Von Undine nach Berlin. Montag: Das Arbeitsjournal des 5. Julis 2010. Und abermals, jubelnd: Geschlechter.

9.51 Uhr:
[ICE Bielfefeld-Berlin.]
Tequila, Leser, verträgt sich nicht auf Ouzo, selbst dann nicht, erklärte mir mein Magen heute nacht, wenn als Grund-, Schmier- und Trägersubstanz mehrere Neutralisatoren der Braukunst Verwendung finden, sei sie dem deutschen Reinheitsgebot nun verpflichtet oder nicht. Es werde diesmal nicht spät werden dürfen, hatte mir noch vorgestern Frank „Shlomo” Neumann versichtert, der Regisseur meiner >>>> Undine. Das kam nun anders; daß für den nächsten Tag, heute, Arbeit angesagt war für die meisten Beteiligten, spielte nach der Aufführung plötzlich keine Rolle mehr. Wir saßen im großen Kreis, mindestens vier Vorhänge hatte es gegeben, und wie besonders die gebundenen Passagen des Stücks gesprochen worden waren, hatte mich glücklich gemacht. Zumal es für diese Inzenierung jetzt nur die übliche Sommerpause der Theater gibt.
Jedenfalls fein, alles sehr fein.
Untergebracht war ich bei Deters, Frau Deters, der ich zum ersten Mal bei der Uraufführung begegnet war; ihr Mann, oder Bruder?, schweigt sich über sie immer noch aus; geschlafen habe ich in dem Bett einer Sylphe, wobei mir eine Bartagame zusah; und als ich morgens in mein Leinenhemd schlüpfte, schlüpfte ein fettes Heimchen heraus. Das war, nach der Diskussion mit meinem Magen und den Vorhaltungen, auf denen er beharrte, sowie vor dem Frühstück ein ausgesprochen magischer Moment.

Von Gütersloh nach Bielefeld nimmt man eine Eurobahn; die >>>> Provinz scheint ein klügeres Verhältnis zu politischen Wünschbarkeiten zu haben als meine Hauptstadt. Meine Undine hatte gestern Geburtstag, was ich nun besonders schön gefunden habe; ich ließ ihr ein Buch von mir da, für Blumen war es zu spät, als ich’s erfuhr.

Wenn der Zug keine Verspätung einfährt, werde ich rechtzeitig in der Arbeitswohnung sein und mit meinem Jungen, der dann aus der Schule kommen wird, zu Mittag essen können. Heute abend dann Bar mit den >>>> Kulturmaschinen und sicher auch dem Profi.

Mal schaun, ob ich auf der Strecke ins Netz komme. Im übrigen will ich >>>> Benjamin Steins >>>> Die Leinwand weiterlesen. Unbedingt.

13.41 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
So, zurück und auch die Löwin in Wien erreicht. Jetzt warte ich auf meinen Jungen.

Was mich zunehmend irritiert, ist dieses neue Biedermeier, das sich derart gecleant breitgemacht hat; man kommt sich schon wie in den USA vor. Die Straßen werden entabenteuert, überall soll Übersicht herrschen, die Bahnhöfe gleichen einander wie ein Designbad dem andern, man möchte uns Menschen handhabbar auf einen ganz bestimmten austauschbaren Ton gebracht, und das Dollste: die Menschen wollen das auch; daß Wieland – eben: der große und vornehme Wieland – Kritiker mit Arschtritten aus der Kneipe warf, gilt als unfein; wir drängeln uns alle in der Mitte der braven Denkungsart rum, Spötter werden für Bauern gehalten, die längst nicht mehr so, sondern Landwirte heißen; nicht lang noch hin, und „Bauer” wird als Bezeichnung inkorrekt sein und der Gebrauch des Worts justiziabel, da ist kein Stolz mehr, wer man ist. Mir geht das auf die Nerven.
Noch aber ist Widerstand nicht überall tot. Noch gibt es Leute, die haben L u s t an den Säften, an ihren, an der anderen Säften, und die anderen an unsern! Und wir sagen’s nicht verstohlen, sondern offen und deutlich, als Frau und als Mann, und ein jedes will das genau sein und es bleiben.

