Wieder in der Serengeti. Von Löwinnen und Frauen ODER Die vier Portugiesen. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 13. Juli 2010. Mit Jutta Ladwig und Niebelschütz.

6.58 Uhr:
[Tsavo Ost.]
Vier Portugiesen kochten für uns, die wir bereits nachmittags auf der Safari trafen; zwei von ihnen sind ganz kleine schmächtige Männer, sehr jung noch, um die 25, Brüder hieß es, die aber nicht etwa, obwohl es so aussieht, Zwillinge seien; die anderen beiden sind der gegenwärtige Patriarch dieser Familie – einer, die, versicherten die vier, ausschließlich aus Männern bestehe, schon seit jeher -, sowie ein Knabe von ungefähr dreizehn, der sich aber im Schießen ganz hervortat, dabei fast schweigsam ist, ein wenig mürrisch, kühl von Angesicht, er hat die zartesten Glieder. Ich wagte zu fragen, über uns brannten die Sterne, als hätte sie die überhitzte Steppe mitentzündet, wie sich sowas denn fortpflanze: eine reine Männerfamilie. Das löste eine verknuspelte Heiterkeit aus: die vier stießen sich die Ellenbogen in die Seiten, die vier kicherten, die vier schauten auf den Lagerboden und in ihre Teller; nur Antwort bekam ich nicht. Die Löwin lag mir zur Seite und grummte; unter Großkatzen können nur Geparden, >>>> wie Sie wissen, schnurren, aber die, die Löwin, hat so eine Zwischenstufe der Artikulationsevolution erklommen… nein, falsch: die ist mit einem Satz da draufgesprungen, so daß sie zumindest einen ähnlichen Eindruck vermittelt; ich dachte: sie schaut sich die vier Protugiesen bereits unter Aspekten künftiger Sättigung an – wobei sie ganz sicher unentschieden blieb, weil die vier eben so ausgezeichnet kochen, mit den wenigsten Hilfsmitteln (dachte ich erst, aber dann sah ich, w a s die alles dabeihatten), an drei Feuerstellen immerhin; woher sie Kabeljau und Hummer nahmen, war nicht zu erklären, schon gar nicht der gegrillte Pulpo, mitten in Afrika; man kann nicht sagen, daß das Meer nahe gewesen wäre.
Aber was tun die mit den Frauen, die sie doch brauchen, wenn sie sich fortpflanzen wollen? Das ging mir nicht aus dem Kopf. Ich träumte schlecht davon, wobei ich mir sicher bin, daß die Sache auch der Löwin nicht gefiel, die, wie Sie sich denken können, überzeugte Matriachatin ist. Also das punktete wieder, ganz gewiß, auf ihr innere Beuteschema. Meinen Machismos akzeptiert sie ja auch nur, weil ich, wie sie das formuliert, „starke sexuelle Argumente” hätte, der Konjunktiv ist indirekte Rede, nicht etwa meint dies einen Irrealis, den Betty da gern läse. Die unentwegt wieder versucht hat, ein- und denselben Kommentar einzustellen, den meine Administratorinnen und ich jetzt so oft gelöscht haben, daß mir gestern nur noch ein letzter Ausweg wurde: nämlich den entsprechenden Beitrag unkommentierbar zu machen. Nun wird sich BettyB – das ist >>>> die Frau mit dem picklichten Benny (12.37 Uhr im Link) – etwas ausdenken müssen. Denn sie will ihren Vorwurf ja unbedingt halten, demzufolge >>>> diese Kritik nichts sei als eine korrupte Freundschaftsgeste; ich hab das schon an anderer Stelle geschrieben: ein Macchiavell, der einen Gegner mundtot machen möchte, beschädigt lieber ihn selbst als seine Argumente, denn auf die sich einzulassen, birgt die Gefahr der Sachlichkeit. Ich weiß auch gar nicht, was noch tun mit BettyB; Ben Becker erhört sie nicht, ich selbst habe ihr vergeblich ein Abendessen angeboten, ja wäre sogar, >>>> unter Umständen, bereit… auf alles das keinerlei Reaktion. „Die arme Frau!” wollte ich rufen, wär ich denn überhaupt sicher, daß sie eine ist. Doch Männer, die so viel Zeit damit verbringen, mir an einem Zeuge zu flicken, das ich nicht trage, haben ja ebenfalls Gründe für ihre Zeitökonomie.
Egal.
Tatsache ist, daß ich kein Auge zutat in der Nacht, weil ich den Portugiesen mißtraute. Sie sind mit ihrem Jeep jetzt weg, in den, wundersamerweise, die ganze Küche paßte mitsamt den Tischen, Tischdecken, Bestecken und Tellern, mit Gläsern und vielen gekühlten Flaschen Vinho verde, mit Pfannen und Pfännchen, Töpfen und Spüli und Rinnstein, Schaumlöffel, Saucières, Holzlöffeln und, ich weiß nicht:, Maggi-Extrakten… RumpeldipolterquerdurchsFeld, so hat’s geklungen, die spanische Flagge flaggte, aber durchgestrichen, über dem Kühler. Ich schau in den schon späten Morgen, mein >>>> Toughbook hat noch für sechs Stunden Akkuzeit, das sollte bis zur nächsten Ansiedlung reichen. Ich gehe zu Fuß, die Löwin streicht neben mir her. Aus Gründen der Achtsamkeit habe ich vermieden, vom >>>> Tempio di venere und dem Teufelskästchen, das man mir gab, also von Ayana und der Dottoressa weiterzuerzählen; ich werde das tun, sowie die Situation nicht ganz so heikel mehr ist: Löwinnen neigen zum Übersprung. Besser, ich komme, wenn wir eine nächste Pause machen, meiner Verpflichtung nach, >>>> das virtuelle Seminar weiter zu lektorieren; rüberkopiert hab ich mir schon alles. Zur Nacht las ich der Löwin und den Portugiesen, die aber nur portugiesisch sprachen und schon deshalb gar nichts verstanden, drei Stunden lang aus dem Niebelschütz vor. Für den ich mich geärgert hatte. Ebenfalls >>>> bei Literaturkritik.de gibt es eine Kritik der Kinder der Finsternis, die zwar das Buch sehr lobt; allein, Frau Jutta Ladwigs Kenntnis, was Dichtung sei, ist von einer derartigen Naivetät, daß ich mich fragte, woher die Rezensentin ihre Autorität eigentlich beziehe, über Niebelschütz etwas so öffentlich sagen zu dürfen. Ich meine, das ist ein R i e s e, und es ist furchtbar schwierig, ein Essen zu beschreiben, wenn man nur die noch völlig unausentwickelten Geschmackswärzchen eines Kleinkindes hat.

