Arbeitsjournal. Montag, der 29. März 2010. Anschalttag. Kaputt.

7.11 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Heute zwischen 8 und 16 Uhr ist mein Vodafone-Anschalttag: DSL wird kommen, die mühsamen Unterbrechungen meines Netzzugangs, die die letzten Wochen so zäh gemacht haben, werden dann vorüber sein. Allerdings ist „zwischen 8 und 16 Uhr” für mich heftig: Ich kann in dieser Zeit meiner überaus leisen Türschelle wegen keine Musik hören und logischerweise auch kein Cello üben, aber das hab ich ja eh während der ganzen Woche nicht tun können. Jedenfalls hoff ich auf eher acht als sechzehn.

Wieder nur dreieinhalb Stunden Schlaf. Das >>>> MaerzKonzert nachts – das eher eine Disko/Club-Veranstaltung gewesen ist – brach ich ab, ich erkläre nachher, weshalb; „schlechte” Musiker waren es nicht, sondern es geht um einiges andere. Deshalb werde ich dazu fairerweise auch keine „Kritik” schreiben, sondern etwas, das ich vielleicht „kritische Bemerkungen” nennen werde, mal sehn. An die >>>> Marthaler/Furrer-Kritik setze ich mich, wenn ich für die erwarteten Techniker die nötige Ordnung/den nötigen Zugang zur Wandbuchse geschaffen und vielleicht auch schon mal das mitgelieferte Modem verkabelt und angeschlossen habe.

Jedenfalls. Um knapp halb 24 Uhr zog ich vom Haus der Kulturen der Welt, das nachts wunderschön ist…

schaun Sie mal:
…wieder ab und radelte >>>> zur Bar, wo mir der Profi begeistert-nervös von einer jungen Frau erzählte: diskret, doch gefangen. Nun hat es auch ihn einmal erwischt; „worüber willst du denn mit so jungen Frauen sprechen?” hatte er immer wieder moniert, wenn ich mit einer neuen Geliebten kam. „Man fragt dann nicht, nicht wahr?” sagte ich ihm gestern. „Sondern es ist.” „Ja”, sagte er. Wir trennten uns um eins oder halb zwei Uhr nachts, ich weiß nicht mehr genau. In der Arbeitswohnung vertilgte ich dann noch zwei Brote. Und legte mich schlafen.

So. Ordnung. Vor allem auch „die Ecke aussaugen”, damit die Techniker keine Staublunge kriegen.

14.46 Uhr:
Scheißtag heute. Kein Techniker bislang gekommen, und ich kann nicht arbeiten, weil ich keine Musik anhören kann, wenn ich nicht die Klingel überhören will. Aber möglicherweise waren die Techniker längst hier: umsonst. Es steht nämlich am Klingelschild nur „Herbst”, nicht etwa auch „Ribbentrop”, der Anschluß sollte aber unter „Ribbentrop” laufen. Als mir das einfiel, war es bereits zehn Uhr. Ich schrieb schnell eine entsprechende Nachricht und heftete sie unten an; aber da ist es wahrscheinlich schon zu spät gewesen —-

—- ja, w a r es. Eben eine SMS von Vodafone: „Ihr Anschluß konnte nicht realisiert werden, bitte melden Sie sich unter TelNr Soundso.” Ich angerufen, und es war dann, wie ich’s mir dachte. Immerhin, man gab mir sofort einen neuen Termin: 9. April. Das bedeutet jetzt aber zwei weitere Wochen Netzanverbindungsmisere. Alles mißlich. Aber ich hätte selbst an die Namenskonfusion denken müssen, das kann ich keinem Techniker anlasten.

Außerdem großer Ärger, große Verstimmung wegen zweier Tagebucheinträge Anna Häuslers. Einmal abgesehen davon, daß dort Fiktion für Realität genommen wurde, hat die nach Konkretion rufende Möglichkeit, personal zu verstehen, möglicherweise bittere Konsequenzen. Ich überlege die ganze Zeit, ob ich und, wenn, wie öffentlich reagieren soll oder ob ich die Angelegenheit einfach so stehenlasse und kalt, wirklich kalt zu den Geschlechterkampfes-Akten lege. Das wird das klügste sein, wohl auch das stilvollste. Das Leben als einen Roman betrachten. Hilft. Hilft i m m e r.

Muß eben los die Modem-Box umtauschen; die hat nämlich a u c h eine Macke. Alles kommt aufeinander, der Tag war für die Füße, und zwar ungewaschene. Weil ich aus Sorge, die Klingel zu überhören, nicht einmal duschen konnte. Um von meiner Arbeit einmal ganz zu schweigen. Um von dem Cello zu schweigen. Aber ich werde d o c h zum Unterricht fahren, auch „ungeübt”; so hab ich das Instrument wenigstens mal in der Hand gehabt.