16.57 Uhr:
Sehr sehr tief über Mittag geschlafen, dann nötige Gelddinge erledigt, die mich übers Wochenende etwas nervös machten, sowie meinen Jungen getroffen an der Musikschule. Er wird heute nacht hier auf dem Vulkanlager schlafen, weshalb ich die Bar absagen werde. Ich freu mich auf den Burschen. Sehr. Jetzt aber will ich in Steins Die Leinwand weiterlesen. Meine Erfahrung sagt, wenn ich ein dickes Buch abbreche wegen einer eigenen Arbeit, dann bleibt es schließlich liegen. Das wäre in diesem Fall nicht nur ungerecht, sondern auch, von mir selbst, masochistisch. Außerdem will ich wirklich über das Buch schreiben.
Ah… Moment! .. – Die Löwin.

22.23 Uhr:
Nun schläfst Du wieder einmal auf Deinem Vulkanlager, wir haben Pizza gegessen und einen Film gesehen und Du hast sehr viel erzählt.
Jetzt schläfst Du. Während in Der Dschungel wieder einmal >>>> solch ein Wadenbeißerle herumtobt, so ein richtiges Menschenfreundchen à la Molière, den es verteufelt kneift, daß meine Arbeiten wider seine scheindemokatische Cleanness sich allmählich durchsetzen… und daß ich das weiß und obendrein sage, was sich ja nun gar nicht gehört. Überhaupt: „was sich gehört” – Leute, begreift Ihr’s denn nicht, daß ich dafür gar keine Zeit habe? daß mein Leben anders ist? daß mich auch „Freizeit” nicht interessiert? daß ich nicht trenne zwischen Leben und Arbeit? Ach aber es gibt Frauen, unwahrscheinliche, großartige, wunderschöne und lüsterne Frauen. Und es gibt einen Überschuß an Atem. Er sucht, er weht. Und stürmt in einen hinein, wenn er findet. Dann bläst er aus mir heraus.

21 thoughts on “Von Undine nach Berlin. Montag: Das Arbeitsjournal des 5. Julis 2010. Und abermals, jubelnd: Geschlechter.

  1. Ich vermute, Sie haben —-> den Beitrag von Hans in Sachen braver Denkungsart missverstanden – er gehört gewiss nicht zu denen, die den bewussten (und begründeten) Einsatz eines sexuell drastischen Stils mit Niveaulosigkeit verwechseln. Schade, wenn Sie beide jetzt schon das Handtuch werfen würden: ich bin neugierig auf Hans in den Dschungeln.
    Noch ein Wort zur Selbstachtung: eine bodenlose Truhe sprachlicher Möglichkeiten will benutzt werden. In einem so lebendigen weblog wie
    Die Dschungel bietet sich Ihnen über die Heterogenität der Gäste dazu ja auch reichlich Gelegenheit.
    Wenn nun jemand immer pöbelt, auch vulgärsprachlich pöbelt, scheint es mir völlig legitim, irgendwann genau auf dieser Ebene, aber eben noch sehr viel pointierter zu reagieren. Ihre Replik war ein Stilmittel. Ich hab‘ mich zwar auch kurz geschüttelt, dann aber verstanden. Es steht jedem frei, hier anonym schneidend zu werden. Dann darf man sich aber auch nicht wundern, wenn der Autor letzten Endes die schärfere Klinge hat.

    1. „vulgärsprachlich pointiert“ @phyllis. Das ist eine feine Formulierung, auch wenn ich nicht glaube, daß sie auf >>>> meine Antwort auf BettyB zutrifft, allein deshalb nämlich nicht, weil ich ganz das Gegenteil von Vulgärsprache verwende; nicht einmal die Termini sind vulgär, mit Ausnahme vielleicht des Wortes „Titten“; „Möse“ jedenfalls ist nicht vulgär, für mein Gefühl jedenfalls, das klinisch-anatomische Begriffe ebenso vermeiden will wie Verniedlichungen. Das Perfide an meinem Text, das einige ganz offenbar verärgert hat, ist vielmehr die Kombination eines nicht als korrekt empfundenen Angebots mit einer Sprache des Religiösen, etwa das Wort „erbarmen“; genau da liegt aber die Schärfe meiner Reaktion.
      Was nun die angerufene Selbstachtung anbelangt, so stelle ich die meine g e r a d e durch Ausschöpfen der mir zur Verfügung stehenden Mittel her; das sehen Sie, für mein Gefühl, völlig richtig, ähnlich wie auch >>>> Hediger es gesehen hat. Daß ich dabei mit ungenannten Tabus breche, die es in dieser Gesellschaft ganz besonders im Sexualbereich wieder gibt und die ich nicht nur für eine Folge des Überdrusses an sexualisierter Werbung, sondern vor allem auch als unbewußte Reaktion auf AIDS begreife, also als Angst, liegt auf der Hand.

