo die Ausrufezeichen besonders häufig seien. Dann vergleichen wir das mal mit dem Gebrauch der Ausrufezeichen bei Pynchon, bei Aragon, bei Gaddis, bei Marquez., bei Cortázar usw.

      Hinge Frau Enckes Klugheit und Schönheit von meinen angeblich vielen Ausrufezeichen ab, dann wär’s mit beidem nicht weit her. Alleine deshalb, um sie in Schutz zu nehmen, reagiere ich hiermit auf Sie.

      Im übrigen ist die Behauptung auch >>> für jeden Leser leicht zu überprüfen. Mit 20 Euro ist das Buch ohnedies ausgesprochen preiswert. Danke dafür, daß auch Sie sich darum bemühen, es im Gespräch zu behalten.

    2. @parallalie zu BettyB. Die Frau ist herbstkrank. Wäre ich sicher, daß sie Frau i s t, ich könnte ihr – vielleicht – helfen. Doch so? Das Ganze hat unterdessen einen durchaus klinischen Character angenommen: ein verbissenes, eigentlich trauriges Stalking, das nie zum Höhepunkt kommt nnd deshalb nie ein Ende kennt. Welch ein, ach Betty, sich-Versagen!

    3. Holstentor Saß unterm Bogen, Celan lesend, und kaute Marzipan.
      Warum hatte ich nur das Gefühl, alt gewordenen Pecorino im Mund zu haben?

    4. @anh gegen diese einschätzung kann ich nichts sagen, betty ist zumindest, was mich betrifft, textimmanent, read an sagt anderes, alle strömen sich zu einem text zusammen und wollen marzipanbrote. c’est si bon.

    5. Dies ist keine soteriologische Pfeife Es gibt weder einen Bodhi-Baum
      Noch einen Ständer mit klarem Spiegel.
      Da alles Leerheit ist,
      Worauf kann der Staub sich niederlassen?

    6. @ Betty B. schöngeschrieben. an Edvard Marzipanstrom & Paul Käsweinlies…
      selbst mit leid & -lob lässt sich leben.
      der notorische pilzesammler John Cage
      sagte über den bewusst den mit giftpilzen gesalzenen wein trinkenden Mirapur,
      daß er nicht eines gewaltsamen todes verstorben sei,
      da pilze schliesslich auf natürliche weise alle lorbeerkranzrestbestände
      & ähnliche überflüssigkeiten endsorgen.

    7. „Lorbeerkranzrestbestände“ Was für ein Wort. Was für ein Ungetüm. Geboren am frühesten Morgen.
      Wissen Sie, wann immer hier das Gequassel über „ernste Musik“ anhebt, leg ich sein Stück „4’33“ auf, wann immer hier bunte Kirchenfenster abgefeiert werden, lasse ich meinen Blick auf „white paintings“ ruhen. Nur ein zweifelhaftes Lob, fett ausgezeichnet, also herausgebrüllt, und schon kriecht sie wieder zu Kreuze. Warum nur, traut sie ihrem Lorbeerkranz nicht?

    8. @ Betty B. Also ab in den Käfig & auch dem dritten Affen das Wort nicht geben.
      Sie sind also 50erjahrefan. Cage liess sich für 4’33“ (1952) von Rauschenbergs „white paintings“ (1951) anregen, da dürfte es Ihnen doch auch nicht schwerfallen…
      Aber da ist ja Ihr liebes, fett geschriebenes Selbstmitleid, das wie Klebstoff auf ewig mit Ihnen zu stalken scheint & bei eMusik u trüffelt, gut? Morgen.

    9. @parallalie „…read An sagt anderes.“

      Alles was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt zu Betty sagen kann ist:

      Ich stehe auf einem Hocker in meiner Küche, unbewegt.
      Lauter Bettyluftschlangen drehen sich mir aus der Hüfte.
      Schaue ich an mir herunter, sehe ich aus wie eine Prinzessin, aufgehübscht für den Zimmermann. Aus diesem Alter bin ich zwar herausgewachsen aber ich darf offenbar bei ihm wenn´s mir beliebt.

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