Die Löwin ruft, sie hockt auf einer kleinen Höhe, war mir plötzlich vorausgeeilt, den sandfarbenen Kätzinnenleib gestreckt… Witterung, ich bin mir sicher, in den schönen Nüstern –11.34 Uhr:
[Barre „WWW”.]
Wir sind an einem kleinen Dorf angelangt, das fast nur aus Krals besteht. Aber es gibt eine Moschee, und die singenden Rufe des Muezzins, die aus einem einfachen Trichterlautsprecher über die staubige Straße blechen, vermischen sich mit den gleichfalls unausgesetzten Rufen der Obsthändler, die ihre Waren anpreisen. Um nicht zu sehr aufzufallen, ist die Löwin vor den Pfählen geblieben. Ich habe nach einem Stromanschluß gefragt, man hat mein Gewehr mißtrauisch beäugt; Kinder haben mich in eine Bar geführt, die hier, wie auf Sizilien, „Barre” ausgesprochen wird, allerdings knattern die „r”, weil man sie mit Schnalzlauten erzeugt, die sich der Befähigung meines eigenen Zungenhalses völlig entziehen. Immerhin weiß ich, was gemeint ist. Außerdem paaren sich Löwen bis zu vierzig Mal am Tag, das dauert immer knapp dreißig Sekunden; davon brauchte ich mal Abstand. Wie hätte ich sonst meine Lektorate durcharbeiten können? Jedenfalls >>>> ist das jetzt erledigt. Nun will ich noch meine morgige Lesung annoncieren. Es gibt hier Internetanschluß, nicht mal teuer.

Ach du Schreck! Die Portugiesen..! Wie?? Die wollen hierher?

4 thoughts on “Wieder in der Serengeti. Von Löwinnen und Frauen ODER Die vier Portugiesen. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 13. Juli 2010. Mit Jutta Ladwig und Niebelschütz.

  1. Gustatorische Wahrnehmung Gerade ältere Menschen überschätzen häufig die Fähigkeiten ihrer Geschmacksknospen. Nicht nur das Vertrocknen der Knospen ist altersbedingt zu beklagen, auch maßloser Alkohol- und Tabakgenuß beeinträchtigt das gustatorische Differenzierungspotential. Nach Schilderung Ihrer Konsumgewohnheiten hier im Journal ist leider davon auszugehen, daß Sie (mit geschlossenen Augen) kaum in der Lage sind, Spinat von Rucula zu unterscheiden.

    1. Der Vollständigkeit halber Sind Sie in der Lage?
      Sie vergessen die Olfaktoria, und ich weiß, dass sie zur gustator. Wahrnehmung gehört.

      Wichtiger als Spinat von Rucula unterscheiden zu können ist der Vorgang als solcher, mit geschlossenen Augen, das daraus entstehende Potential beim Probieren. Versuchen Sie sich doch mal im Beschreiben dessen was sie schmecken, ohne es zuzuordnen, wie etwa: schmeckt nach Apfel. Auch der Tastsinn gehört mit hinzu. Das Hören auch.

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