  2. BRAVO! „Was mich zunehmend irritiert, ist dieses neue Biedermeier, das sich derart gecleant breitgemacht hat; man kommt sich schon wie in den USA vor. Die Straßen werden entabenteuert, überall soll Übersicht herrschen, die Bahnhöfe gleichen einander wie ein Designbad dem andern, man möchte uns Menschen handhabbar auf einen ganz bestimmten austauschbaren Ton gebracht, und das Dollste: die Menschen wollen das auch; daß Wieland – eben: der große und vornehme Wieland – Kritiker mit Arschtritten aus der Kneipe warf, gilt als unfein; wir drängeln uns alle in der Mitte der braven Denkungsart rum, Spötter werden für Bauern gehalten, die längst nicht mehr so, sondern Landwirte heißen; nicht lang noch hin, und „Bauer” wird als Bezeichnung inkorrekt sein und der Gebrauch des Worts justiziabel, da ist kein Stolz mehr, wer man ist. Mir geht das auf die Nerven.
    Noch aber ist Widerstand nicht überall tot. Noch gibt es Leute, die haben L u s t an den Säften, an ihren, an der anderen Säften, und die anderen an unsern! Und wir sagen’s nicht verstohlen, sondern offen und deutlich, als Frau und als Mann, und ein jedes will das genau sein und es bleiben.“

    Bravo, nein man muss es mit Großbuchstaben in die Welt brüllen: BRAVO! Das spricht mir voll aus Herz, Seele und Unterleib.

    1. Biedermeier Ja, so sind die Zeiten. Und sie sind schlimmer noch. Nicht nur die Gleichförmigkeit, die sich überall breit macht, sondern auch der Schein, der sich nicht mehr auf das Sein bezieht. Die Keksverpackungen werden immer bunter, Dominas werben für Lakritze, hängen zum Beweis der Qualität Menschen an Dübeln aus deutscher Produktion auf, Regisseure mit verhangener Phantasie nutzen Nacktheit und Exkremente auf Bühnenbretter zur Ablenkung von ihrer Einfallslosigkeit. Aber wenn man die Kekspackung öffnet: Adenauerkekse, nichta als trockene, graue, vollkörnige, ungezuckerte, ranzig gewordene Adenauerkekse.

    2. Hätte ich mich angemeldet, aber es ist heiß und ich bin faul, so könnte ich jetzt editieren. So muss ich hinzufügen – nunmehr jedoch eingeloggt:
      Es ist vonnöten, wirklich von hoher Not, gegen diesen Schlamassel anzuschreiben. Anzuschreiben, gegen zwielichtige Vampirromane die sexuelle Enthaltsamkeit propagieren, anzuschreiben gegen dieses unsäglichen Schrott, der sich mittelalterlich vermeintlich, in Bücherregale drängt und das Gegenteil von Literatur darstellt, und der ist ja auch das Gegenteil von Auseindersetzung, gleich welcher Art. Nicht einmal mit Sprache setzt sich das auseinander, was da geboten wird.
      DSDS allenthalten. Es bohlt in der gesamten Breite der Kunst. Und zugleich hagelt es Forderungen nach angeblicher Political Correctness, dass man kotzen möchte, aber sich nur übergeben darf.

    3. welch ein quälender Unfug herr Sukov, nichts liegt doch heute wohlfeiler in den schubladenmündern als das wort vom großen unangepassten, vom genie des radikalen, nichts lockt doch das mittelmäßige mehr auf den plan, als die rede vom widerstand gegen die verhältnisse und schließlich erkennt man die haustiere heute daran, dass sie nietzsche zitieren.