Es ist still in Der Dschungel. Wenn ich aber die Charts ansehen, dann merke ich: eine Menge schweigender Leser, die wahrscheinlich meinen, einer Sitcom zu folgen. So hat das Zeugs doch wenigstens Unterhaltungswert –

20.11 Uhr:
Es geht mir ziemlich beschissen; insofern ist erreicht worden, was beabsichtigt worden ist. Die tatsächlichen persönlichen Folgen sind noch nicht abzusehen. Ich habe Anna Häusler den ContributorenStatus entzogen und ihre beiden letzten Tagebuchtexte gelöscht, nachdem unter dem zweiten der beiden eine Leserin einen sehr freundlichen, sehr vornehmen Kommentar abgegeben hatte, den Anna Häusler offenbar meinte, löschen zu müssen. Hätte sie das nicht getan, hätte ich auch die beiden Tagebuchtext stehen lassen, zumal mir eben eine ganz andere Leserin schrieb, sie habe vor allem den ersten der beiden als sehr schön und intensiv empfunden und überhaupt nicht auf mich bezogen. Es laufen in sehr vielen Dschungeltexten Subtexte mit, ich schrieb schon einmal darüber: Nachrichten an die, na ja, Freunde. Dem gelegentlichen Leser erschließen sie sich nicht, was auch gut und beabsichtigt ist. Ich will ja das Spiel der Möglichkeiten netzkultivieren. In diesem Sinn habe ich auch eben auf >>>> eine Darstellung Der Dschungel kommentiert, die mir rundweg zu kurz greift, ob nun absichtlich oder nicht. Noch (20.17 Uhr) ist mein Kommentar aber dort nicht freigeschaltet worden. Ich schrieb folgendes:Ihre Darstellung dessen, was in meiner Dschungel unternommen wird, ist nicht ganz richtig. Richtig ist, daß unter anderem Texte zur Diskussion gestellt werden. Darüber hinaus entstehen aber auch Erzählungen in der Interaktion der Kommentatoren, die ihrerseits teil Fiktionen (lit. Figuren), teils reale Personen sind; diese Erzählungen reichen über neue Beiträge und Kommentare hinweg in die o f f e n e Erzählung, die zudem “zeitecht” entsteht. Wiederum d a neben werden theoretisch die Möglichkeiten dieses Ansatzes und anderer Ansätze erörtert, das Internet für die Poetik zu kultivieren. Ebenso ist Die Dschungel ein Organ für Musik- und Literaturkritik, und sie ist ein Protokoll persönlicher Lebensumstände verschiedener Personen (“chorisches Tagebuch”), wie auch Dokumentation von Entstehungsbedingungen von Literatur-überhaupt. Angestrebt ist, und bisweilen auch gelungen, diese Bereiche nicht gegeneinander abzugrenzen, sondern ineinander überfließen zu lassen.
ANH
29. März 2010

Jedenfalls ist die Häusler-Sitcom nunmehr beendet; die Folgen brechen weg und klaffen ins Leere. Es gibt ja auch Romane, die man nicht zuendeschreibt. Eine verlorene Chance ist das aber allemal. Ärgerlich ist nur, daß Häusler sich den Namen einer meiner großen weiblichen Romanfiguren, aus dem WOLPERTINGER nämlich, angemaßt hat und ich selbst dieser Anmaßung noch Futter gab – nichtahnend, daß das Niveau der realen Person hinter dem der fiktiven derart weit zurückfallen würde. Ich werde in Zukunft, soweit ich kann, damit in Der Dschungel heikler sein. Anderswo kann ich es nicht verhindern, hier aber sehr wohl.

Ansonsten habe ich so gut wie nicht gearbeitet, nur in müder Starre hiergesessen, mich vergeblich um den Netzzugang bemüht, immerhin nach einem Besuch im Laden die Box zu laufen gebracht, aber UMTS wird nun nicht erkannt, wegen der schlechten Funkverbindung hier. Bei der Familie sagte ich das Abendessen ab; man war nicht glücklich. Zu meiner Musikkritik fehlt mir die Konzentration, völlig; um 22 Uhr treff ich Ralf Schnell, den Herausgeber der horen-ANDERSWELT-Bandes >>>> in der Bar, der Profi wird vielleicht hinzukommen.

Alles übrige ist liegengeblieben. Ich bin nicht mal geduscht. K e i n guter Tag. Lustlosigkeit. Müdigkeit. Erschöpfung. Hat was von in die Inspirationslosigkeit ausgebrannt sein. Aber das krieg ich in den Griff.

Eines aber war schön. Nobert Wehr vom >>>> Schreibheft hat auf meine Sendung geantwortet und schreibt ganz f ü r die Elegien, die hier ja ebenfalls oft heftig niedergemacht wurden:Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Mail samt angehängter Bamberger Elegie! Sie überzeugt mich, wie die, die ich schon mal gedruckt habe. Trotzdem kann und will ich nicht sofort zusagen, denn fürs nächste Heft sind die Weichen schon gestellt – und es gibt wieder, wie beim aktuellen Christensen-Heft, strenge Kompositions-Absichten. Will sagen: es fehlt der sinnvolle Kontext. – Wollen und werden Sie sich noch ein bißchen gedulden? – Darüber würde ich mich freuen! Herzlich, Ihr : Norbert WehrDa das Schreibheft d i e wichtigste und angesehenste deutsprachige Literaturzeitschrift ist, mag ich mir auf seine Zeilen ein wenig was einbilden. Ich habe ihm zurückgeschrieben und ihm einen, wie ich selbst weiß, höchst abenteuerlichen Vorschlag unterbreitet.