    4. Ich werds posthum dem Büchner sagen, und ausrichten dem Tucholsky. Ich werds mitteilen dem Bukowski und nicht vergessen, Henry Miller zu verständigen. Alles schön bunt heutzutage, werde ich sagen. Kein Achselschweiß mehr und überall singen die Schubladenmünder ein ganz unangepasstes Lied, auf den Straßen Schlachten – gefochten von den Mittelmäßigen, gegen die Verhältnisse. Ganz nah dran, an der Revolution – egal an welcher – werde ich rufen. Ganz nah dran. Und keine Achselnässe mehr. Das kommt hinzu. Die Schoßhunde zitieren Nietzsche, werde ich mitteilen und – ich wette! – Stauen auslösen. Nietzsche, wird Büchner fragen, wer dieser Nietzsche sei. Und Tucholsky wird antworten: „Na, der, der immer vom Hund zitiert wird“. „Von Katzen nicht?“, wird Miller fragen. „Doch, doch … von Katzen auch, von Wellensittichen und Meerschweinchen“, wird Tuchy antworten. Von ganzen hinten ruft mein Freund Phettberg in den Saal: „Da sei Gotty vor“. Aber es nützt nichts. Kein Schweißtröpfchen stört unseren heißen Diskurs um mittelmäßige Haustiere, sich einen nietzschen, weil das Genie des Radikalen mit dem Widerstand gegen die Verhältnisse lockt, resp. weil wohlfeil Schubladenmünder löcken wider den Stachel der Pläne auf denen sich schweißlos Haustiere dem Wort des großen Unangepassten hingeben, dass es einen mittelmäßigen Radikalen entzücken muss.
      Darauf einen Lufthansa-Cocktail und dann machen wir uns einen Käseigel und holen das Toast Hawaii aus dem Herd. Und bis in alle Ewigkeit adenauert uns der Hamster Nietzsche. Aber ohne Schweißgeruch.

    5. @Antitrans. Genau dies ist die Rede der siegreich Angepaßten; ich will ja gar nicht von „angeschlossen“ schreiben. Aber wir müssen nur auf das Leben schauen, das jemand führt, um zu wissen, wer in dieser Angelegenheit recht hat. Sie, lieber Antitrans, verschanzen sich hinterm Anonymen, und an uns ist es, und an den anderen Lesern, unsere Schlüsse daraus zu ziehen: Ihre Affirmation ist höchst wohlfeil, mein Lieber. Messen Sie Ihr Leben an meinem, und tun Sie es öffentlich ohne Maske, dann ist leicht zu finden, wo Widerstand und wo Bequemlichkeit ist, die sich fläzt.

    6. Ja, Sukov, der Schweißgeruch ist’s, was viele so stört: daß sie noch organisch sind und nicht in die Cleanness dersignt. Immer noch bestimmt sie ihr Körper, immer noch sind sie – Tier. Und mögen’s nicht haben.

    7. Warum zeigen Sie sich nicht hocherfreut darüber, dass ein Herr Antitranspirant Ihnen mitteilte, dass sich sämtliche Ihrer Sehnsüchte bereits im Mittelmass anständigst etablierten ?

    8. @von Brack. Weil mich etwas, das so offensichtlich falsch ist, n i e freut. Darüberhinaus ist Ihr eigener Kommentar ziemlich unwissend. Vielleicht möchte er aber nur gerne zu Mittelmaß m a c h e n, was über Sie selbst hinausweist und de facto -g e h t. Auch hier wieder: bloß anonym bleiben. Solange nicht gewagt wird, wie ich es tue, sich zu zeigen, so lange habe ich für Beiträge wie den Ihren nichts als Verachtung. Die vielen Rechtfertigungen, die ich hier für Anonymität immer wieder lesen muß, ringen mir nicht einmal mehr ein Lächeln der Barmherzigkeit ab.

    9. @Sukov. Ich habe eben wieder mal Kommentare gelöscht, die mich anonym mit Dreck bewarfen; man muß nicht alles stehenlassen, was diese losgelassenen Feiglinge, die kein Gesicht zeigen wollen, so von sich geben. Leider ist Ihre Antwort dabei mit draufgegangen; nicht bös sein, bitte. Ich hab es hier oft mit Leuten zu tun, die vor Neid über meine produktive Kraft alleine deshalb immer wieder Schmutz kommentieren, damit sie nicht ihre Fußnägel anknabbern müssen, an die sie aber ihrer schlechten körperlichen Form halber mit den Zähnen auch gar nicht herankämen. Das kommt von der Anpassung, kommt von dem Anschlußgeist, der sich ihnen sozial vererbt hat. Sie haben halt keine andere Möglichkeit mehr, die rechte Hand zum Gruß zu heben, als diejenigen anzpinkeln, die es niemals täten.

    10. Falsch ?
      Na gut dann war es halt schon immer Mittelmass, wenn Sie meinen.
      Darüber dürften aber die modernen Bildungseinrichtungen nicht erfreut sein, wenn man das so sagt.
      Hören Sie, Herr Herbst – ich rede(te) hier von Inhaltlichkeit und nicht von Ihrem schriftstellerischen Können.

    11. @von Brack. Auch das ist falsch, daß es schon immer Mittelmaß war. So etwas zu behaupten, zeigt, daß man nicht weiß, wovon gesprochen wird, oder aber: daß man sich fürchtet. Was die modernen Bildungseinrichtungen anbelangt, sind auch die nicht über einen Kamm zu scheren: es gibt vorzügliche und es gibt schlechte und es gibt alle Stufen dazwischen, unabhängig von relgiöser Konfession oder politischer Färbung. Im übrigen gibt >>>> Benjamin Stein in seinem beeindruckenden Roman „Die Leinwand“ ein Beispiel für eine vorzügliche Strategie und Auffassung, wie höchste Bildung entstehen kann; in seinem Fall ist es eine jüdische Bildungseinrichtung.

  3. Angst Er nennt sich Tropenhelm, manchmal Antitranspirant, manchmal auch Dieter oder Kurt,
    ich bin nicht mittelmäßig, nein, nein, nein, er keucht es in den Nächten, flüstert es seiner Frau ins Ohr, sag es zu mir, sag, du bist nicht mittelmäßig, na ja, antwortet die, du hättest mich ein wenig länger lecken können, aber mit der Leidenschaft hattest du es ja nie,
    er schreit auf, schreit sein liebstes Wort, schreit nein, er schreibt es auf, er schreibt auf ein Blatt Papier, mit zitternder Hand, er liest seine Worte, dort steht es, ich bin kein Mittelmaß, ich sage nein, er ist entzückt, entrückt, er wirft es dann in seine Schublade, die ist nämlich sein Mülleimer, den, da ist er sich sicher, dereinst Forschungsteams, bestehend aus Germanisten und Philosophen, entdecken werden, sie werden sich zunächst wundern, werden lesen, werden auf Texte von ihm stoßen,
    ihm den Antiradikalen, der sich eben nicht mehr einem Widerstand anschloss, weil doch die Mittelmäßigen diesen Platz besetzt hatten, jene, die sich mit Nietzschezitaten schmückten, die ihr Blut in den virtuellen Straßen vergossen, mit denen, nein, nein, da war wieder sein liebstes Wort, wollte er nicht gemein werden, gehörte er doch weitaus höheren Kreisen an, die in Reihenhauswolkenkuckucksheimen hausten, die sich noch zu schützen wussten gegen Angriffe dieser neuen Radikalen, er wusste sich noch zu schützen, denn seine Anonymität schützte ihn, er trat anonym auf, warf seine Wortstinkbomben im Netz, er erwähnte nie Aragon, nie Breton, dies überließ er dem Mittelmaß, er schulte sich in einer völlig neuen Radikalität, die schlussendlich im Schweigen mündete, weil ihm alles suspekt schien, was nach Widerstand roch, er focht eine neue Revolution, die im Stillen ablief, die sich dem Künstlertum widersetzte, weil er dort seinen ärgsten Feind, die Mittelmäßigkeit, vermutet, denn eines wollte er nie sein: Mittelmaß,
    drum legte er sich auch gar nicht erst mit sich selbst an, aus Angst, er könnte den Geruch eines fernen oder nahen Tages an sich wahrnehmen, nur seine Frau, die roch es immer wieder.