21.41 Uhr:
Die Depression ist gerade so schlimm, daß ich versucht war, zu meinen Restbeständen Lexotanil zu greifen. Allerdings stammen die noch aus meiner Krisenzeit 2002; es ist eh nicht heraus, ob nicht schon aller Wirkstoff zerfallen und in w a s er zerfallen ist. Die Bar habe ich abgesagt, Ralf Schnell auf die Mailbox gesprochen, da er grad im Theater sitzt. Ich mag mich nicht rühren. Vor allem darf ich keinen Alkohol trinken in dieser Verfassung, keinen Tropfen. Also eine DVD geholt, die knall ich mir jetzt rein. Absolut sexfrei, übrigens; Depressionen neutralisieren alles Geschlecht. Nur Mineralwasser. Auch keinen Tee, weil Tee immer etwas mit Krankheit zu tun hat, wenn’s einem schlecht geht. “Kaputt-putt-putt, mein Hühnchen…” (Das Hackebeil hinterm Rücken: in der Linken, wo die Klinge blitzt.)

6 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 29. März 2010. Anschalttag. Kaputt.

  1. Warum? *eine Menge schweigender Leser, die wahrscheinlich meinen, einer Sitcom zu folgen. So hat das Zeugs doch wenigstens Unterhaltungswert -*

    Warum sollte man, indem Fall ich, hier kommentieren, oder auch nur ein einziges Wort schreiben, wenn man andauernd eins in die Schnauze bekommt. Unterhaltungswert hat das Zeugs allemal. Auch Verkehrsunfälle haben das. Man kann den Leuten immer wieder und immer wieder einen faulen Fisch auf die Bühne hängen und behaupten er ist eine Operette. Irgendwann glauben die das.

    Ich hoffe, dass ich durch die Angabe meines Namen und der Angabe meiner URL (auch wenn sie zur Zeit außer Betrieb ist) nicht anonym bin. (Welch ein Blödsinn, was ist im Netz denn real… Alles ist ein Fake und alles ist echt…)

    Viele Grüße von einem Leser und Schweiger…. (Das Schweigen nun gebrochen, und schon bereut….)

    1. “Eins in die Schnauze”. Bekommen diejenigen z u r ü ck, die sich nicht benehmen können. In Ihrem Fall handelt es sich ja zudem ganz offenbar um einen Spanner. Erfinden Sie m i t, dann gibt es das Problem nicht, und tun Sie es lustvoll und fantasievoll.

  2. @ANH … wenn da jetzt einer was verzapft hat, dann i c h. Ich riet Anna dazu, unter diesen beiden Einträgen die Kommentarfunktion zu deaktivieren, um hier eine nächste Schlammschlacht zu verhindern. Ich bin mir sicher, daß Anna nicht wußte, daß sie damit diesen Kommentar gleich mitlöscht (und dies somit nicht mit Absicht tat), weil sie sich mit diesen Dingen nicht so gut auskennt.

  3. Genau… … das ist es, man sagt etwas und bummmmmm, diesmal bin ich ein Spanner… An anderer Stelle haben sie einen Kommentar von mir als klug befunden und in einem ihrer Vorträge über das literarische Bloggen mich sogar zitiert… Aber so ist das und das. Doch ich lasse das lieber. Ein Spanner hat es zu einfach, wenn er auf einen Exhibitionisten triftt. Leider sind Sie das nicht. Sie sind vielleicht ein bisschen stark narzisstisch (ich weiß, sie sind stolz darauf) veranlagt und ich vielleicht ein bisschen zu fatalistisch (leider ohne Stolz, nur traurig). Trotzdem wünsche ich Ihnen die Ausdauer hier in dem (ihrem) Stil weiter zu machen. Also ich meine damit, das eigene Leben als Roman zu sehen.

    1. @didymus. Ich hab ja nicht gesagt, daß Sie dumm seien, sondern mich mit dem “Spanner” auf Ihre eigene Äußerung bezogen; steht doch genau so in Ihrem Text. Und wenn ich einen Ihrer Kommentare klug gefunden habe, dann wird er das auch gewesen sein.
      Das mit dem “ohne Stolz” tut mir leid. Vielleicht versuchen Sie einmal, etwas daran zu ändern.

      Ausdauer hat mir nie gefehlt. Siehe mein Werk. Es ist halt da, ob die Leute das wollen oder nicht. Und es wird weitergehen damit. Auch mit dem Leben als Roman. Da es das ist. (Auch mit den Frauen wird es weitergehen. Ich bin nur momentan matt. Das geht vorüber, immer. Dann ist auch die Lust wieder da, wahrscheinlich schon morgen. Wenn Sie hier weiterlesen, werden Sie es nicht verpassen.)

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