    1. ich habe mir gerade das dumpfe ploppen vorgestellt, ein dumpfes vielleicht raschelndes oder knisterndes Hineinplumpsen, eine lässige handbewegung, eine wirkliche und unnachahmliche, fast schon aufreizend gleichgültige art, mit der hand ein kleines Paket in einen humorlosen Plastikmülleimer fallen zu lassen, dieses geräusch, wie es da so hineingeplumpst ist, hineingeploppt, ein bisschen schwer, etwas weich, der schöne pariser käse, der einfach so in den eimer ploppte, dumpf hinein plumpste…flopp…palopp einfach so hineinplumpsen lassen, ein floppen und raschelnd knisterndes ploppen…und sie, dies sie so gar keinen funken für den ehrgeiz dieses menschen aufbringen konnten, für einen schwarzen, der das unwahrscheinliche riesenglück hatte, einen job im flughafen zu bekommen, und der womöglich noch irgendwo eine weitaus größere familie hat, der er ernähren muss, und der sich in seinem leben, dass sie nicht kennen, nichts sehnlicher wünscht, als diesen job, den er da hat genau zu machen, gut zu machen, vorbildlich zu machen, ja , ihn vielleicht sogar über zu erfüllen, weil er eine scheiß angst davor hat, dass man ihm fehler nachsagen könnte, weil er nicht derjenige sein will, der schuld ist, wenn ein brisanter weichkäse oder was auch immer zu viel durch die kontrollen gekommen ist, weil da noch kollegen sind, weil da noch andere sind, die seinen job gerne machenwürden, und dem der scheißkäse von einem touri am schalter aber sowas von egal ist, dass er ihn einfach so mit einem flopp in den eimer ploppen lässt, sehen sie, das ist eben der unterschied zwischen einem großen autoren und ihnen. ihnen fällt in dem moment nichts anderes ein, als diesen menschen zu verdammen, und ihm den hunger an den hals zu wünschen, sie sollten sich was schämen. ihnen fällt nichts anderes ein, als diesem menschen vorzuwerfen, dass er lebensmittel weg wirft.

    2. @antitranspi lustig sind Sie schon, das muss ich sagen. Hut ab! Wie Sie das so hinbekommen, um auf Hausiererexistenz zu kommen – das ist schon ein lustig‘ Ding.
      Was sagen Sie eigentlich zu Bohlen? Der ist doch auch nicht angepasst, oder doch? Und was ist mit Naddel. Na kommens, Antitranspi, bauen Sie Naddel mit ein. Die können Sie doch nicht als angepasst bezeichnen. Und eine Buchklappenhausiererexistenz isse auch nicht.

    3. @antitrans. Die Partei, die Sie hier nehmen, ist die, die man für jene nahm, die sich gegen die Hitlerhorden nicht wehrten, sondern andere hinausschleppen und umbringen ließen, um ihre Haut zu retten. Damit funktionierte ein ganzes menschenunwürdiges System. Nein, Sie haben recht, es ist nicht dasselbe, aber es sind dieselben Strukturen. Was Leute wie Sie an mir aufregt, ist, daß ich darauf den Finger lege und daß ich selbst nie, niemals, etwas, das ich Unrecht fand, zugelassen habe, nur um meinen Status zu sichern. Ich bin der Stachel in Ihrem Fleisch, das sich so gerne durchmogeln möchte, anonym selbstverständlich und einverstanden mit dem Pop, logischerweise, weiterhin und mit Wollust, weil es einem so ein Vergnügen bereitet, das Ohr an die Wand zu legen, um unerkannt am Leid der anderen saugen zu können und dabei noch für menschlich zu gelten, sozial kompatibel, wie das heißt.
      Ach, das ist gleich der nächste Stachel in Ihrem Fleisch: daß einer das w a g t, sich zu zeigen, auch wenn ihn das Verluste kostet und gekostet hat und weiterhin kosten wird. Na und? Besser ist das, als unstolz zu bleiben, verkrochen im Hinterhalt der Anonymität. Ich weiß, das schert Sie nicht, denn man erkennt Sie ja nicht. Eben. – Doch in der Tat: dieser Schwarze sollte hungern, wieder oder erstmals, das ist mir egal. Nicht seine Lieben, die können nichts dafür. Aber er. Es war ein Fluch, den ich aussprach, und er hat ihn verstanden.
      Und es ist ein Stachel in Ihrem Fleisch – lassen Sie mich raten: sind es die Hoden? i s t das denn Fleisch? -, daß ich ein Dichter bin, Sie aber nicht; Sie können ja nicht einmal anständig eine Soße zur Kritik zubereiten, sondern rühren Ihr Vorurteil aus Suppenwürfeln ein. Das ist eben der Unterschied zwischen einem kleinen Menschen und mir.

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